W. St. – Nach zwölf Jahren NS-Regime herrschte in Bayern die Militärregierung der amerikanischen Besatzungsmacht. Für die Bevölkerung war dies eine große Umstellung, denn nun wurde sie mit demokratischen Gepflogenheiten konfrontiert, die sie erst lernen mussten. Jugendliche kannten Demokratie überhaupt nicht, Ältere schon. Viele lehnten sie aber noch ab, weil sie zwölf Jahre lang gesagt bekommen hatten, Demokratie sei jüdisch, plutokratisch, verdorben und unsittlich. Das hatte ihnen die NS-Propaganda eingeimpft und das war nach dem Krieg in vielen Köpfen noch vorhanden, wie die Ablehnung der Amerikaner als kultur- und sittenloses und verweichlichtes Volk. Beides, den Amerikanern und der Demokratie mussten sich die Deutschen schließlich bedingungslos fügen. In einer Stadt wie Rothenburg, die im Dritten Reich als antisemitische und nationalsozialistische Vorzeigestadt und Hochburg galt, war das Umstellen auf eine andere Basis sicherlich nicht leicht, damit umzugehen.
Von der Militärregierung zur „Hohen Kommission“
Die amerikanische Kreis-Militärregierung Rothenburg-Uffenheim bemühte sich schon ab 1946, zusammen mit den von ihr eingesetzten Verwaltungsbeamten die Bevölkerung manchmal auch harsch auf die zukünftige demokratische Regierungsform durch Schulung und Informationen hinzuweisen, um so ein stabiles demokratisches Gemeinwesen zu schaffen. 1949 wurde die Institution bzw. ihre Bezeichnung von „Militärregierung“ umgewandelt in „Hohe Kommission“. Den Übergang mit den Veränderungen für die Stadt und den Landkreis Rothenburg ob der Tauber erklärte der Direktor der Militärregierung Rothenburg-Uffenheim (amerikanische Kreisverwaltung), Gerard S. Foley.
Amerikaner überwachten den Prozess zur Demokratie
Die Entwicklung der amerikanischen Politik auf dem Gebiet des Regierungswesens war dadurch gekennzeichnet, dass die Militärregierung in den ersten Jahren der Besatzung Schritt für Schritt Verantwortung den deutschen Behörden übergeben hat. Dadurch räumten die Amerikaner der deutschen Regierung Aktionsfreiheit in inneren Angelegenheiten ein, die allerdings im Einklang mit der demokratischen Entwicklung stehen mussten, die von den Amerikanern befohlen und überwacht wurde.Im gleichen Maße, und zwar zunächst bei den ersten freien Wahlen 1946, wurden die Kontrollbefugnisse der Militärregierung von der Gemeinde- bis zur Landesebene stufenweise abgebaut, bis dieser Teilprozess mit der Errichtung der Hohen Kommission am 26. September 1949 seinen Abschluss fand.
Kontrollbefugnisse nach und nach den deutschen Behörden übertragen
Die Aufgaben der Rothenburger Kreis-Militärregierung, die ihren Sitz in der Herrngasse hatte und auch für Uffenheim zuständig war, beschränkten sich aber noch auf Beobachtungen, Beratung und Berichterstattung, während sich die höhere Leitungsstelle der Militärregierung das Einspruchsrecht gegen eventuelle wirtschaftliche, soziale und politische Maßnahmen vorbehielt, wenn diese im Gegensatz zu den Hauptzielen der Besatzung standen. Mit der Errichtung der Hohen Kommission und der Verkündung des Besatzungs-Statuts sowie des Grundgesetzes wurden noch weitere Kontrollbefugnisse den deutschen Spitzenbehörden übertragen.
Die amerikanische Kreisverwaltung Rothenburg musste sich der Organisation und den Aufgaben sämtlicher Verwaltungsstellen durch Beobachtung und ständigen Kontakt widmen und mit den jeweiligen Beamten vertraut sein. Sie hatte vor allem festzustellen, ob die Rothenburger Verwaltung Demokratisierung und Dezentralisierung durchführte und aus der NS-Zeit noch bestehende unerwünschte Methoden ausschaltete. So berichtete zum Beispiel ein amerikanischer Kreisvertreter von dem Fall eines Bürgermeisters im Kreis Rothenburg, der inoffiziell den ganzen Gemeinderat absetzte und sein eigenes Gehalt für die Mehrarbeit erhöhte. Auch wurde über illegale Wahlverfahren berichtet. Außerdem musste die US-Kreisverwaltung zu jeder Zeit über alle Vorgänge auf politischem, erzieherischem, wirtschaftlichem und verwaltungsmäßigem Gebiet informiert sein. Missstände wurden dem zuständigen US-Landeskommissar berichtet. So befasste sich zum Beispiel ein von der örtlichen Kreisverwaltung abgefasster Bericht mit der Notwendigkeit, die Bürgerkunde als Fach in den Rothenburger Volksschulen, der Oberschule, der Berufs- sowie der Landwirtschaftsschule einzuführen. Es war besonders wichtig, dass junge Menschen eine genaue Kenntnis vom Aufbau und der Arbeit ihrer Regierung hatten und besonders von der Rolle, die sie einmal in diesem Rahmen übernehmen sollen. Denn die Amerikaner stellten fest, dass Deutschland zwar hervorragende Akademiker und Techniker, „aber leider nicht im gleichen Maße selbstbewusste Staatsbürger herangebildet hat“. Ein Bücherei-Bus des „Amerika-Hauses“ in Nürnberg fuhr regelmäßig durch die Dörfer des Landkreises Rothenburg, um Lesestoff guter und freier Literatur anzubieten, der in Deutschland noch fehlte.
Amerikaner suchten stets nach versteckten Waffen
Besonders wurde der Sicherheitszustand von den Amerikanern ständig beobachtet – auch im Kreis Rothenburg. Sie unterbanden alle Versuche zur Bildung von militärischen oder halbmilitärischen Organisationen oder zur Waffenherstellung. Mehrmals wurden von Amerikanern, manchmal auch mit deutscher Polizei-Unterstützung, anfangs Razzien bei Jägern oder auch bei der Schützengilde durchgeführt. Verdächtige Treffen hinter der Dreschhalle an der Schweinsdorfer Straße, wo ein sichtgeschützer Platz offensichtlich für verbotenes Luftgewehrschießen genutzt wurde, wurden umstellt und ausgehoben. Die Rothenburger „Schützengilde“ wurde kontrolliert, die auch so genannte Spatzenflinten abgeben mussten. Auch beobachteten die Amerikaner weiterhin etwaige altnazistische Tendenzen.
US-Kreisverwaltung fungierte auch als Vermittler
Verstöße und ungebührliches Benehmen von Seiten des Besatzungspersonals konnten den entsprechenden Dienststellen gemeldet werden. Waren sie berechtigt, folgte disziplinarische Ahndung durch die Kreisverwaltung. Auch der Verkehr zwischen dem Besatzungspersonal und der deutschen Bevölkerung wurde durch die Kreisverwaltung geregelt, die auch bei besonderem Notstand für die Unterstützung der örtlichen Polizei durch taktische Einheiten der Besatzungstruppen Sorge trug. Wenn sich zum Beispiel Rothenburger Behörden bei einem bestimmten Truppenkommandeur beschweren wollte, führte die US-Kreisverwaltung eine Aussprache herbei und fungierte als Schiedsrichter.
Die Kreisverwaltung hatte auch innerhalb von 24 Stunden nach der Verhaftung von Personen, für deren Aburteilung ein amerikanisches Bezirksgericht zuständig war, ein erstes Überprüfungsverfahren einzuleiten. Selbstverständlich wurden auch alle Durchsuchungs- und Haftbefehle in solchen Fällen von der örtlichen US-Kreisverwaltung ausgestellt.
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Quelle: „Fränkischer Anzeiger“ vom 17. Dezember 1949. – Mündliche Auskünfte von Rothenburgern.