Von Wolf Stegemann
Dienststellenleiter der Rothenburger Polizei war nach 1945 Hans Hörber, ein altgedienter Polizist, der bereits 1918 in den Polizeidienst eintrat. Sein Spezialgebiet war die Überwachung, nicht die der Bewohner oder des Verkehrs, sondern der Preise. 1933 blieb er dabei, verrichtete seinen Dienst wie zuvor, gewissenhaft, treu, unparteiisch und ohne Nazimethoden. Dies schrieb Hans Hörber 1946 an die Spruchkammer Rothenburg, vor der er sich zu verantworten hatte. Zu diesem Zeitpunkt war er außer Dienst, denn er wurde am 20. September 1945 vom Bürgermeister Hörner auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung in Rothenburg entlassen. Am 11. September 19467 stellte ihn der Bürgermeister wieder ein, weil ihm „die antinationalsozialistische Haltung“ Hörbers bekannt war.
Durch Erlass erzwungene Mitgliedschaft in der NSDAP
Hans Hörber, am 6. November 1888 in Rothenburg geboren, und hier immer wohnend, zuletzt im Erbsengässchen 13, trat 1937 in die NSDAP ein, der er bis 1945 angehörte, war von 1936 bis 1939 förderndes Mitglied der SS sowie in vier weiteren Gliederungen der Partei. Der Partei und dem SS-Förderverband trat Hörber nicht freiwillig bei. Der Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, hatte in einem Erlass den Beitritt von Polizisten angeordnet. Im Reichsbund der Beamten war er im Kameradschaftsbund der Polizei der Ortsgruppenkassenwart und machte bei der SA das Sportabzeichen. In seinen Frageborgen, Grundlage der Entnazifizierung, schrieb er am 1. Mai 1946:
„Ich wurde wiederholt als Judenknecht genannt, weil ich im Judentanzhaus wohnte, meine 40 Jahre alte Schwester bei dem Juden Theodor Mann in Stellung war, ich am 6. August 1933 den Juden Westheimer von der Straße entfernte und ich mit Oberkommissar Settler 1933 die Synagoge überwachte, als der Reichsarbeitdienst den jüdischen Gottesdienst stören wollte.“
Mit „den Juden von der Straße entfernte“ meinte er das antisemitische Ereignis, als Rothenburger den jüdischen Lehrer Leopold Westheimer barfuß durch die Straßen führten, ihm die Fuße blutig traten und ihm ein Schild um den Hals hängten, dass er ein Rassenschänder sei, was natürlich nicht stimmte. Das beobachtete der Hotelier Georg Pirner (siehe unten)
Nur nominell am Nationalsozialismus teilgenommen
Die Spruchkammer kam zu dem Ergebnis, dass Hörber „niemals ein überzeugter Nationalsozialist“ war und stufte ihn als „Mitläufer“ in Gruppe IV ein. Als Sühneleistung hatte er 600 Reichsmark zu zahlen: „Als Polizeibeamter war sein Verhalten nicht nur streng neutral, er hat vielmehr versucht, Maßnahmen gegen politisch Andersdenkende abzuschwächen und hat sich jederzeit als Mensch erwiesen. Er hat nur nominell am Nationalsozialismus teilgenommen. Rechtskraft erlangte dies Urteil am 28. Oktober 1946 (Az. 738/Ro/H).
Erfolgreiche Wiederaufnahme des Verfahrens
Doch Hans Hörber wollte sich damit dann doch nicht zufrieden geben. Am 4. August 1947 beantragte er mit 17 entlastenden Aussagen die Wiederaufnahme des Verfahrens. Damit hatte er Erfolg. Das Urteil wurde aufgehoben und Hans Hörber als „entlastet“ in die Gruppe V eingestuft. So steht in der Begründung der Spruchkammer Rothenburg vom 10. Oktober 1947 (Az.738/Ro/H):
„Der Betroffene hat mit seinem neuen Entlastungsmaterial beiwesen, dass er nach dem Maß seiner Kräfte Widerstand geleistet und Nachteile erlitten hat. … Besonders sein Einsatz für notgelandete ehemalige Feindflieger gegen die Anordnung des Kreisleiters ist besonders zu bemerken. Der Kreisleiter hat sich auch dementsprechend gegenüber den Betroffenen ausgelassen und ihm weitere Maßnahmen angedroht, die aber infolge des Zusammenbruchs nicht durchgeführt werden konnten. Der Betroffene hat sich nicht als Werkzeug benützen lassen und solchen Anforderungen schärfsten Widerstand entgegen gesetzt…“
Drei von 17 Entlastungsschreiben
Neben anderen hat für seine Rehabilitierung das Schreiben Joseph Wimpfheimers aus New York City vom 21. April 1947, früherer jüdischer Einwohner Rothenburgs. Der Emigrant schrieb:
„Seit vielen Jahren kenne ich Herrn Hans Hoerber persönlich. Ich kenne ihn als anständigen ehrlichen Menschen, der die jüdische Bevölkerung in seiner Eigenschaft als Polizeioffizier stets so gut er konnte vor den Nazi-Rohlingen schützte. Wegen dieser Tatsache und wegen dieser Einstellung nannten ihn die Nazis ,Judenknecht’. 1938 wurde er zum Eintritt in die NSDAP gezwungen, um seine Familie gegen die Verfolgung der Nazis zu schützen, und um seine Stellung zu erhalten. Ich würde diese Aussage nicht machen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Herr Hoerber ein Mann von zuverlässigem Charakter und democratischer Einstellung wäre.“ – Unterschrieben und geschworen vor Jacob Levine von Staat New York.
Johannes Oertel, Adam-Hörber-Straße 30, Bildhauer, Parteimitglied seit 1931, Blockleiter von 1933 bis 1935. entlastete Hans Hörber ebenfalls mit einer Erklärung (ohne Datum), mit der er sich auch selbst ins gute Licht stellte:
„Eines Nachts, vermutlich Ende Oktober 1938 hörte ich in der Nachbarschaft Tumult und laute Drohungen wie ,Hängt den Juden auf!’. Es handelte sich um die Ausschreitungen gegen die jüdische Familie Mann, Adam-Hörber-Straße, um Tätlichkeiten zu verhüten, rief ich sofort die Polizei telefonisch von meiner Wohnung aus an. Ich kann bezeugen, dass der damalige Polizeimeister Herr Hans Hörber sofortige Entsendung polizeilicher Kräfte zusagte und rechtzeitig entsandte und damit meines Erachtens schlimmere Ausschreitungen verhüten konnte. Außerdem ist es ihm hoch anzurechnen, dass er einesteils meinen Namen bei der Kreisleitung nicht verriet, weil ich mich ja gegen die Pogrome gestellt hatte, und er auf der anderen Seite die volle Verantwortung für sein Einschreiten gegen die SA gegenüber der Partei übernahm…“
Sofortige Befreiung Westheimers gefordert
Georg Pirner, Besitzer des Hotels „Eisenhut“, in dem über Jahre hinweg die NS-Prominenz abstieg, schrieb am 21. Juli 1947:
„In der Zeit er Bedrängung jüdischer Mitbürger durch nationalsozialistische Rohlinge wurde eines Tages der jüdische Kaufmann Leopold Westheimer aus Rothenburg von Nazis zum allgemeinen Gejohle und Lärm barfuß durch die Stadt geführt, voran ein Trommelschläger. Der Aufzug nahm seinen Anfang am Burgkaffee und ich sah ihn von meinem Hotel Eisenhut aus, als er sich durch die Herrngasse zum Marktplatz bewegte. Unverzüglich begab ich mich auf die Polizeiwache im Rathaus, wo ich den Vorfall meldete und die sofortige Befreiung des Westheimer forderte. Anwesend war auf der Polizeiwache der damalige Polizeihauptwachtmeister Hans Hörber. Er war über das schamlose Vorgehen der Nazis sehr aufgebracht und begab sich sofort an Ort und Stelle, wo er Westheimer von den ihn bedrängenden Rohlingen trotz deren lebhaften Protestes befreite und dem Unfug so ein rasches Ende machte. Durch das sofortige Einschreiten des Polizeihauptwachtmeisters Hörber hat sich der Aufzug nicht durch mehr als eine Straße (die Herrngasse) bewegen können. Ich erkläre das eidesstattlich aus persönlicher Kenntnis des Vorfalls.“
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