Im Reichsarbeitsdienstlager 6/282 Rothenburg ob der Tauber „Herzog Friedrich von Rothenburg“ hieß es „Stillgestanden!“ – dann klapperten die Spaten

Rothenburger RAD unter Führung von ..... (MItte) um 1935; alle Fotos Sammlung Babel

Rothenburger RAD-Stab unter Führung von Johann Quinger (MItte) um 1935; alle Fotos: Sammlung Babel

Von Wolf Stegemann

Als 1950 das ehemalige Gebäude des Reichsarbeitsdienstes am Topplerweg als Topplerschule eröffnet wurde, kam der Verfasser dorthin zur Einschulung. Jahre später, als die Schüler hinter dem Schulhof einen Schulgarten mit Rettichen und Radieschen anlegten, buddelte ein Schüler einen Knochen aus. Der war so groß, dass der Kleine ihn mit beiden Händen halten musste. Große Aufregung, denn der Lehrer wusste, dass hier früher der Arbeitsdienst und im Krieg Gefangene und Zwangsarbeiter untergebracht waren. Auch konnte ein Verbrechen nicht ausgeschlossen werden. Also wurde die Polizei informiert, die den Kriminalkommissar Petereins zum Fundort schickte, der wiederum den Totengräber Hirsch vom Friedhof herbeirief, der den Knochen untersuchte und mit Bestimmtheit sagte, das dieser von einem Menschen stamme. Da kam dann auch der Fotograf von der Zeitung und machte ein Bild, das anderntags in der Zeitung zu sehen war: Drei kleine Schüler, darunter der Verfasser und der, der den Knochen hielt, standen vorne in der Mitte, dahinter und daneben der Lehrer, der Rektor, der Kriminalkommissar und der Totengräber mit Lederschürze, die bis zum Boden reichte. Alle schauten in die Kamera, ängstlich die einen, andere, als ob sie jemanden zur Strecke gebracht hätten, alle ernst, nur einer lachte. Große Schlagzeile in der Zeitung, dass ein Menschenknochen gefunden wurde und die Polizei den Fall untersuche müsse, denn, wer weiß, was da noch so alles im Boden verborgen sei. Zwei Tage später kam die Nachricht aus Ansbach: der Knochen stammt von einer Kuh!

Lager-Gebäuder am Topplerweg

Massives Lager-Gebäude am Topplerweg, ein früheres Schülerheim und spätere Volksschule

Reichsarbeitsdienst ist „Ehrendienst am deutschen Volke“

Zurück zum Arbeitsdienst. In Deutschland führte die Regierung Brüning 1931 den „Freiwilligen Arbeitsdienst“ (FAD) ein, der zum Abbau der hohen, durch die Weltwirtschaftskrise bedingten Arbeitslosigkeit dienen sollte durch Kultivierung, Trockenlegung, Landschaftspflege. Die Maßnahme hatte allerdings gesamt gesehen wenig Effekt. Die entstandenen Lager wurden zum Teil als paramilitärische Ausbildungslager für republikfeindliche Kräfte missbraucht, so auch von den Nationalsozialisten. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war zuerst daran gedacht, einen Freiwilligen Arbeitsdienst auf nationalsozialistischer Grundlage zu bilden, doch dann machte Konstantin Hierl den Arbeitsdienst zum Reichsarbeitsdienst (RAD) und 1935 zur Pflicht, die Erziehung war politisch und der Drill militärisch. Hierl wurde somit vom „Reichskommissar für den freiwilligen Arbeitsdienst“ des Arbeitsministeriums zum „Reichsarbeiterführer“ des Innenministeriums. Aus Arbeitsdienstwilligen wurden Arbeitsmänner, die auch im Autobahnbau eingesetzt wurden. Im Handbuch des Arbeitsmannes stand:

„Der Reichsarbeitsdienst ist eine nationalsozialistische Erziehungsschule. Die Forderung des Nationalsozialismus erlebt der Arbeitsmann unmittelbar durch den Dienst.“

Der „Ehrendienst“ schien auch zu beinhalten, dass Rothenburger RAD-Männer führend an der öffentlichen Demütigung des jüdischen Einwohners und Lehrers Leopold Westheimer beteiligt waren, die den Mann barfuß durch die Stadt schleppten, ihm die Fuße blutig traten und der Rothenburger RAD-Mann Edwin Böhm vorneweg ging und die Trommel schlug.

Einkleidung der RAD-Männer im Lager "Herzog Friedrich" um 1935

Einkleidung der RAD-Männer im Lager “Herzog Friedrich” um 1935

160 bis 200 Männer zur Ausbildung am Topplerweg in Rothenburg

Das RAD-Lager in Rothenburg mit der Abteilungsnummer 6/282 und dem Ehrenamen „Herzog Friedrich von Rothenburg“, ein Neffe von Kaiser Barbarrossa, wurde am 15. September 1933 im ehemaligen Schülerheim am Topplerweg eröffnet. Zum Lager mit dem Massivbau und den Baracken gehörte noch ein 1.600 Quadratmeter großer Appellpaltz und ein Sportplatz (15.400 Quadratmeter) mit Übungshalle sowie ein Gemüseland zur Selbstversorgung, das 10.000 Quadratrmeter groß war. Das Lager wurde vom Arbeitsdienst in 1.500 Lohntagewerken nach den Richtlinien des Reichsarbeitsdienstes von ihm selbst zügig aufgebaut. 15,4 ha mussten entwässert werden. Es gehörte organisatorisch zum Arbeitsgau 28 (Franken), den Fritz Schinnerer führte. Rothenburg gehörte zur RAD-Gruppe 282 Mittelfranken-Süd. Im Juni 1939 bekam Rothenburg mit 8/285 eine neue Ordnungszahl. Die weiteren Abteilungen waren 1/282 Lichtenau bei Ansbach „Der eiserne Kanzler“, 2/282 Gunzenhausen „Wolfram von Eschenbach“, 3/282 Treuchtlingen „Der Hesselberg im Frankenland“, 4/282 Weißenburg „Bürgermeister Heinz Topler“, 5/282 Windsheim „Hochmeister Siegfried“ und 7/282 Röttingen „Markgraf Albrecht Achilles“.

RAD-Generalarbeitsführer Fritz Schinnerer besuchte das Rothenburger Lager

RAD-Generalarbeitsführer Fritz Schinnerer besuchte das Rothenburger Lager

Die Mannschaften im RAD-Lager am Topplerweg wechselten alle paar Monate. Die Arbeitsmänner kamen aus dem gesamten Reich zusammen. 1936 besuchte der Generalarbeitsführer Fritz Schinnerer das Rothenburger Lager und begrüßte bei dieser Gelegenheit rund 160 neue Arbeitsmänner, die aus dem Thüringer Wald, dem Rheinland, aus dem Erzgebirge und dem Bayerischen Wald kamen, um hier als „nationalsozialistische Soldaten“ gedrillt zu werden. Sie lernten bei sonntäglichen Ausmärschen das Marschieren, auf dem Hof des Lagers das Stillstehen und Spatenschwingen und in der Turnhalle Leibesübungen. Generalarbeitsführer Schinnerer rief den neuen Arbeitsmännern zu:

„Ihr habt das Glück, in einer besonders schönen Stadt und einem besonders schönen Lager zu sein. Ihr seid dadurch an und für sich vor vielen Eurer Kameraden bevorzugt. Ihr sollt lernen, dass der Spaten, als das Symbol der schweren Handarbeit mit Recht im nationalsozialistischen Deutschlands eine große Verehrung gefunden hat. Es gibt kein schöneres soldatisches Bild für mich, als eine Abteilung im Ehrenkleid des Arbeitsdienstes mit präsentiertem Spaten. Jede Arbeit, jede Tätigkeit, jede Leibesübung und jede Formübung. Jeder Unterricht hat letzten Endes zum Ziel, Euch zu nationalsozialistischen Soldaten der Arbeit zu erziehen.“

Der Spaten das Gewehr des RAD.Mannes

Der Spaten das Gewehr des RAD.Mannes

Als RAD-Kampfgruppen zum Volkssturm

1939 kamen auch die Rothenburger Arbeitsmänner teilweise als Baukompanie zur Wehrmacht, in welcher der Arbeitsdienst für den Bau militärischer Anlagen wie Bunker, Westwall und Ostwall und in den besetzten Gebieten zum Wege- und Brückenbau eingesetzt war. Gegen Ende des Krieges wurden die männlichen RAD-Einheiten zu Kriegshilfsdiensten, Schanzarbeiten und als RAD-Kampfgruppen zum Volkssturm herangezogen. Im Krieg war der weibliche Arbeitsdienst („Arbeitsmaiden“) hilfreich, um in der Heimat auf Bauernhöfen, in kinderreichen Familien auszuhelfen, wenn die Männer an der Front standen. Im Siechhaus war ein solches Arbeitsdienstlager für Arbeitsmaiden eingerichtet (siehe „Als Arbeitsmaid des Reichsarbeitsdienstes 1944 im Lager Siechhaus“). Innerhalb des nationalsozialistischen Systems erfüllte der Reichsarbeitsdienst mehrere Aufgaben. Den offiziellen Zweck gab § 1 des Gesetzes über den Reichsarbeitsdienst wieder:

„Der Reichsarbeitsdienst ist Ehrendienst am deutschen Volke. Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volke im Reichsarbeitsdienst zu dienen. Der Reichsarbeitsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen. Der Reichsarbeitsdienst ist zur Durchführung gemeinnütziger Arbeiten bestimmt.“

Noch kämpfen sie gegen Ratten am Topplerweg

Noch kämpfen sie gegen Ratten am Topplerweg

Reichsarbeitsdienst-Einheiten sollten Rothenburg verteidigen

Als Feldmeister im Reicharbeitsdienst hielt sich der Rothenburger Karl Hoffmann gegen Ende des Krieges in seiner Heimatstadt auf. Ihm war verwaltungstechnisch die RAD-Abteilungen 3/283 uns 8/112 unterstellt. Diese hatten im März 1945 den Befehl erhalten, die Stadt Rothenburg zu verteidigen. Zusammen mit zwei Einheiten des regulären Volkssturms sollte der RAD-Volkssturm die Kampflinie vom Schandhof bis Detwang halten. RAD-Oberfeldmeister Meyer war der Bataillons-Kommandeur und hatte den Gefechtsstand in der Stegmühle. Um die Ostflanke der Stadt zu verteidigen, sollten vier weitere Einheiten des Volkssturms aufgestellt werden, die dem damaligen Bürgermeister Ehrhard, der den an der Front in Frankreich eingezogenen Ersten Bürgermeister Dr. Friedrich Schmidt vertrat. Karl Hoffmann schrieb seine Erinnerungen 1952 auf:

„Meyer hatte nicht die Absicht, mit den blutjungen Arbeitsdienstmännern oder den mangelhaft ausgerüsteten Männern vom Volkssturm zum Kampf anzutreten“, erinnerte sich 1952 Karl Hoffmann. Nach dem schweren Luftangriff auf den Bahnhof in Ansbach hatte er bereits vorher eine Verlegung der Einheiten aus Rothenburg bei der vorge4setzten Dienststelle beantragt, da eine Unterbringung in der Rothenburger Unterkunft am Topplerweg nicht mehr verantwortet werden konnte. Da keine Zeit mehr zu verlieren war, gab mir Meyer freie Hand, um seinen Absichten entsprechend zu handeln.
Unter dem Vorwand, einen ,Führerbefehl’ zu besitzen, errichtete ich im Oberen Felsenkeller einen eigenen ,Gefechtsstand’. Von hier aus ließ ich alle im Raum Rothenburg o/T. liegende Munition, Waffen und Feldausrüstung in den Raum Leutershausen schaffen. Durch Verpflichtung aller erreichbaren Fahrzeuge und Fuhrwerke, insbesondere aus Gebsattel und Kirnberg, wurde diese Maßnahme durchgeführt. Das Abrücken der RAD-Einheiten war auf den 31. März 1945 um 18 Uhr festgesetzt. Nach dem erfolgten Luftangriff auf die Stadt veranlasste Meyer, dass das Abrücken um 24 Stunden verschoben wurde, damit die Männer zur Hilfeleistung noch eingesetzt werden konnten. In der Mitternacht vom Ostersonntag auf Montag zogen die Einheiten dann in Richtung Treuchtlingen ab. Der Volkssturm wurde sich selbst überlassen.
Die Arbeitsmänner wurden von mir am 4. Mai 1945 auf dem Erler Berg in Tirol in ihre Heimat entlassen. Die Dienstgrade teilten vorher das Schicksal der meisten RAD-Führer. Sie wurden nach Jüterbog kommandiert, dort zu eigenen RAD-Führer-Divisionen zusammengestellt und im Kampf um Berlin noch eingesetzt. Unser Bataillons-Kommandeur  Meyer geriet dort noch am 7. Mai in russische Kriegsgefangenschaft.“

Arbeitsmänner im Arbeitsdienst, um 1935

Arbeitsmänner im Arbeitsdienst, um 1935

Rothenburger ARD-Führer und Ränge

Johann Quinger trat 1933 in den NS-Arbeitsdienst ein, wurde im Januar 1933 zum Oberfeldmeister in Rothenburg befördert, 1935 zum Oberstfeldmeister, wurde 1937 nach Aschaffenburg versetzt und 1942 als Leiter nach Frankfurt am Main.
Jakob Zimlich kam 1937 als Abteilungsführer und Oberfeldmeister nach Rothenburg und übernahm 1941 die Arbeitsgauleitung Köln.
Helmut Gutting kam 1941 als Abteilungsführer nach Rothenburg und wurde 1944 nach Denghofen (RAD-Abteilung 8/291 versetzt.
Karl Huthöfer kam 1944 etatmäßig von Gunzenhausen als Abteilungsführer und Oberstfeldmeister nach Rothenburg. Ob er wirklich kam, ist nicht bekannt. Möglicherweise wurde ein anderer Führer dazu kommandiert. Kommandierungen wurden aber während des Krieges nicht mehr veröffentlicht.

Ränge beim Reichsarbeitsdienst: Der Reichsarbeitsdienst war wie alle nationalsozialistischen Organisationen streng hierarchisch gegliedert und folgte dem Führerprinzip. Rangmäßig unterschied sich der Untertruppführer vom Hauptvormann lediglich durch seine zehnjährige Verpflichtung als Führer beim RAD. Während der Hauptvormann nach seiner sechsmonatigen Dienstzeit entlassen wurde, blieb der Untertruppführer vorerst als Ausbilder im Lager. Die Ränge der Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes waren absteigend:
Männer: Reichsarbeitsführer, Obergeneralarbeitsführer, Generalarbeitsführer,  Oberstarbeitsführer, Oberarbeitsführer, Arbeitsführer, Oberstfeldmeister, Oberfeldmeister, Feldmeister, Unterfeldmeister, Obertruppführer, Truppführer, Untertruppführer/Hauptvormann, Obervormann, Vormann, Arbeitsmann
Frauen: Stabshauptführerin, Stabsoberführerin, Stabsführerin, Maidenhauptführerin, Maidenoberführerin, Maidenführerin, Maidenunterführerin, Jungführerin, Kameradschaftsälteste, Arbeitsmaid.

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Quellen: Fränkischer Anzeiger vom 16. April 1936. – Informationen von Oskar Schönweitz, Historiker. – Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber: Franz Schinnerer, Arbeitsdienstabteilung „Herzog Friedrich von Rothenburg“, Aufsatz, 1935. – Erinnerungen Karl Hoffmann 1952 (privat).

 

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