Von Wolf Stegemann
Es gab in Rothenburg einen langen Propagandafeldzug für die nationalsozialistische Gemeinschaftsschule, der sich in Vorträgen, Kundgebungen und vor allem in Aufrufen im „Fränkischen Anzeiger“ geführt wurde. Er richtete sich gegen die Bekenntnisschule hauptsächlich in den ländlichen Gemeinden des Bezirks. Am 17. Februar 1937 meldete der „Fränkische Anzeiger“, dass sich die Erziehungsberechtigten in Rothenburg mit überwältigender Mehrheit für die Einführung der Gemeinschaftsschule entschieden haben. Bezirksschulrat Mohr (Nürnberg) und Rothenburgs Bürgermeister Dr. Schmidt bejubelten auf dem Marktplatz das Ergebnis. Aus Anlass der Einführung der „deutschen Gemeinschaftsschule“ fanden anderntags in allen Schulen kurze Schulfeiern und Flaggenhissungen statt. Dann versammelten sich alle Schüler und Schülerinnen der Rothenburger Gemeinschaftsschule von der 4. Klasse ab in der Roßmühlenturnhalle, von wo aus sie zur Dankeskundgebung auf dem Marktplatz marschierten. Dort sprachen Unterbannführer Fink, Ortsgruppenleiter Götz, und Kreisleiter Steinacker. Mitte April waren Rothenburgs Volkshauptschulen zur deutschen Gemeinschaftsschule umgestaltet.
Kreisbevölkerung entschied sich im Dezember für die Gemeinschaftsschule
Die Erziehungsberechtigten Eltern im gesamten Kreis durften abstimmen. Diese „einzigartige Abstimmung“ (FA) ordnete die NSDAP-Kreisleitung Rothenburg für den 1. Dezember 1937 an. Sie wurde in 40 Schulgemeinden des Kreises durchgeführt. Wie zu erwarten gewesen war, war das Eltern-Votum in den Landgemeinden für die Gemeinschaftsschule „überwältigend hoch“. Die Lehrer stimmten geschlossen für die nationalsozialistische Gemeinschaftsschule im Kreis Rothenburg. Der „Fränkische Anzeiger“ schrieb dazu:
„Das Ergebnis ist umso höher zu bewerten, als die Gegner der Gemeinschaftsschule vor und während der Abstimmung versuchten, die Erziehungsberechtigten in Gegensatz zu ihrer politischen Einstellung zur Frage der Gemeinschaftsschule zu bringen. … Die Bevölkerung des Kreises Rothenburg hat mit dieser Abstimmung erneut ein überwältigendes Bekenntnis für den nationalsozialistischen Erziehungsgedanken und damit für den Nationalsozialismus überhaupt abgelegt. …, In prachtvoller Geschlossenheit habe die Erziehungsberechtigten den Wert der Gemeinschaftsschule als Erziehungsstätte der deutschen Menschen erkannt und sind damit dem Rufe des Führers gefolgt.“
Kreisleiter Karl Steinacker übermittelte das Ergebnis der Abstimmung sofort nach Bekanntwerden telefonisch an den Gauleiter Julius Streicher und den Gauamtsleiter des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB), Fink, nach Nürnberg. Die Rothenburger, die der Abschaffung der konfessionellen Schulen nicht zugestimmt hatten, beschwichtigte er mit dem NSDAP-Parteiprogramm:
„Die Bindung an Gott und die göttliche Ordnung wird nicht nur anerkannt sondern durchlebt. Die Partei als Trägerin des Staates sichert also jedem Deutschen volle Freiheit in seiner religiösen Betätigung zu. Und dieses Prinzip wird auch in den deutschen Gemeinschaftsschulen durchgehalten.“
Und weiter ist in der Zeitung zu lesen, dass die Gegner der Gemeinschaftsschule, die sich gegen die Entwicklung der Zeit entgegenstellt hätten, eines Tages erkennen müssen, „welch bitteres Unrecht (sie) nicht nur gegen die Volksgemeinschaft und damit gegen sich selbst, sondern auch ihren Kindern gegenüber begangen haben“.
1938 die Beseitigung der Bekenntnisschulen beendet
Aus Publikationen des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) lässt sich schon 1933 eine Präferenz für die „christliche Gemeinschaftsschule“ ablesen, also Aufhebung der Konfessionsschulen. Die NS-Schulbehörden packten das Thema allerdings erst 1935 an, als sie den „Schulkampf“ gegen die Bekenntnisschulen eröffneten. Die Nationalsozialisten übernahmen dabei in ihrer Agitation die klassischen schulorganisatorischen Argumente der Gemeinschaftsschulanhänger der 1920er-Jahre und sahen sich zumindest teilweise in deren Tradition.
Entscheidend neu war der Volksgemeinschaftsgedanke, der zum Hauptantrieb für die Gemeinschaftsschule wurde. Widersprach eine Spaltung des rassisch einheitlichen Volkes durch Konfessionen schon der nationalsozialistischen Weltanschauung, so war eine Schule, die ihren gesamten Unterricht unter die Prämisse dieser Spaltung stellte, völlig unannehmbar. Volk, Nation und Rasse sollten die Leitgedanken der nationalsozialistischen Schule sein, nicht ein christliches Bekenntnis. Diesem Gedanken verlieh der Begriff „Deutsche Gemeinschaftsschule“ Ausdruck.
In München und Nürnberg Kirchen massiv unter Druck gesetzt
Als Beispiel einer 1938 erfolgreich abgeschlossenen Beseitigung der Bekenntnisschulen in ganz Bayern, kann die Landeshauptstadt München angeführt werden. Bei der jährlichen Schuleinschreibung behinderte das Schulamt massiv mit einer Kombination aus groß angelegter Propaganda und Zwang den Bekenntnisschulen die Schüler abzuwerben, um diese dann mangels Masse schließen zu können. Dabei behinderte man die Kirchen durch polizeistaatliche Methoden an der Werbung für die Einschreibung an einer Bekenntnisschule und verquickte demonstrativ Schul- und Parteiinteressen. Die behördlichen Behinderungen umfassten Versammlungsverbote, Beschlagnahmung von Materialien, Überwachung, Schutzhaft u. a. Dies alles brachte bei der Schuleinschreibung in München 1937 für die Gemeinschaftsschule ein Ergebnis von 96 Prozent, in Nürnberg 91 Prozent. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden in beiden Städten alle verbliebenen Bekenntnisschulen geschlossen. Schließlich verkündete das Kultusministerium im Oktober 1938 die vollständige Umwandlung aller Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen.
Siehe auch ander Artikel über Schule/Erziehung:
- Schule im NS-Regime I: Hitlerjugend, Reichsarbeitsdienst, SA oder SS, Wehrmacht – Adolf Hitler: „Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!“
- Schule im NS-Regime III: Eliteschulen zur Indoktrinierung der Jugend für den Krieg: „Nationalpolitische Erziehungsanstalten“ und „Adolf-Hitler-Schulen“
- Pädagogen schlossen sich schon früh der NSDAP an und übernahmen in der Partei Funktionen. Rothenburgs Lehrerschaft war überdurchschnittlich tiefbraun gefärbt
- Erziehung im Nationalsozialismus: Kinder mit antisemitischen Bilderbüchern gegen Juden aufgehetzt. Die Rothenburger Schülerin Gertrud Schubart empfand eine innere Ablehnung
- Wie es dazu kam, dass wir Schulkinder „Juden raus!“ riefen. Eine Schulzeit in schwarzbrauner Jungmädel-Uniform, mit Drill und Liedern
- Arische Idylle – Wie die Zeitschrift „Hilf mit!“ ab 1933 Schüler mit Nazi-Ideologie indoktrinierte. Eine Analyse
- Ludwig-Siebert-Oberschule-Stiftung: Besonders würdige Schüler erhielten eine Studienbeihilfe
- Verordnung: Richtlinien zur Rassenkunde, 1935 – „Aufartung“ für den „Kampf um Lebensraum“ – Vererbungslehre und Rassenkunde im Unterricht
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Sehr geehrter Herr Gußmann, sehr geehrter Herr Stegemann, auf der Suche nach Bildmaterial bin ich auf Ihre Seite “Rothenburg unterm Hakenkreuz” gestoßen. Wir könnten für einen Beitrag im einhorn Jahrbuch 2018 das Propaganda-Plakat “Geht in die Gemeinschaftschule” sehr gut brauchen. Wissen Sie, wo es dieses Plakat als Origianal gibt oder wie wir die Bildrechte dafür bekommen können? Mit freundlichen Grüßen Birgit Markert