Mit der berüchtigten „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“ (Kräftebedarfsverordnung) vom 23. Juni 1938 schuf sich der NS-Staat die Möglichkeit, Arbeiter und Angestellte unter zunächst befristeter Lösung ihrer Arbeitsverhältnisse zur Mitarbeit an Aufgaben von „besonderer staatspolitischer Bedeutung“ heranzuziehen. Damit war anfangs der Ausbau des „Westwalls“, der „Hermann-Göring-Werke und des Volkswagenwerks gemeint. Dafür wurden etwa 400.000 Männer rekrutiert. Anfang 1939 wurde im Hinblick auf den geplanten Krieg die zeitliche Begrenzung aufgehoben. In den Jahren 1938 bis 1940 wurden insgesamt 1,75 Mio. Menschen dienstverpflichtet, allein in den ersten beiden Kriegswochen erhielten 500.000 den sogenannten „wirtschaftlichen Gestellungsbefehl“. Dies kam in der Bevölkerung nicht gut an. Der Staat wehrte sich gegen den Unmut seiner Bevölkerung mit Anklagen vor den Sondergerichten. Auch etliche Rothenburger waren davon betroffen (siehe Artikelreihe „Sondergericht“ in dieser Dokumentation). Der Sicherheitsdienst der SS meldete unter „streng geheim“:
„Die Aufnahme dieser Verordnung war anfänglich nicht gut. Es wurde ganz offen in der Bevölkerung von der Einführung der Zwangsarbeit im Dritten Reich gesprochen.“
Die Verweigerung der Dienstpflichtleistung, galt nicht nur als Verletzung des neuen Arbeitsvertrags, sondern auch als strafrechtlicher Tatbestand (staatsabträgliches Verhalten, Verstoß gegen das Heimtückegesetz).
Dienstverpflichtung in der Landwirtschaft zum ortsüblichen Lohn
Eine besondere Konstruktion hatte die Dienstverpflichtung für die Landwirtschaft. Nicht oder nicht voll beschäftigte Landbewohner waren dieser speziellen Kräftebedarfsverordnung des Vierjahresplans Görings unterworfen. Daher konnten diese von den Arbeitsämtern „auf begrenzte Zeit verpflichtet werden, sich dem für ihren Wohnsitz zuständigen Ortsbauernführer zum Einsatz in landwirtschaftlicher Arbeit gegen ortsüblichen Lohn zur Verfügung zu halten“. Durch die Übertragung hoheitlicher Funktionen an lokale NS-Repräsentanten sollte sichergestellt werden, dass es „nicht um privatwirtschaftliche Interessen einzelner Bauern oder Landwirte, sondern um die Volksgemeinschaft“ und darum ginge, „dass das deutsche Volk auch im weiteren Kriegsverlauf satt zu essen hat“. Grundsätzlich wurde Freiwilligkeit der Arbeitsleistung angestrebt. Arbeitsverweigerung wurde mit Dienstverpflichtung nach der Kräftebedarfsverordnung, Zwangsgeld, Strafanzeige, Entzug von Lebensmitteldeputaten und „Einschreiten der Geheimen Staatspolizei“ geahndet.
Ab 1943 wurden auch Frauen dienstverpflichtet
Hitler sträubte sich lange Zeit gegen eine grundsätzliche Dienstverpflichtung von arbeitsfähigen Frauen. Das widerstrebte seinem nationalsozialistischen Frauenbild. Doch die Kriegswirtschaft benötigte Arbeitskräfte. So erließ er im Januar 1943 den Befehl zur umfassenden Mobilisierung weiblicher Arbeitskräfte im Alter zwischen 17 und 45 Jahren. Bis Juni 1943 kamen 3,6 Mio. Meldungen zusammen, die meisten von Frauen. Insgesamt konnten 1,4 Mio. Arbeitskräfte neu eingesetzt werden, zu einem nicht geringen Teil jedoch nur halbtags. Bis zum November kam es zu einem beträchtlichen Schwund unter den neuen Arbeitskräften: 500.000 hatten sich mit ärztlichen Attesten wieder aus dem Arbeitsleben verabschiedet. Die unpopuläre Aktion war insgesamt ein Fehlschlag. Im Sommer 1944 wurde die Meldepflichtverordnung zur innerdeutschen Arbeitskräftemobilisierung nochmals in mehreren Etappen ausgeweitet, allerdings ohne größeren Erfolg.
Im ausgeprägt landwirtschaftlichen Bezirk Rothenburg standen viele auf den Bauernhöfen in der Dienstpflicht beim Flughafen Illesheim sowie in der „Lufthauptmunitionsanstalt Oberdachstetten“, kurz Muna genannt. Das Arbeitsamt Ansbach, Dienststelle Rothenburg (Kapellenplatz), ordnete die Dienstverpflichtungen an, die von der Partei bzw. im landwirtschaftlichen Bereich vom Kreisbauernführer überwacht wurden.
Rothenburger in Bussen täglich nach Oberdachstetten gefahren
Täglich fuhren Busse mit dienstverpflichteten Männern und Frauen nach Oberdachstetten, die in der „Lufthauptmunitionsanstalt 1/XIII Oberdachstetten“ Flakgranaten herzustellen, zu lagern und auszuliefern hatten. Sie war die größte Luftwaffen-Munitionsfabrik in
Süddeutschland. Zeitweise arbeiteten hier bis zu 3.000 Menschen, u. a. zivile Arbeiter, Soldaten, Zwangsverpflichtete (Schülerinnen) und Fremdarbeiter. Bei voller Produktion verließ täglich ein kompletter Güterzug mit Munition die Muna. Vor allem die Munition für die berühmte 8,8 cm Flak wurde hier produziert, aber auch viele andere Munitionssorten. Es gab mehrere Kantinen, eine eigene Schule und ein Kindergarten für die Kinder der hier beschäftigten Menschen. Militärisch war vor allem der Standort nahe dem Flughafen Illesheim interessant. In Illesheim war seit 1936 die Luftwaffe stationiert, nach 1945 die Amerikaner mit wechselnden Einheiten, darunter Infanterie und Panzertruppen.
Lufthauptmunitionsanstalt von 1936 bis 1945 Granaten produziert
Mit dem Bau der Muna Oberdachstetten wurde bereits 1936 begonnen. Schon Ende des Jahres konnte mit 400 Arbeitern mit der Produktion von 8,8 cm Flak-Granaten begonnen werden. Insgesamt existierten zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich und den angrenzenden, während des Zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten rund 370 Munitionsanstalten. Sie waren vor allem aus Sicherheitsgründen und mit Rücksicht auf mögliche feindliche Luftangriffe zumeist in ländlichen Regionen und hier insbesondere in Waldgebieten errichtet worden. Munitionsanstalten gliederten sich stets in mehrere, aus Sicherheitsgründen räumlich (zumeist durch Waldstreifen) getrennte Funktionsbereiche. Dies waren das Wohn-, das Verwaltungs-, und das Fertigungsgebiet (Arbeitsbereich) sowie das Munitionslager. Letzteres machte flächenmäßig den größten Teil einer Munitionsanstalt aus. Das Wohn- und Verwaltungsgebiet befand sich aus Sicherheitsgründen immer in einigem Abstand von den Munitionslager- und Arbeitsbereichen und umfasste eigene Arbeitersiedlungen mit einer Standortverwaltung. Während des Zweiten Weltkrieges mussten in allen Munitionsanstalten der deutschen Wehrmacht neben den Dienstverpflichteten und Zwangsarbeitern auch KZ-Häftlinge arbeiten, für die eigene Arbeiterlager angelegt wurden.
Nach dem Krieg US-Soldaten und danach die Bundeswehr stationiert
Das Fertigungsprogramm in Oberdachstetten wurde bis April 1945 mit über 3.000 Arbeitskräften auf 8,8 cm-, 10,5 cm-, 12,8 cm-, 3,7 cm- und 2 cm-Geschosse erweitert. US-Soldaten nahmen am 17. April 1945 die Munitionsanstalt kampflos ein und nutzten die Munitionsbunker und Fabrikationshallen für ihre Zwecke. Nach Freigabe 1954 kamen dort Heimatvertriebene unter. Der Zoll richtete eine Zollhundeschule ein. 1959 bis 1962 war die ehemalige Muna Standort des Materialbataillons 210 und eines Pionierbataillons der Bundeswehr. Die ehemaligen Verwaltungsgebäude der Muna hießen ab 1960 „Frankenkaserne“. Oberdachstellen diente wechselnden Einheiten der Bundeswehr als Standort, die diesen im Zuge des „Kalten Kriegs“ zu einem Mobilmachungsstützpunkt ausgebaute. 2006 wurde die Militäreinrichtung aufgegeben. In einem Gebäude hat seit 2002 bis heute der „Verein für militärische Heimatgeschichte Frankenhöhe e.V.“ seinen Sitz, der in einem Museum die Geschichte der Muna darstellt.
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Quellen: Nach Wikipedia (z. T. wörtlich entnommen) „Munitionsanstalt“ (Aufruf Juli 2015). – Homepage „Verein für militärische Heimatgeschichte Frankenhöhe e.V.“, Marktbergel. – Friedemann Bedürftig: „Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg“, Piper 2002. – Humboldt-Universität, Projekt Gemenskaper: Die Ausweitung von Dienstpflichten im Nationalsozialismus.