Der Sportplatz des „Turnvereins Rothenburg 1861“ an der Ansbacher Straße wurde im Mai 1933 eröffnet. Die Partei, SS und SA waren mit antisemitischen Aussagen dabei

Eröffnung: Einmarsch der Gruppen ins Stadion

Eröffnung: Einmarsch der Gruppen ins Stadion

Von Wolf Stegemann

Ein Jahr lang – ab Ostern 1932 – ertönten in der Nähe der Bahnlinie, die zwischen der Ansbacher und Erlbacher Straße entlang am Friedhof verlief, lautes Gehämmer, Geräusche von Baumaschinen und dazwischen immer wieder die lauten Kommandos: „Zu-gleich! Zu-gleich! Zu-gleich!“ Dann zogen kräftige Männer Bretter, Balken und Holzwände in die Höhe, aus denen die Tribüne des Sportplatzes wurde, den der „Turnverein Rothenburg 1861“ in Eigenregie baute. Als sie stand und alles andere auch fertig war, wurde der Sportplatz am Sonntag, den 28. Mai 1933 eingeweiht. Inzwischen hatten die Nazis das Sagen. Deshalb dominierte bei der Eröffnung des Platzes das übliche nationalsozialistische Hakenkreuz-, Uniform- und Gleichschritt-Gepränge. In dem anfänglich gerufenen Turnergruß „Gut Heil!“ mischten sich immer mehr „Heil Hitler!“-Rufe.

1933 wurde der Wehrsport im Turnverein eingeführt

Das Sportstadion in Bau

Das Sportstadion in Bau

Der Vorsitzende Ernst Geißendörfer schwor seine Turner schon vor der Einweihung des Platzes auf Hitler ein, indem er in einem Artikel im „Fränkischen Anzeiger“ auf die Einrichtung eines „Pflichtturnjahres“ für den „Wehrsport“ hinwies. Dafür wurde eigens ein „Wehrsportzug“ unter Führung des „Turnfreundes Polizeiinspektor A. Krauß“ gegründet. Die Beteiligung aller Mitglieder zwischen 17 und 21 Jahren war bindend.

„Sehr viele der übrigen Teilnehmer waren aber auch gewillt, in den Wehrsportzug einzutreten, um neben ihren SA-, SS- und Stahlhelmkameraden Wehrwillen und Wehrhaftigkeit zu bekunden und Wehrertüchtigung zu den festgesetzten Zeiten zu pflegen.“

Darum appellierte Ernst Geißendörfer eine Woche vor Eröffnung des Sportplatzes an die Rothenburger:

„Tretet ein in die Reihen des Turnvereins 1861, marschiert mit in der großen nationalen Front unter der Führung Adolf Hitlers; treibt Leibesübungen!“

140 Erwerbslose des Freiwilligen Arbeitsdienstes halfen mit

Vereinsführer Ernst Geißendörfer

Vereinsführer Ernst Geißendörfer

In dem Jahr der Bauzeit wurden über 6.000 Kubikmeter Erde bewegt und geebnet, 7.000 Kubikmeter Rasen gestochen, Drainagegräben gezogen und zur dauernden Trockenlegung des Platzes Rohre gelegt. 50 Arbeiter, meist Mitglieder des Vereins, arbeiteten mit Hacke und Schaufel, Pickel und Rollwägen unaufhörlich. Es war die Zeit der großen Arbeitslosigkeit. Daher schickte das Arbeitsamt weitere 140 junge Erwerbslose für zwei Reichsmark pro Tag und Arbeiter auf die Sportplatz-Baustelle. Es war die Zeit des „Freiwilligen Arbeitsdienstes“ (FAD), dessen Idee von den Nationalsozialisten nach 1933 als „Reichsarbeitsdienst“ (RAD) aufgegriffen wurde. Die Erwerbslosen arbeiteten von April bis Dezember 1932 und dann von Februar bis Ende März 1933. Insgesamt waren es 11.836 Arbeitstagesschichten. Am Haupteingang an der Nordseite des Platzes wies ein schlichtes Schild auf den Platz hin: „Turn- und Sportplatz Turnverein 1861 – Deutsche Turnerschaft, Kreis XII, Bayern“.

Auf die Frage, warum der Turnverein Rothenburg gerade in dieser Zeit baute, beantwortete Ernst Geißendörfer im „Fränkischen Anzeiger“ mit dem Satz „Weil wir mussten!“ und begründete dies:

„Die Stadtverwaltung hatte in Anbetracht der hohen Erwerbslosenzahl großes Verständnis für eine rasche Inangriffnahme und nannte das Unternehmen eine soziale Tat… Nachdem unter den Arbeiten des Freiwilligen Arbeitsdienstes auch solche aufgenommen wurden, die der Volksgesundheit und Ertüchtigung dienten, tauchte in den Turnern und Sportlern des großen Vereins der Gedanke an den so notwendigen Platz wieder auf und wurde schließlich auch einstimmig gutgeheißen. Und mit dem unverwüstlichen Idealismus der Mitglieder ging es ans Werk: Anteilscheine wurden gezeichnet, Spenden flossen trotz der trostlosen Wirtschaftslage.“

Plakat des Turnvereins zur Eröffnung

Plakat des Turnvereins zur Eröffnung

Stadion wurde mit modernster Technik ausgestattet

Die Kampfbahn wurde mit „allen modernen sporttechnischen Einrichtungen“ der damaligen Zeit ausgestattet. Das Spielfeld war 70 mal 100 Meter groß; das gesamte Grundstück 114 x 157 Meter. Der gesamte Platz war mit einem zweieinhalb Meter hohen Bretterverschlag eingezäunt. Es gab noch ein Spielfeld für Hand- und Fußball sowie einen 20 x 50 Meter großen Schulsportplatz sowie Sprunggruben für Weit-, Hoch- und Stabhochsprung, rundum eine 400 Meter lange Aschenlaufbahn mit Einfassung, eine Tribüne mit seitlichen Sitzplätzen für etwa 550 Zuschauer und eingebaute Wasch- und Ankleideräume, ein Gerätemagazin sowie ein Besprechungszimmer. Insgesamt kostete der Sportplatz dem Turnverein 38.700 Reichsmark, wovon die Arbeitskosten den größten Teil von 22.000 Reichsmarkt ausmachte.

Ein Sportplatz mit bester technischer Ausstattung

Die Eröffnung des Sportplatzes war ein großes Ereignis, das durch nationalsozialistischen Pomp im Sinne von Sport und Wehrhaftigkeit noch wichtiger gemacht wurde. Im Gleichschritt und mit Hakenkreuzfahnen wurde an jenem Sonntagmorgen zum Gottesdienst in die Kirche marschiert. Mit dabei waren andere Rothenburger Vereine wie der Gesangs- und  Schützenverein, militärische Veteranenvereine, der Stahlhelm, der HJ-Bann und die SS- und SA-Stürme. Danach ging es mit musikalischen Klängen der Stadtkapelle vom Marktplatz durch die Hafen- und Rödergasse zum Sportplatz, wo dann unter den Blicken von Zuschauern, Gästen und Ehrengästen, Vertretern von Reichs- und bayerischen Staatsbehörden sowie der Partei den Einmarsch der Vereine und Parteigliederungen in Uniform und Fahnen schwenkend einmarschierten und Aufstellung nahmen.

Adolf Hitler, oberster deutscher Turnerführer

Einmarsch bei der Eröffnung

Einmarsch bei der Eröffnung

Der Führer und 1. Vorsitzende des Turnvereins 1861, Ernst Geißendörfer, übergab sodann den Turn- und Spielplatz an den Oberturnwart Hans Horn:

„Wir deutschen Turner haben die Aufgabe und die Pflicht, dem Vaterlande dadurch zu dienen, dass wir unseren Volksgenossen, insbesondere aber unserer Jugend durch Pflege vielseitiger Leibesübungen einen gesunden Körper und Geist schaffen und erhalten… In diesem Sinne wollen wir dem Platz die Weihe geben, getreu dem Vorbild des Turnvaters Jahn und getreu den Richtlinien des obersten Turnerführers, des Reichskanzlers Adolf Hitler. Ihm wollen wir geloben, dass dieser Turnplatz für die körperliche und geistige Ertüchtigung der Jugend dienen soll. Er sei die Pflegestätte deutscher Treue, deutschen Mannesmutes und deutschen Volksbewusstseins.“

Ernst Geißendörfer wurde wegen seines Einsatzes für den Sportplatz an diesem Tag Ehrenmitglied des Vereins; ebenfalls Oberbürgermeister Dr. Liebermann, der sich für den Bau des Platzes eingesetzt hatte. Ehrenbriefe erhielten Stadtamtmann Hans Wirsching, Stadtbaumeister Hans Birkel, der Arzt Dr. Holstein, der Gewerbesekretär Konrad Krauß, die Schreinermeister Albert Landgraf, Bernhard Mauckner und Reichsbahnoberinspektor Wilhelm Germer. Die Ehrennadel des Bayerischen Turnerbundes wurde Paul Finkler, John (Johann) Friedle und Fritz Neubert überreicht.

„Es ist der Jude, Meister der Lüge, der sie ganze Welt gegen uns aufhetzt“

Am Eröffnungstag vor der Tribüne

Am Eröffnungstag vor der Tribüne

Oberbürgermeister Dr. Liebermann dankte dem Verein für seine geleistete Arbeit und die Ehrung auch im Namen der anderen Geehrten und versicherte, dass er und alle anderen weiterhin „treu zur deutschen Turnersache stehen werden“. Er stellte heraus, dass „das Schaffenswerk des Sportplatzes wohl alles Frühere in den Schatten stellt“. Nach weiteren Grußworten, darunter das des 1. Vorsitzenden des Fußball-Clubs Rothenburg, Eduard Friedlein, der in der Nähe hinter dem Schlachthof einen eigenen Fußballplatz betrieb, ergriff der Vorsitzende des Turngaues Rothenburg und 1. Bürgermeister von Windsheim, Jäckel, das „markante und zündende“ Schlusswort, wie der „Fränkische Anzeiger“ schrieb. Waren die vorangegangene Reden noch politisch moderat, so war die Ansprache des Turngau-Führers Jäckel unter Heil-Rufen ideologisch und hatte auch antisemitische Aussagen. Er machte aus dem Turnvater Jahn einen der ersten Nationalsozialisten, der die Körper der Turner stählte, ihren Geist zu wahrhaft deutscher und völkischer Gesinnung umformte und den Turner zum Träger des deutschen Wehr- und Freiheitswillens erzog.

Ausriss aus der Chronik des Turnvereins

Ausriss aus der Chronik des Turnvereins

„Heute zieht das Turnen, aus einer kleinen Quelle entsprungen, als freudiger Strom durch Deutschlands Gaue… Zehrt doch heute der Schandvertrag von Versailles am Mark des deutschen Volkes, Millionen deutscher Brüder schmachten unter der Fremdherrschaft. 14 Jahre erblickten deutsche Minister ihre Hauptaufgabe darin, den Ertrag der deutschen Arbeit an den Feind abzuliefern. Heute sind es die deutschen Machtgruppen, die den Untergang Deutschlands bewusst betreiben. Es ist der Jude, Meister der Lüge, der die ganze Welt gegen uns aufhetzt. Da gilt es als deutsche Turner hart und fest zu werden und den Kräften des Untergangs den Lebenswillen der gesamten Nation entgegenzustellen… So wie Jahn 1813 seine Turner in die Freischar Lützows einreihte zum heiligen Kampf, so müssen sich heute die Turner einreihen in die große deutsche Freiheitsbewegung Adolf Hitlers. War im Jahr 1806 Jahn der Erneuerer Deutschlands, so ist heute Adolf Hitler der Retter des Vaterlandes. Am Deutschen Reich mitzubauen ist des deutschen Turners Sein und Wesen heute und alle Tage. Der Turnverein Rothenburg hat durch den Bau seines Turnplatzes bewiesen, dass  er mitbauen kann…
Die nationalsozialistische Bewegung, der sich die Turner freudig angeschlossen haben, ist heute die einzige große Freiheitsbewegung des deutschen Volkes. Am Tage des Frühlingsbeginns, am 21. März, erlebte man nicht nur einen Frühling in der Natur, sondern auch einen Frühling in der Politik und in unserem deutschen Vaterlande. Hitlers Gedanken sind erdacht und gehärtet in den großen Schlachten des Krieges. Es sei daher Aufgabe und Pflicht in dieser Feierstunde auch der zwei Millionen Toten des Krieges zu gedenken, die ihr Leben ließen, auf dass wir leben sollten…“

Über den Rothenburger Marktplatz schallte Wilhelm Tells „Rütlischwur“

Tribüne des Stadions

Tribüne des Stadions

Gedacht wurde auch dem so genannten nationalsozialistischen Märtyrer Leo Schlageter, den französische Besatzungssoldaten erschossen hatten und der, so der Redner, für deutsche Ehre und Freiheit gefallen sei, und „in uns für alle Zeiten als Vorbild für die deutsche Jugend“ weiterlebe. Daraufhin spielte die Stadtkapelle das Lied vom guten Kameraden und das  Deutschlandlied. Was am Vormittag mit einem Gebet in der Kirche St. Jakob begann, endete auf dem Sportplatz mit einem dreifachen Sieg-Heil auf das deutsche Vaterland „und den Führer des Deutschen Reiches zu Freiheit und Ehre, Adolf Hitler“. Mit dem Horst-Wessel-Lied klang die Einweihung des Platzes aus. Die Vereine formierten sich zum Rückzug in die Stadt, wo am Marktplatz der Schlussredner, wiederum Jäckel aus Windsheim, mit dem Rütlischwur aus Schillers „Wilhelm Tell“ und dem Horst-Wessel-Lied sowie einem „dreifachen Sieg-Heil auf den Reichspräsidenten und den Führer des jungen Deutschlands, Adolf Hitler, die Kundgebung schloss“.
Nachmittags spielten Mannschaften aus Rothenburg, Burgbernheim, Ansbach Fußball- und Handballmannschaft auf dem neuen Platz an der Ansbacher Straße. Es wurde mit und ohne Bälle geturnt, Rundstaffel, 100-Meter und 400-Meter gelaufen, weit und hoch gesprungen, gerannt und gehüpft – und das alles, wie die Redner dieses Tages sagten, für die Ehre und Freiheit Deutschlands. Der „Fränkische Anzeiger“ schrieb über diesen Tag abschließend:

„Mit dem Turnverein Rothenburg 1861 kann auch die ganze Stadt mit Stolz auf diesen Tag zurückblicken, der ein Markstein sein und bleiben wird in der Entwicklung der Turngeschichte unserer Stadt.“

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Quelle: Vereinschronik des Turnvereins Rothenburg 1861 mit eingeklebten Zeitungsausschnitten des „Fränkischen Anzeigers“ und Fotos von der Eröffnung (Stadtarchiv Rothenburg).
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3 Kommentare zu Der Sportplatz des „Turnvereins Rothenburg 1861“ an der Ansbacher Straße wurde im Mai 1933 eröffnet. Die Partei, SS und SA waren mit antisemitischen Aussagen dabei

  1. Christina Bauer, geb.Weinberger sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vater, Michel Georg Weinberger, geb. 30.12.1910 in Colberg, aufgewachsen in Ansbach, war früher in den 30er-Jahren einer der Turner beim Deutschen Turnerbund, worauf ich als Kind schon immer sehr, sehr stolz war und bis heute noch bin. Habe auch noch eine Originalurkunde bzw. ein Heft mit eienm Foto meines Vaters, als er noch jung war. Er erzählte mir früher manchmal – als ich noch ein Kind war – vom Ansbacher Turnverrein, in dem er war. Aus Rothenburg ob der Tauber habe auch noch einige Original-Fotos von meinem Vaters aus dieser Zeit, auch zwei Zeitungsausschnitte. Meine Frage: gibt es noch andere, weitere Bilder, Bücher oder Belege aus dieser Zeit über oder vom Deutschen Turnerbund Ansabch? Ich besitze auch ein privates Original-Foto, als mein Vater seinen alten und ehemaligen Turnvater, der damals in Ansbach in einem Altenheim war, besuchte. Ich wear als Kind dabei. Wäre es möglich da etwas käuflich zu erwerben. MfG Frau Bauer
    Anmerkung der Redaktion: Bitte wenden Sie sich mit dieser Frage an das Stadtarchiv Ansbach und lassen Sie sich dort beraten!

  2. christina bauer geb. weinberger sagt:

    Hallo! Mein Vater Michael Georg Weinberger aus Ansbach, gel. 30.12.1910 in Colmberg, war zu dieser Zeit mit dabei. Habe noch einige Originalfotos meines Vaters, auf den ich ein Leben lang immer sehr stolz war. In meinem Besitz ist auch noch das original Dokument des Deutschen Reichs-Turnerbundes Ansbach. Kannte jemand meinen Vater, hat noch jemand Bilder, Zeitungsberichte aus dieser Zeit? Ich würde mich sehr freuen von jemandem darüber zu hören. MfG Frau Bauer Weinbergerle

  3. Christina Bauer geb. Weinberger sagt:

    Hallo. Mein Vater Michael Weinberger, geb. am 30. Dez. 1910 in Colberg, gelebt in Ansbach, war zu dieser Zeit 1933 auch dabei. Beim Deutschen Reichs-Turnerbund in Ansbach. Ich habe noch 2 original Zeitungssausschnitte von der Fränkischen Landeszeitung von früher. Auch noch das Buch meiens Vaters, Heft vom Turnerbund. Gibt es da vielleicht auch noch Fotos von 1933 von dieser Einweihung, die man gegen Bezahlung als Kopie bekommen könnte oder Zeitungsberichte von diesem Turnerfest 1933. mfg Frau Bauer
    Anm. der Redaktion: Bitte wenden Sie sich an das Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber

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