W. St. – Der NSDAP-Kreisleitung Rothenburg war eigens ein Kreispropaganda-Amt zugehörig, das die Aufgabe hatte, regelmäßig die Stimmungslage in der Bevölkerung auszukundschaften und darüber so genannte „Lageberichte“ zu schreiben. Adressat war die Kreisleitung der NSDAP in Rothenburg, im gleichen Haus Herrngasse 17/I. Die Kreisleitung stellte dann eine Zusammenfassung der ihr wichtig erscheinenden Meldungen, darunter auch Banales, zusammen und schickte sie an die vorgesetzte Gauleitung. So verlief der Informationsstrang weiter nach oben, bis er das Berliner Reichspropagandaministerium mit Stimmungsberichten aus dem gesamten Reich erreichte. Weitere solche Lageberichte wurden vom Sicherheitsdienst (SD), der Polizei und Gestapo über die Polizei- und Gestapoämter an Himmler weitergegeben. Der hier wiedergegebene „Lagebericht“ stammt vom 22. April 1943 und wurde vom Rothenburger kommissarisch eingesetzten NSDAP-Kreispropagandaleiter Seyfried für die Kreisleitung angefertigt. Je länger der Krieg anhielt und die anfängliche Siegesstimmung in der Bevölkerung nach immer schneller aufeinanderfolgenden „Frontbegradigungen“, so die Propaganda für Rückzüge der Truppen in pessimistische Stimmung umschlug, desto heftiger propagierte die Partei den Endsieg – sogar bis April 1945.
Nationalsozialistische Partei Deutschlands
Kreisleitung Rothenburg ob der Tauber
Kreispropagandaamt S/G.
Betrifft: Lagebericht 22. 4. 1943
I. Stimmungsmäßiger Überblick über die gesamtpolitische Lage:
Es konnten im Wesentlichen keine auffälligen Feststellungen gemacht werden. Im Allgemeinen zeigt sich eine gewisse Übermüdung der Bevölkerung. Trotzdem erfüllt der einzelne Volksgenosse seine täglichen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft voll.
Der Kreissachbearbeiter für Schadenverhütung Pg. Schmerl berichtete mir, dass er von der Zentrale in Berlin mit Plakaten überreichlich versorgt wird. Mit Rücksicht auf die im Gang befindliche Großsammlung für Altpapier, macht es doch wohl auf die Bevölkerung einen denkbar schlechten Eindruck, wenn umgekehrt eine derartige Papierflut losgelassen wird. Eine vernünftige Einschränkung zeigt sich als sehr empfehlenswert.
Ich beobachtete, dass einige Geschäfte des Textilhandels und des Lebensmittelhandels um die Konfirmationszeit Waren zugunsten der Konfirmanden und Kommunikanten und deren Familien zurücklegten. Ein Beweis, wie tief diese kirchliche Lebensfeier noch im Bewusstsein des Volkes wurzelt!
II. Propaganda:
Der Monat April stand unter dem Motto „Monat der Partei“. In sämtlichen Ortsgruppen wurden Mitgliederappelle abgehalten, in denen der Kreisleiter bzw. Pg. Meyer und Pg. Ostertag die Parteigenossen aufklärten über ihre besonderen Pflichten und über ihre besondere Stellung als Parteigenossen.
Plakate „Schafft Waffen und Munition für die Front“ wurden ausgehängt. Die Ortsringe sind in Einrichtung begriffen. Die Propagandaleiter wurden in der letzten Propagandaleitertagung am. 3. 4. 43 mit der Materie vertraut gemacht und ihnen als Muster eine Verhandlung des Kreisringes gezeigt. Eine Reihe von Kreisringmitgliedern war allerdings bei dieser Kreisringtagung nicht vertreten. Die Filmstelle konnte in diesem Monat mangels eines Vorführers keine Veranstaltung durchführen.
III. Kirchliche Fragen:
Ich beobachtete am 11. April, dass die ev. Gemeindeschwester mit einer großen Zahl von Mädchen zur Aufführung der Johannis-Passion nach Ansbach gefahren war. Auf dem Rückweg deutete sie das Werk den Mädchen aus. Daran anschließend gab sie die Parole aus, in der nächsten Woche besuchen wir alle geschlossen die Konfirmandenprüfung. Die Mädchen gingen auf diese Parole ein. Ich musste aber feststellen, dass unter den Zuhörerinnen eine ganze Reihe von BDM-Führerinnen waren, sodass ich leider zu dem Schluss gelangen musste, dass die BDM-Arbeit dieser kirchlichen Beeinflussung gegenüber versagt.
IV. Siegeszuversicht:
Die allgemeine Stimmung der Bevölkerung kann als zufriedenstellend bezeichnet werden. Die vor wenigen Wochen eingetretene Missstimmung von Bevölkerungsteilen, infolge der Rückzugsbewegungen an der Ostfront, ist durch die neuerlichen Erfolge wieder zuversichtlich geworden. Lediglich die Angehörigen von Stalingradkämpfern sind, durch das Ungewisse, noch in Stillschweigen gehüllt. Die Siegeszuversicht des Deutschen Volkes tritt wieder in Erscheinung. Die Führerrede zur Heldengedenkfeier 1943 hat hiezu wesentlich beigetragen.
Heil Hitler !
(Unterschrift) Seyfried
k-Kreispropagandaleiter