Rothenburg mit seinen mittelalterlichen Mauern, Häusern, Straßen und Winkel war nicht nur attraktives Ziel des „Kraft durch Freude“-Tourismus, sondern auch für Individualisten. Die Reihe prominenter Rothenburg-Besucher ist seit dem Mittelalter lang. Gemeißelte Steine an Häusern informieren öffentlich, welche Kaiser und Könige in Rothenburg nächtigten. Darauf waren die Rothenburger stolz. Der Stolz auf die prominenten NS-Besucher, die nach der Machtübernahme kommen sollten, wie Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Ernst Röhm, Julius Streicher, Hermann Göring, um einige zu nennen, verflog spätestens im April 1945. Aber bis dahin waren Rothenburger auch auf diese Herren stolz, wie aus den zeitgenössischen Zeitungsberichten hervorgeht.
Schon 1929 war SS-Chef Heinrich Himmler (Hitler: „Der treue Heinrich“) in der Stadt. Er sprach bei einer nationalsozialistischen Kundgebung. „Die zweite öffentliche Versammlung in der Stadt stieg. Es sprach der Reichsführer der SS, Himmler. Ein kommunistischer Diskussionsredner aus Kitzingen wurde im Schlußwort vernichtend abgefertigt!“ steht unter dem 8. März 1929 in der Parteichronik der Rothenburger NSDAP. Zwei Tage später sprach Himmler in Geslau. Die Rothenburger SA nahm an dieser Versammlung teil. In Begleitung Himmlers war der SA-Stabschef Ernst Röhm, der später als Konkurrent Himmlers bei Hitler und Ungnade fiel und schließlich am 30. Juni 1934 zusammen mit der SA-Führungsspitze durch SS-Männer in Bad Wiessee verhaftet und im Münchner Gefängnis Stadelheim ermordet wurde.
Nach 1933 gab sich die NS-Prominenz ein Stelldichein in Rothenburg
Die Provinzpresse spielte eine wichtige Rolle für die nationalsozialistische Indoktrination. Die Nationalsozialisten machten den „Fränkischen Anzeiger“ mit seinem Lokalteil „Aus Rothenburg o. d. T. und Umgebung“ zu dem Propagandainstrument für ihre Herrschaft. Mit Hilfe dieses Presseorgans steigerten die Kreis- und Ortsgruppenleiter die Publizität der örtlichen Parteiaktivitäten. Gleichzeitig mobilisierten sie ihre Mitstreiter. Die Redaktion des Fränkischen Anzeigers brüstete sich am 5. Januar 1935, für „die immer weitere Vertiefung der Idee dem Nationalsozialismus als Mitstreiter zu gelten“. Dementsprechend sah der Zeitungsverlag seine „[…] vornehmliche Aufgabe darin, das nationalsozialistische Gedankengut im heimatlichen Rahmen zu pflegen […]“ (20. Januar 1936). Am 30. Oktober 1935 erklärte Kreisleiter Steinacker die Tageszeitung zum amtlichen Organ der NSDAP. Folglich wurden alle Anordnungen und amtlichen
Verlautbarungen des Beauftragten der NSDAP in dieser Tageszeitung veröffentlicht.
Adolf Hitler im Hotel Eisenhut
Angesichts schwach entwickelter Kommunikationstechnologien und graduell eingeschränkter Mobilität hatte der direkte Kontakt nationalsozialistischer Führungseliten zur Rothenburger Bevölkerung eine große Bedeutung, wie die Besuche von Robert Ley, Hermann Göring, Rudolf Hess, Wilhelm Frick oder hochrangiger Militärs zeigten. Höhepunkt war der Besuch Adolf Hitlers am 16. April 1935, der im Hotel Eisenhut lediglich eine Stunde zu Mittag aß. Hitlers Anwesenheit löste bei den Rothenburgern Euphorie aus. „Groß und einmütig war der Jubel, der damals dem Führer entgegenschlug“ (FA). Die Visite Görings und des „Frankenführers“ Streicher am 23. Juni 1935 wurde zu einer Großveranstaltung ausgebaut, an der sich neben der lokalen NSDAP, ihren Gliederungen und Verbänden auch Hunderte aus Stadt und Kreis Rothenburg beteiligten. Der FA: „Die Freude und vor allem die Verbundenheit der Bevölkerung mit den Führern des Dritten Reiches kam [in der] reichen Beflaggung der Häuser zum Ausdruck.“
Glorifizierung der großem und kleinen Machthaber gefordert
Ausgestattet mit dem Attribut der Unfehlbarkeit forderten die Instanzen der NSDAP eine glorifizierende Verehrung durch die Massen, die in Aufmärschen und Kundgebungen nach ausgeklügeltem Ritual und theatralischen Inszenierungen zur Huldigung des Regimes beitrugen. Gipfel nationalsozialistischer Inszenierungen waren alljährliche Massenspektakel, wie die Frankentage auf dem Hesselberg und die Reichsparteitage in Nürnberg. Zu Hunderten pilgerten die Rothenburger zum Hesselberg und widmeten ihre Aufmerksamkeit den Reden von Herrmann Göring und Joseph Goebbels. Die Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Partei organisierten Fahrgemeinschaften, um möglichst vielen Personen die Teilnahme zu gewährleisten.
Ausländische Journalisten wurden gezielt nach Rothenburg geschickt
Auch Rothenburg stand im Zeichen der Reichsparteitage. Anlässlich des Reichsparteitages 1935 „und zu Ehren der jetzt bereits in großer Zahl eintreffenden Kämpfer Adolf Hitlers hat unsere Stadt […] reichen Flaggenschmuck angelegt. In allen Straßen […] wehen die Fahnen des Dritten Reiches und ein riesiger Triumphbogen […] heißt alle […] willkommen“ (FA vom 11. September 1935). Hochrangige Funktionäre der NSDAP, Gauleiter, Ministerpräsidenten und reputierte Vertreter der Wehrmacht aus ganz Deutschland nützten die Reichsparteitage für einen Besuch in der Stadt, wie zum Beispiel der Bayerische Ministerpräsident Siebert, SS-Obergruppenführer Erbprinz zu Waldeck-Pyrmont, die Gauleiter von Baden, Wagner, von Württemberg, Murr, und von Hamburg, Kaufmann, der badische Ministerpräsident Köhler, Staatssekretär Reinhard vom Reichsfinanzministerium, Generalleutnant Klepke, Prinz Albrecht von Hohenzollern, der ungarische Ministerpräsident Imredy und die Minister Rainthaler und Glaise-Horstenau aus Wien. Ausländische Journalisten wurden gezielt nach Rothenburg geschickt, um das Bild der deutschen Vorzeigestadt zu verbreiten. Militärparaden und Aufmärsche wurden veranstaltet, um die Besucher gebührend zu empfangen.
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