Entnazifizierung (7): SS-Mann Georg Unger war in Nürnberg bei der Zerstörung der Zeitungsdruckerei „Fränkische Tagespost“ dabei und war ab 1941 in der Ukraine

Von Wolf Stegemann

Mit dem damals 38-jährigen Landwirt Georg Unger aus der Siechhausstraße 12 musste sich vor der Spruchkammer Rothenburg ein Mann verantworten, dem neben anderen Vorkommnissen nicht nur eine frühzeitige Mitgliedschaft in der Partei sondern auch in der Algemeinen SS und der Waffen-SS sowie die Beteiligung an der Zerstörung der Nürnberger Druckerei der „Fränkischen Tagespost“ 1933 vorgeworfen wurde. Als Ergebnis der Entnazifizierung kam dann am 15. Januar 1948 eine Einstufung in die Gruppe III als „Minderbelasteter“ heraus mit der positiven Anordnung einer zweijährigen Bewährung, in der er weder wählen noch gewählt werden durfte, keiner Partei oder Organisation angehören, keine Firma besitzen noch leiten durfte. Als Sühne wurde ihm die Zahlung von 1.000 Reichsmark auferlegt. Sollte er die Summe nicht zahlen können, durfte er sie für das Allgemeinwohl abarbeiten – für 10 Reichsmark am Tag. Würde er die Bewährungszeit gut überstanden haben, was nicht bekannt aber anzunehmen ist, wäre seine Einstufung gemildert worden.

Aus Ungers Entnazifizierungsakte (Ausriss)

Aus Ungers Entnazifizierungsakte (Ausriss)

Oberscharführer bei der Waffen-SS

In die Partei und in die Allgemeine SS trat der 1910 in Rothenburg geborene Georg Unger schon 1931 ein, wurde in der SS Scharführer und blieb in Partei und SS bis zum Ende. Von 1939 bis 1945 gehörte er auch der Waffen-SS. Die Partei zeichnete ihn mit der Dienstauszeichnung für zehnjährige Mitgliedschaft aus. Im Krieg wurde Unger verwundet und trat deshalb mit dem Dienstgrad eines Oberscharführers in den Dienst des SS-Rasse- und Siedlungshauptamtes als Fachunterführer zur Kolchosenbetreuung in der Ukraine ein.

„Eifriger SS-Mann und überzeugter Nationalist“

Seinen frühen Eintritt in die Partei und SS machte Georg Unger mit seiner jugendlichen Unerfahrenheit und der „Wirkung der in der SS gepflegten Kameradschaft geltend. Die Ermittlungen der Spruchkammer ergaben, dass er als eifriger SS-Mann und überzeugter Nationalsozialist bekannt war, dass er sich aber an den „obligatorischen Ausschreitungen der SS nie irgendwie beteiligt hatte, weder vor noch nach 1933, auch bei der Judenverfolgung 1938 nicht“.

  • Diese Einschätzung der Spruchkammer ist heute schwer nachzuvollziehen. Ein SS-Mann, der sich an den „Aufgaben“ der SS nicht beteiligt hatte, für die er vereidigt wurde, wäre, wie Anordnungen, Erlasse und Beispiele zeigen, aus der Ordensgemeinschaft SS ausgestoßen worden. Zudem steht seine angebliche Unbeteiligtheit im Widerspruch zur wörtlichen Wertung der Kammer, dass Unger ein „eifriger SS-Mann“ war.

Entlastend führte die Spruchkammer weiter an, dass der Betroffene weder für die Partei noch für die SS werbend aufgetreten sei, man sich mit ihm über Missstände in Partei und SS unterhalten konnte, ohne zu befürchten, denunziert zu werden. Selbst seine Beteiligung an der Zerstörung der Nürnberger Zeitungsdruckerei 1933 wird als „vermutlich“ gewertet, obwohl belegt ist, dass die Rothenburger SS zu dieser Untat nach Nürnberg befohlen wurde. Georg Unger gab an, dass die SS nicht wusste, wozu sie von Nürnberg aus dorthin gerufen wurden. Die Rothenburger SS war lediglich zu großräumigen Absperrzwecken eingesetzt gewesen. Die Spruchkammer werte auch für Unger und seine SS positiv, dass dieser Zerstörungsaktion „von der SA-Standarte 14 Nürnberg durchgeführt“ wurde und nicht von der SS.

Den ukrainischen Bauern gegenüber loyal und hilfsbereit?

Positiv angerechnet wurde ihm auch, als er sagte, dass er 1939 nicht freiwillig zur Waffen-SS gegangen sei, sondern eingezogen wurde. Auch seine Tätigkeit als SS-Sonderführer in der Ukraine beruhe nicht auf Freiwilligkeit. Dazu die Rothenburger Spruchkammer: „Dem Betroffenen muss zugestanden werden, dass er, genau wie zu Hause, seinen anständigen Charakter beibehalten hat, er war gegen die ukrainische Bevölkerung loyal und hilfsbereit und dadurch sehr beliebt.“ – Bleibt zu fragen, woher die Spruchkammer im Januar 1948 Belege für solche Aussagen bekommen konnte? Darüber steht in den Unterlagen der Spruchkammer nichts. Befremdend wirkt auch die Bewertung der Spruchkammer, dass der Einsatz der SS in der Ukraine die Gewaltherrschaft nicht befördert habe und der Einsatz der SS in den Kolchosen der Ukraine auf rein landwirtschaftlicher und helfender Grundlage erfolgt sei.

„Minderbelastete“ mit Bewährung

Formal durfte die Spruchkammer Georg Unger nicht als „Mitläufer“ bewerten, weil er „der SS lange Jahre die Treue gehalten“ hatte und durch die Mitgliedschaften  in der Allgemeinen SS und Waffen-SS er zu einem Personenkreis gehörte, der einer „verbrecherischen Organisationen“ angehörte. Daher wurde er als „Minderbelastete“ mit Bewährung dennoch milde beurteilt.

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Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammer Rothenburg

 

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