„Tag der Franken“ erinnert an die historische Vereinnahmung der Region durch Bayern vor rund 200 Jahren – Neonazis veranstalten den „Nationalen Frankentag“

Franken-Tag-heute

“Tag der Franken” 2012 in Schwabach

Von Wolf Stegemann

Der seit 2006 jährlich am 2. Juli bzw. am darauf folgenden Wochenende stattfindende „Tag der Franken“, dessen zentrale Festveranstaltung abwechselnd von den drei fränkischen Bezirken Bayerns ausgerichtet wird, erinnert an ein historisches Ereignis. Im Fränkischen Reichskreis, der sich am. 2. Juli 1500 auf dem Reichstag von Augsburg konstituierte und ab 1522 auch so hieß, waren die Hochstifte Bamberg, Würzburg und Eichstätt, die Fürstentümer Ansbach und Kulmbach sowie die Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg ob der Tauber, Windsheim, Schweinfurt und Weißenburg vertreten. Der Reichskreis Franken bestand mit fünf anderen Reichskreisen, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bis 1806 aufgeteilt hatten.  

s19a.jpgMit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war auch die Kreisverfassung des Fränkischen Kreises 1806 beendet. Wenige Jahre später wurde auf dem Wiener Kongress der überwiegende Teil des ehemaligen Reichskreises dem Königreich Bayern zugeschlagen. Dies markiert den Beginn der „Franken in Bayern“. Bei vielen Franken blieb die Zugehörigkeit zu Bayern bis heute unbeliebt. Daher wurden verstärkt auf fränkische Eigenheiten wie Lebensart und Brauchtum, Kultur und Geschichte Wert gelegt und dabei die  rot-weiße Rechenflagge hochgehalten.

Dass sich der gegenwärtige „Tag der Franken“ begrifflich an den „Frankentag“ der Nationalsozialisten anlehnt, zu dem der Gauleiter Julius Streicher auf den Hesselberg eingeladen hatte, fand nicht nur Kritiker, sondern auch das Gefallen von Neo-Nazis, die den „Tag der Franken“ für ihre rechtsradikalen Aufzüge zuerst missbrauchten und mittlerweile zum „Nationalen Frankentag“ einladen.

Veranstaltungen reihum in den Bezirken 

Der erste „Tag der Franken“ fand 2006 in Nürnberg (Mittelfranken) statt, ein Jahr darauf in Bamberg (Oberfranken) und 2008 in Miltenberg (Unterfranken). In der Folge der sich abwechselnden Veranstalter war 2009 wieder Mittelfranken als Ausrichter an der Reihe (Bad Windsheim), 2010 Oberfranken (Kulmbach), 2011 Unterfranken (Bad Kissingen), 2012 Schwabach (Mittelfranken) und 2013 veranstalteten alle drei Bezirke dezentral „Franken im Ohr“ (Jubiläumsjahr Richard Wagner und Jean Paul).

"Frankentag" in der NS-Zeit am Hesselberg

“Frankentag” in der NS-Zeit am Hesselberg

Die Redaktion der „Nürnberger Zeitung“ wollte nicht mehr hinnehmen, dass ihre Berichterstattung über den „Tag der Franken“ immer wieder mit dem „Frankentag“ der Nazis auf dem Hesselberg in kritischem Zusammenhang gebracht wurde, wo „Frankenführer“ Julius Streicher sein propagandistisches Heimspiel hatte. Damals begaben sich zwischen 1933 und 1939 jedes  Jahr bis zu 100.000 ideologisierte Anhänger Hitlers zum fränkischen Hesselberg, was für sie wie eine politische Wallfahrt war. Rothenburger fuhren in Bussen zum „Frankentag“ und von dort kamen Besucher nach Rothenburg, um die von Nazis ideologisierte Stadt zu besichtigen.

Rechtsradikale haben den „Tag der Franken“ für sich entdeckt

Daher stellte die „Nürnberger Zeitung“ am 6. Juli 2012, also fast 70 Jahre nach dem braunen Spektakel „Frankentag“ am Hesselberg heraus, dass diese damaligen Veranstaltungen mit dem heutigen „Tag der Franken“ außer der Namensähnlichkeit nichts zu tun hätten. Dennoch stellt sich die Sache mit dem „Tag der Franken“ komplizierter da, als es scheint. Denn immer mehr Rechtsradikale aus Franken und aus Gebieten darüber hinaus haben den „Tag der Franken“ als den ihren entdeckt und strömen ihm zu, ganz gleich, in welcher fränkischen Stadt er stattfand.

Neonazais an ihrem "Frankentag" in Ansbach-Roden

Neonazais an ihrem “Frankentag” in Ansbach-Roden

Im Namen der Vereine, die am „Tag der Franken“ mitzumischen versuchten, und in deren gab und gibt es noch mehr fränkisches Lokalkolorit: „Fränkischer Bund“, „Frankenbund“, die „Partei für Franken“, der„Bund Frankenland“, das „Aktionsbündnis Nordbayern“ oder „Fränkischer Heimatschutz“. Man mag über so viel heimatlich-fränkischen Regionalpatriotismus schmunzeln. Doch es steckt mehr dahinter, denn längst haben rechtsextreme Organisationen den Heimatbegriff für ihre Zwecke entdeckt. Die „Nürnberger Nachrichten“ befragten darüber den bayerischen Verfassungsschutz (BLV). Die Antwort: „Nazis gründen Organisationen mit Namen, die sich nicht national anhören. Wenn man als NPD antritt, tut man sich hart. Wenn’s ein anderer Name ist, ist die Barriere kleiner.“ Das bedeutet, so die Zeitung, dass die NPD unter dem Deckmantel fränkischer Namen neue Anhänger fischt.

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Patriotischer Franken-Verein

Auch Patriotische Franken-Verbände und Parteien

Der „Fränkische Bund“, der „Frankenbund“, der „Autorenverband Franken“ oder die „Partei für Franken“ sind gegen jeglichen Verdacht völkischer Gedanken erhaben. Der „Frankenbund“, die mit etwa 5.000 Mitgliedern wohl größte Organisation mit „Franken“ im Namen, kümmert sich um „Mundart, Geschichte, Brauchtum, Literatur“. Zwar vermuten viele, der oberbayerische Präsident ist ein Wolf im Schafspelz. Aber nur, weil er aus deren Sicht nicht immer heftig genug für die fränkischen Belange auf den Putz haut.
„Die Partei für Franken – die Franken“ versteht sich als „bürgerliche Volkspartei“. Ein eigenes Bundesland Franken hat sie nicht im Visier, sondern ist „gegen die oberbayerische Fremdbestimmung“. Der Allianz gehört auch der „Fränkische Bund“ an. Von dem kam die Forderung, den rot-weißen „Fränkischen Rechen“ neben der Bayern-, Deutschland- und Europaflagge vor oder auf Rathäusern hissen zu dürfen. 2012 gab es dafür grünes Licht vom Landtag – wenn auch nur für den jährlichen „Tag der Franken“.
Ob der mit dem „Fränkischen Bund“ fast namensgleiche „Bund Frankenland e.V.“ wirklich ein eigenes Bundesland Franken will, ist nicht klar. Deutlich dagegen ist die Verbindung von „Bund Frankenland“ (BF) und Uwe Meenen. Der Domain-Inhaber (2012) der BF-Website ist seit Langem in NPD-Führungsrollen aktiv. Auch der „Fränkische Kulturbund“ ist ein Betätigungsfeld des Würzburger NPD-lers Meenen. Dass der „Bund Frankenland“ wenig mit Franken, aber mehr mit Rechtsextremismus zu tun hat, sieht man schon auf der Webseite: Links zur als NPD-Tarnorganisation bezeichneten „Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg“ oder zum „Freien Netz Süd“ zeigen deutlich, wo’s hier lang geht.
Das „Aktionsbündnis Nordfranken“ hieß nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz früher „Nationale Sozialisten Lichtenfels/Coburg“, setzt also jetzt ebenfalls auf die fränkische Karte. Und „Bürgerinitiativen Soziales XY“ schießen auch überall aus dem Boden. Wie es auch in den letzten Jahren je einen so genannten „Nationalen Frankentag“ der Rechtsextremisten gab.

"Ankündigung des "Nationalen Frankentags" der Rechtsradikalen 2011

“Ankündigung des “Nationalen Frankentags” der Rechtsradikalen 2011

„Nationale Frankentage“ der Neonazis

Beobachter der Szene meinen, der sei in Erinnerung an die jährlichen Aufmarsch der Nationalsozialisten am Hesselberg zu sehen. Neonazis veranstalten seit Jahren ihren eigenen „Nationalen Frankentag“, so in Obertrubach-Gschwand im Landkreis Forchheim mit NPD-Aufmarsch und Gegendemonstrationen, in Mainleus-Schwarzach in Oberfranken, in Roden bei Ansbach (Mittelfranken). Der Auftrieb der Medien und Polizei ist jeweils groß, ebenso die der Gegendemonstranten, die aus nah und fern kommen. Die Polizei hat viel zu tun, die Parteien auseinander zu halten.

Rot-weiße Rechen-Flagge der Franken ist kein Hoheitssymbol

Veranstalter, die nicht im Verdacht stehen, rechtsradikale oder überhaupt politische Positionen zu vertreten wie beispielsweise der „Autorenverband Franken“, hissen an ihren Informationsständen beim „Tag der Franken“ oder bei Autoren-Lesungen, so 2010 in  Rothenburg ob der Tauber, lokalpatriotisch die Franken-Fahne. Weiß man, wie Fahnen missbraucht wurden und werden, mag dies den einen oder anderen irritieren. Die Franken-Flagge mit dem Rechen ist als solche relativ neu und gilt in Bayern nicht als offizielles Hoheitssymbol. Bis zur Eingliederung Frankens nach Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts gab es keine eigene Flagge. Erst die bayerischen Behörden, die bei der Integration Frankens ein Symbol benötigten, um den Zuwachs gebührend zu repräsentieren, legten das Wappen der Würzburger Fürstbischöfe das fränkische Symbol fest, das seit 1835 Bestandteil des bayerischen Staatswappens ist. Wehten an Streichers „Frankentagen“ die schwarz-weiß-roten Hakenkreuzfahnen, so werden am „Tag der Franken“ alle öffentlichen Gebäude neben den bayerischen Landesfarben die Fahnen der fränkischen Bezirke gehisst. Seit 2012 ist auch der „Fränkische Rechen“ zusätzlich erlaubt. – Leider wehen dann auch da oder dort NPD-Fahnen.

Heute noch Sympathien für „damalige Ideen“

Auf den Umfrage-Aufruf der „Nürnberger Zeitung“, wie Leser die Namensähnlichkeit der Nazi-Frankentage auf dem Hesselberg und dem gegenwärtigen „Tag der Franken“ beurteilen, kamen viele Antworten, von denen wir hier zwei wiedergeben. Unter „Frankentage“ schrieb am 8. Juli 2012 ein Leser:

„Man muss schon sehr verquert oder sogar krankhaft denken, um echte Heimatliebe mit Rechtsextremismus in Verbindung zu bringen – nur weil diese radikalen Leute den Begriff missbrauchen. Ich liebe meine Heimat Franken mit aller Kultur und Brauchtum, was wenig mit (Alt-)Bayern zu tun hat. Bin ich deswegen ,rechtsradikal’? Franken sind keine Separatisten, Franken stehen zu Europa, zu Deutschland – ja sogar zu Bayern. Aber es soll gerecht und demokratisch zugehen und das tut es im zentralistischen Bayern derzeit absolut nicht!“

Und ein anderer meinte am 6. Juli 2012:

„Es ist naiv zu sagen, der ,Tag der Franken hat mit dem Frankentag nichts zu tun…’ und ,Rechtsextremisten missbrauchen Begriffe, die Heimatgefühl erzeugen…’. Bis heute sind die ,Frankentage’ (übrigens bis zu 200.000 Besucher jährlich, statt der immer angegebenen 100.000) nicht aufgearbeitet, ich kenne zig Leute, die heute noch mit den damaligen Ideen sympathisieren und nur zur Tarnung sich liberal und demokratisch geben. Der formale Beitritt zur ,Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg’ ist nur ein Lippenbekenntnis. Es wird Zeit, die NS Zeit in Franken aufzuarbeiten, aber ehrlich und schonungslos!“

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Quellen: Nürnberger Zeitung „Tag der Franken hat mit dem Frankentag nichts zu tun Rechtsextremisten missbrauchen Begriffe, die Heimatgefühl erzeugen, für ihre Zwecke“ vom 6. Juli 2012. – Wikipedia, Online Enzyklopädie (zu Tag der Franken, 2012). – Literatur: Andrea M. Kluxen und Julia Hecht (Hg.): „Der Tag der Franken. Geschichte, Anspruch, Wirklichkeit“, Geschichte und Kultur in Mittelfranken, Bd. 1, Würzburg 2010. – Max Pindler (begr.) „Handbuch der bayerischen Geschichte“, Bd. III/1: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 1997. – Eugen Schöler „Fränkische Wappen erzählen Geschichte und Geschichten“, Neustadt/Aisch 1992.
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