Von Wolf Stegemann
Dies ist der einzige bislang bekannte Fall in Rothenburg ob der Tauber, wo die NS-Behörden unter Zuhilfenahme der Justiz und des Rothenburger Finanzamts einem Einwohner rechtswidrig sein Vermögen entzogen haben, der kein Jude war. Es handelt sich um den 1876 geborenen Rothenburger Johann (anglisiert John) Martin Friedle, der 1895 nach Amerika auswanderte, US-Bürger und in San Francisco wohlhabend wurde, 1929 nach Deutschland zurückkehrte und von den nationalsozialistischen Finanz- und Justizbehörden unter dem Vorwand von hohen Steuerschulden und Devisenvergehen zwischen 1937 und 1941 seines in Deutschland befindlichen Vermögens beraubt wurde. Seine Häuser in Rothenburg ob der Tauber, in der Klingengasse und am Nuschweg, wurden ihm abgepresst, wobei ihm und seiner Frau Irma des Öfteren vom Finanzamt und der Stadtverwaltung erklärt wurde: weil er Amerikaner sei. John M. Friedle starb 1950 in San Francisco.
Fristgerecht hatte er am 27. Dezember 1948 einen Antrag auf Rückerstattung der Häuser gestellt. Zuständig war die Wiedergutmachungsbehörde III für Ober- und Mittelfranken in Fürth in Bayern. In dem folgenden Verfahren traten seine Frau und Töchter als von ihm testamentarisch verfügte Erben auf. Testamentsvollstrecker und Vermögensverwalter war die Bank of America in San Francisco. Die Erben wurden vom Rechtsanwalt und Notar Franz Weber aus Rothenburg vertreten.
Behörden „verscherbelten“ sein Vermögen in Höhe von 500.000 RM
Friedles Erben beanspruchten, wie der Erblasser es 1948 forderte, die Rückerstattung der Häuser Klingengasse 4 und 4a. Die beiden aneinandergebauten Häuser musste John M. Friedle auf Veranlassung des Finanzamtes an die NSDAP verkaufen. Grundbuchmäßiger Eigentümer war daher nach 1945 der Freistaat Bayern, vertreten von Franklin Postler von der Oberfinanzdirektion Nürnberg. Ebenso ging es um das Haus am Nuschweg 9, das Friedle ebenfalls auf Betreiben des Finanzamts an den Sparkassendirektor Georg Küspert und dessen Frau Irmgard weit unter Wert verkaufen musste. Der Rückerstattungsanspruch richtete sich gegen das Ehepaar Küspert. Der Zwangsverkauf des Hauses Nuschweg Nr. 7, Wohnhaus der Familie Friedle, konnte 1941 im letzten Moment durch Hilfe der Familie und durch einen mutigen Amtsrichter abgewendet werden. Siehe Artikel über das Entziehungsverfahren Friedle an anderer Stelle, Links unten). Zudem wollten die Erben die Hypotheken auf verschiedene Grundstücke zurückerhalten, dessen Aufzeichnungen beim Finanzamt „vorhanden sein mussten“ und verschiedene im Eigentum Friedles befundene Schausteller-Geschäfte, die im Auftrage des Generalstaatsanwalts Düsseldorf an die Treuhändergesellschaft Altenburg & Tewes verkauft wurden. Hier richteten sich die Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches, vertreten durch das Bundesfinanzministerium bzw. Bundesjustizministerium. Die Wiedergutmachungsbehörde III in Fürth erkannte an, dass das Eigentum Friedles unter Vorspiegelung falscher Behauptungen vom Finanzamt Rothenburg und den anderen beteiligten Behörden entzogen wurde, weil er als US-Bürger Ausländer war. John M. Friedle verlor sein Vermögen in Höhe von 500.000 Reichsmark. Die Wiedergutmachungsbehörde stellte 1952 fest, dass dieses Vermögen von den Behörden „verschleudert“ worden war. Vollstreckungsmaßnahmen gegen Friedle wurden ohne Urteil eines Gerichts vorgenommen, „weil Friedle Bürger der USA war“.
Keine Wiedergutmachung für die Erben Friedles
In der nichtöffentlichen ersten Sitzung der Wiedergutmachungsbehörde III am 22. Juli 1952 (Az. III a 5640) in Fürth wurde amtlich festgestellt, dass „die in Frage kommenden Unterlagen des Hauptzollamtes und des Generalstaatsanwalts Düsseldorf vernichtet sind“. Dadurch konnte die Antragstellerin und Witwe Irma Friedle den Nachweis der eingezogenen Vermögensgegenstände nicht führen und musste auf diese Rückerstattungsansprüche verzichten. Ebenso nahm die Witwe den Antrag auf Rückerstattung des Anwesens Nuschweg Nr. 9 gegen das Rothenburger Ehepaar Küspert zurück, hielt den Anspruch gegen das Deutsche Reich (in Rechtsnachfolge Bundesrepublik) über das beschlagnahmte Kaufgeld aber aufrecht. Mit anderen Worten: Die Witwe wollte nicht wieder das Haus zurückhaben, sondern das damals an das Finanzamt bezahlte Kaufgeld. Irma Friedle begnügte sich in diesem mit dem Freistaat Bayern geschlossenen Vergleich lediglich um die Rückgabe des Anwesens Klingengasse 4 und 4a in Rothenburg ob der Tauber zu einem Streitwert von 26.000 Deutsche Mark. Widerrufungsrecht dieser Vereinbarung hatten die Parteien bis zum 10. September 1952. Sollte gegen diesen Vergleich eine der Parteien Widerspruch einlegen, dann würde das Verfahren von der Wiedergutmachungsbehörde an die Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Nürnberg-Fürth zur weiteren – nunmehr gerichtlichen – Veranlassung abgegeben werden.
Sparkassendirektor Küspert konnte das Haus Nuschweg 9 behalten
Warum die Witwe Fiedle gegenüber dem Ehepaar Küspert ihren Anspruch auf Rückerstattung des Hauses im März 1952 aufgab, geht aus den Alten nicht hervor. Bekanntlich haben die Küsperts das Haus mit 14.000 RM weit unter dem Wert dem John M. Friedle innerhalb einer Stunde abgepresst (Formulierung aus den Akten). Die Kaufsumme ging voll an das Finanzamt. Daher bestand die Witwe 1952 auf Rückerstattung der Kaufsumme in angepasster Höhe von der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Fall vertreten durch das Finanzministerium, dieses wiederum vertreten von der Oberfinanzdirektion Nürnberg. Der Rothenburger Rechtsanwalt und Notar Weber, der Irma Friedle vertrat, teilte am 25. März 1952 dem „Herrn Direktor Küspert“ lediglich mit, dass seine Mandantin ihren Antrag auf Rückerstattung des Eigentums zurücknehmen wird und einverstanden ist, dass der seit 1948 bestehende Sperrvermerk im Grundbuch gelöscht wird. Damit konnten die Küsperts wieder frei über ihr Haus verfügen und keinerlei weitere Sanktionen befürchten. Am 2. April unterrichtete Rechtsanwalt Weber die Wiedergutmachungsbehörde (III 5640) mit dem Satz:
„Der Rückerstattungsantrag … wird dahin berichtigt, dass der Anspruch gegen die Eheleute Küspert zurückgezogen wird und der Rückerstattungsantrag … nunmehr lautet: die Deutsche Bundesrepublik ist verpflichtet, den durch den Verkauf an die Eheleute Küspert erzielten Mindererlös zu ersetzen.“
Darunter schrieb der zuständige Sachbearbeiter bei der Wiedergutmachungsbehörde u. a.:
„Bevor die Löschung (im Grundbuch) veranlasst wird, wird um Aufklärung ersucht, aus welchem Grund die Bundesrepublik für den Mindererlös haften soll, da bislang nichtangegeben ist, dass einem (unleserlich) des Anwesens Nutzung durch die N.S.D.A.P. oder aber Deutsche Reich erfolgt ist.“
Sparkassendirektor Küspert legte gegen diese Änderung natürlich keinen Widerspruch ein, wie er am 6. April 1952 der Wiedergutmachungsbehörde schrieb. Friedle-Rechtsanwalt Weber antwortete am 22. April der Behörde und gestand einen Fehler ein. Es beträfe nicht den Mindererlös, sondern den Erlös:
„Der Verkauf des Anwesens Nuschweg 9 an die Eheleute Küspert erfolgte im Zuge der Verwertung des gesamten Vermögens des John M. Friedle. Von dem Erlös erhielt Friedle nichts, sondern das Finanzamt zog den Kaufpreis ein.“
Unterlagen bei der Bombardierung 1945 verlorengegangen
Die Wiedergutmachungsbehörde befasste sich am 14. Mai 1952 erneut mit dem Fall, hörte die Antragsteller und Antraggegner an und machte eine Bestandsaufnahme. An dieser hatte sich zu dem hier eingangs Dargestellten nichts Wesentliches geändert. Die Stadt- und Kreissparkasse Rothenburg lieferte noch Angaben zu den über die Bank gelaufene Zahlungen und Hypotheken: 1938 hatte John M. Friedle einen Kredit in Höhe von 20.000 RM gegen dingliche Sicherung seiner Häuser am Nuschweg aufgenommen. Als der Sparkassendirektor Küspert 1940 das Haus Nuschweg 9 kaufte, hatte er auch 7.000 RM Darlehen mit
übernommen, so dass sich die Kreditsumme Friedles bei der Bank auf 13.000 RM reduzierte. Diese wurden beglichen durch Zahlungen am 28. Mai 1943 (5.000 RM) und am 17. Juni 1943 (8.000 RM). Von wem diese Zahlungen erfolgten, konnte nicht mehr festgestellt werden, da die Unterlagen bei der Bombardierung der Stadt in Jahr 1945 verloren gegangen waren. Am 11. Juli 1952 wurde im Rückerstattungsverfahren das Haus am Nuschweg 9 dem Ehepaar Küspert als ein zu verbleibendes Eigentum zugesprochen und alle Sicherungsmaßnahmen, die das Rückerstattungsverfahren vorschrieb, aufgehoben. Damit endete dieses Einzelverfahren der Erben Witwe Friedle und Kinder gegen das Ehepaar Küspert. – Eine Klärung, wie es dazu kam, dass die Witwe Friedle trotz Rechtsbeistand durch den Rothenburger Notar Weber in der Auseinandersetzung mit dem Rothenburger Sparkassendirektor Küspert so schlecht wegkam, wird wohl nicht mehr zu klären sein. – Es verblieb noch das Rückerstattungsverfahren gegen die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches in Sache Entziehung Klingengasse 4 und 4a durch die NSDAP.
Bayerisches Finanzministerium legte Widerspruch ein
Da das bayerische Finanzministerium dem zuerst zugestimmten Vergleich dann doch widersprach und durch Wegzug der Antragstellerin Irma Friedle in die USA, zog sich das Verfahren hin. Am 21. Mai 1953 teilte der Anwalt und Notar Franz Weber, der die Witwe Friedle immer noch vertrat, dem Gericht mit, dass seine Vergleichsverhandlungen unmittelbar mit dem Finanzministerium gescheitert seien und damit seine Aufgabe erledigt sei. Eine Vertretung im Streitverfahren käme für ihn nicht in Frage. „Ich lege hiermit die Vertretung nieder.“
Da Irma Friedle keine Entscheidung alleine treffen konnte, weil ihre Kinder Miterben waren, reiste sie in die USA, um sich mit dem Testamentsvollstrecker ihres verstorbenen Mannes, der „Bank of America“ zu besprechen. Sie bat daher das Gericht, die weitere Verhandlung zu vertagen. Irma Friedle blieb in den USA. heiratete, wohnte in San José in Kalifornien, hieß nun Wolf-Friedle und wurde im Juni 1958 US-Bürgerin.
Am 21. November 1958, wurde sie von dort aus in der Sache Rückerstattung Klingengasse 4 und 4a wieder aktiv, als das Landgericht Nürnberg-Fürth den Fall abschließen wollte. Irma Wolf-Friedle erbat Abschriften der zuletzt erfolgten Beschlüsse, die ihr von der Wiedergutmachungskammer in die USA geschickt wurden. Landgerichtsdirektor Dr. Trabert klärte sie umgehend über das weitere Procedere des Falls auf:
„Zur Führung des Prozesses der Wiedergutmachungskammer benötigen Sie weder einen Rechtsanwalt noch die Vermittlung einer Dienststelle oder Behörde in Amerika. Es wird aber Ihrer Entschließung überlassen, sich solcher Hilfen zu bedienen. Es wird Ihnen jedoch empfohlen, in die Handakten Ihres oder Ihrer bisherigen Prozessführer Einsicht zu nehmen. Neben Herrn Notar Weber dürfte es sich um die Bank of America in San Francisco handeln.“
Daraufhin antwortete Irma Wolf-Friedle am 10. Januar 1959, dass sie Anfang Juni nach Deutschland kommen werde, um sich Rat einzuholen, da inzwischen Gesetzesänderungen eingetreten seien.
Die in den USA wiederverheiratete Witwe Friedle kam nach Deutschland
Inzwischen meldete sich die „Finanzstelle München des Landes Bayern“ als Treuhänder der Häuser am 14. Januar 1959 unter Az. A II a bei der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, um nach den Stand des Verfahrens Klingengasse 4 und 4 a zu fragen, denn es müssten Baumaßnahmen an den Häusern vorgenommen werden. Dies gehe nicht, solange die Häuser unter Vermögenskontrolle und treuhändischer Verwaltung stünden und der künftige Eigentümer noch nicht feststehe. Landgerichtsdirektor Trabert teilte der Finanzstelle mit, dass vor Juni das Rücküberführungsverfahren nicht beendet werden könne.
Zur Rücküberführung gehörten nicht nur die Gebäude, sondern auch das Mobiliar und die Einrichtungsgegenstände der ehemaligen NS-Organisationen, die im Anwesen des historischen „Deutschherrenhofs“ in der Hausnummer 4 a untergebracht waren.
Am 9. Juni 1959 erklärte Irma Wolf-Friedle persönlich in Anwesenheit des Vertreters des Freistaats Bayern, Ottmann, und Landgerichtsdirektors Dr. Trabert in Fürth, dass sie an der Rückerstattung des Anwesens Klingengasse 4 und 4a in Rothenburg festhalte. Daraufhin verfügte der Landgerichtsdirektor, dass die Zwangsversteigerungsakten, die Grundakten sowie die Steuerakten aus Rothenburg angefordert werden sowie die Zeugen Stadtamtmann Hans Wirsching und der Vermögensverwalter Martin Baumann ausfindig gemacht werden sollen, so sie noch lebten. Verwunderlich war, wie Dr. Trabert feststellte, dass 1959 noch die NSDAP als Eigentümerin im Rothenburger Grundbuch verzeichnet war. Da sich der Kaufvertrag mit der NSDAP von 1942 weder in den Grundakten des Amtsgerichts Rothenburg noch im Besitz einer der beteiligten Streitparteien befand, musste anderweitig nach dem Kaufvertrag gesucht werden, der allerdings nirgendwo gefunden wurde.
Staat berief sich auf die Sonderakte des Finanzamts Rothenburg
Im Juli nahm die „Außenstelle Fürth der Finanzmittelstelle Ansbach des Landes Bayern“ unter Aktenzeichen Rü 328 namens des Freistaats Bayern, der „als Partei für die ehemalige NSDAP aufzutreten“ hatte, gegenüber der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth Stellung. Der Freistaat Bayern machte sich die damalige nationalsozialistische Ansicht des Finanzamts Rothenburg über die Steuerschulden des US-Bürgers zu eigen, die bis dahin in der Auseinandersetzung um die Rückführung des Hauses nicht von Belang gewesen zu sein schien, denn die Wiedergutmachungsbehörde hatte bereits das fehlerhafte Verhalten des Finanzamts festgestellt:
„Die Antragsteller haben nicht vorgetragen, dass ihr Rechtsvorgänger (gemeint John M. Friedle) in der Zeit von 1929 bis 1937 dem Reich Steuern in Höhe von RM 182,629,01 schuldig geblieben ist, und zwar Einkommenssteuer, Umsatzsteuer, Vermögenssteuer, Ehestandshilfe, Gewerbesteuer, Kreisumlage und Kirchensteuer. Beweis: Die Sonderakten des FA Rothenburg in der Arrest- und Vollstreckungssache Friedle Johann Martin, Az. St-Nr. 49/266. Diese Steuern hatte Friedle zu errichten, gleichgültig, ob er die deutsche oder die USA-Staatsangehörigkeit besaß.“
Zudem wies der Vertreter des bayerischen Freistaats die Behauptung Friedles von 1945 zurück, er sei im NS-Regime verfolgt worden, weil er US-Bürger war. Was der Oberfinanzpräsident Nürnberg 1939 noch dem Finanzamt schriftlich mitteilte, man müsse das Verfahren gegen Friedle einstellen, damit die ordentlichen Gerichte nicht Einsicht nehmen können in das fehlerhafte Verfahren des Finanzamts Rothenburg, negierte 1959 das Finanzministerium:
„Wenn daher das Finanzamt Rothenburg am 21. 12. 1938 den dinglichen Arrest wegen dieser Steuerschuld u. a. in das unbewegliche Vermögen des Schaustellers Friedle anordnete, dann hatte dies mit einer Verfolgung aus Gründen der Nationalität nicht das mindeste zu tun. Es war das vielmehr eine Maßnahme, die das Finanzamt als Steuerbehörde nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung rein pflichtgemäß zu treffen hatten.“
Keine Rückerstattung der Häuser an die Friedle-Erben
Bei der heutigen Bewertung dieser damaligen Vorgänge sei es erlaubt zu sagen, dass die Finanzbehörde damals ziemlich zynisch und aus damaliger wie heutiger Sicht nicht korrekt mit den Fakten umging. Denn 1938 operierte das Rothenburger Finanzamt noch mit der von ihm bewusst höher angesetzten Summe der Steuerschuld von 473.100,40 RM, um in Kumpanei mit dem NS-Generalstaatsanwalt Düsseldorf den gesamten Besitz Friedles einzuziehen und zu veräußern. Diese hohe Summe reduzierte das Finanzamt Rothenburg erst später auf 180.000 RM mit dem Eingeständnis eines Irrtums. Und weiter schrieb die Finanzmittelstelle Bayern 1959:
„Aber auch in versteckter Form, wie die Antragsteller (Friedle-Erben) anzudeuten scheinen, unterlag Friedle keinerlei Verfolgungsmaßnahmen. Er hat sich während des ganzen Krieges frei und ungehindert in Rothenburg bewegen können, wie sich ganz klar aus den Streuerakten ergibt … In Rothenburg war man allgemein der Auffassung, dass Friedle das bezeichnete Anwesen an die NSDAP verkauft habe, um sich bei dieser gut zustellen. Er war in Rothenburg sehr beliebt und wurde besonders gut behandelt. Weder die Stadt Rothenburg noch die staatlichen Stellen oder die NSDAP haben auf ihn bei der Veräußerung dieses Grundstückes einen Druck ausgeübt. Anlässlich seiner Verhaftung und Verurteilung durch das Landgericht Düsseldorf war die öffentliche Meinung in Rothenburg die, dass die ihm auferlegte Strafe ausgesprochen milde ausgefallen sei.“
Damit berief sich die Finanzmittelstelle Bayern als Antragsgegner auf eine Aussage des Stadtamtmann a. D. Hans Wirsching als Zeuge, der 20 Jahre zuvor noch John M. Friedle erklärte, dass ihm, Friedle, dies alles nicht passiere wäre, wäre er kein US-Bürger. Weiter begründet die Finanzmittelstelle ihre Ablehnung:
„Aus den Steuerakten des Finanzamts ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Finanzamt einen Druck auf Friedle in der Richtung ausgeübt habe, dass er das Grundstück an die NSDAP veräußere. … Im Gegenteil ist aus den Sonderakten zu schließen, dass die Finanzbehörden über den Verkauf des Anwesens gar nicht ausreichend informiert waren. Aus all dem folgt, dass der Verfolgte weder allgemein einer diskriminierenden Behandlung wegen seiner ausländischen Staatsangehörigkeit, noch dass er speziell bei der Veräußerung des Anwesens Klingengasse 4 einem Druck des Finanzamtes oder der NSDAP ausgesetzt war, der den Verkauf als rechts- und sittenwidrig scheinen ließe. Der Antrag auf Zurückweisung des Rückerstattungsantrages bleibt daher aufrecht erhalten.“
Elf Jahre nach Antragstellung Verfahren beendet
Dieser Argumentation folgte die Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Nürnberg-Fürth am 2. Oktober 1959. Die Friedle-Häuser in der Klingengasse blieben im Eigentum des Staates, dem sie als dingliches Erbe der ehemaligen NSDAP 1945 zugefallen waren. Damit endete das Verfahren Friedle-Erben gegen das Deutsche Reich, vertreten durch die Rechtsnachfolgerin Bundesrepublik Deutschland, zu deren Gunsten.
Siehe auch:
Hochkomplizierter Fall John M. Friedle – Wie einem US-Bürger seine Häuser weggenommen wurden, wobei das Rothenburger Finanzamt arglistig getäuscht und betrogen hatte
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