Von Wolf Stegemann
Vor, während und nachdem Hitler Reichskanzler wurde und die NSDAP den Staat übernommen hatte, blühte der nationalsozialistische Kitsch auf, eine Gebrauchs- und Scheinkunst. Schmuck, Kästchen, Fingerhüte, Eierbecher, Kleiderknöpfe, Weihnachtskugeln, Weinflaschen, Schuhanzieher, Teller und Besteck sowie alles Mögliche wurde mit Hakenkreuzen, Führerbildern und der vielfältiger NS-Symbolik verziert, ausgestellt und verkauft. Die Rothenburger Wäschefabrik Soldner ließ beispielsweise mit dem Hakenkreuz ihr Firmen-Emblem schmücken.
Schlagartiger Boom des nationalen Kitsches
Solcher Kitsch hat in Deutschland Tradition. Denn schon im wilhelminischen Kaiserreich spiegelte sich während des Ersten Weltkriegs der Patriotismus in allen Formen der Gebrauchskunst übertriebenen wider. Mit dem Kriegsende verlor der patriotische Kitsch an Bedeutung, überlebte aber in Form von verlogen-sentimentalen, pathetischen Kriegsdarstellungen in Literatur wie bildender Kunst. Erst der „nationale Aufbruch“ führte dann Anfang 1933 wieder zu einem schlagartigen Boom des politischen Kitsches. Die Industrie wollte mit massenweise produzierten Artikeln mit nationalen und nationalsozialistischen Symbolen Wohlverhalten gegenüber den neuen Machthabern ausdrücken und gleichzeitig für ihre nationale Gesinnung und einem besseren Verkauf ihrer Erzeugnisse werben. Und die Bürger wollten ihre Unterstützung des Führers und des „neuen Deutschlands“ mit Kitsch demonstrativ zum Ausdruck bringen.
„Würde der Symbole“ durfte nicht mehr verletzt werden
Der NS-Spitze passte dies durchaus nicht mehr, denn nun war man ja wer im Staat, ja der Staat selbst. Die Reichsregierung erließ bereits am 19. Mai 1933 ein „Gesetz zum Schutze der nationalen Symbole“ und veröffentlichte Verbotslisten, um den aufblühenden nationalen Kitsch in Grenzen zu halten. Das Anbringen von nationalen Zeichen zu „Reklamezwecken“ oder zusammen mit „minderwertigem Beiwerk“, das die „Würde dieser Symbole“ verletzen könnte, wurde unter Strafe gestellt; parteiamtliche Symbole und Führerbilder durften nur noch mit Zustimmung der Reichsleitung der NSDAP benutzt werden. Der nationale Kitsch ließ sich damit zwar reduzieren, aber nicht beseitigen, zumal die offizielle nationalsozialistische Kunst teilweise ebenfalls kitschig war und ebenfalls auf Ausschaltung des Intellekts, starke Gefühlsansprache und Massenwirksamkeit zielte.
Hakenkreuzverzierte Schuhlöffel und Eierbecher auf dem Prüfstand
Da der Hakenkreuz-Kitsch trotz Verbots weiter produziert und gekauft wurde, richtete die Regierung von Ober- und Mittelfranken im August 1933 bei der Industrie- und Handelskammer in München Gutachterstellen ein, die nationalsozialistische Symbole auf Gebrauchsgegenständen zu bewerten und geschmacklose Darstellungen zu verbieten hatten. Die Hersteller solcher Gegenstände konnten sich somit vergewissern, ob mit ihren hakenkreuzverzierten Schuhlöffeln, Krawatten oder Eierbechern ein Verstoß gegen das „Gesetz zum Schutz der nationalen Symbole“ in Betracht käme. Zur Begutachtung wurden dann auch ein Vertreter der Industrie- und Handelskammer des Herstellungsortes, ferner der Handwerkskammer und des Kampfbundes für deutsche Kultur zugezogen, bei Bedarf auch künstlerische Sachverständige.
Für den notwendigen Ernst, das Anti-Kitsch-Gesetz einzuhalten, sorgte die Bayerische Politische Polizei. Sie warnte am 11. August 1933 im „Fränkischen Anzeiger“ mit Einschüchterung und Drohungen „gewisse geschäftstüchtige Fabrikanten, die glaubten, kitschige Waren leichter absetzen zu können“, wenn sie „Symbole der nationalen Erhebung“ an Gebrauchsgegenständen anbrächten.
„Ob das Symbol in innerer Beziehung zum Gegenstand steht, wird so wenig in Erwägung gezogen, wie die Frage, ob nicht schon durch diese Minderwertigkeit der Ware die Würde und Erhabenheit der Symbole verletzt wird. Die Bayerische Politische Polizei weist darauf hin, dass Gegenstände, die als nationaler Kitsch anzusehen sind, … der entschädigungslosen Einziehung unterliegen… Die Bayerische Politische Polizei kann nicht dulden, dass die Symbole des Nationalsozialismus auf die Dauer missbraucht werden und warnt daher Firmen und Geschäftsinhaber, Gegenstände, die nationaler Kitsch sind, neu herzustellen oder zum Vertrieb zu übernehmen.“
Allerdings räumte die Polizei aus Rücksicht auf die vielen kleinen Geschäftsleute, die noch Kitsch-Vorräte auf Lager hatten für Bayern eine Schutzfrist bis zum 1. September 1933, also rund 20 Tage, ein. „Nach Ablauf dieser Schutzfrist haben aber Geschäftsinhaber, die dann noch nationalen Kitsch verbreitern, keine Rücksicht mehr zu erwarten.“ Den Rothenburger Andenken- und Touristenläden kam diese Schutzfrist sicherlich zugute.
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Quellen: Fränkischer Anzeiger vom 8. und 11. August 1933 (Stadtarchiv Rothenburg, Zeitungsbände FA)