Von Wolf Stegemann
Nach ihm sind vor allem in Franken Gymnasien benannt und Straßen sowie eine von seiner Witwe gegründete Stiftung. In Rothenburg ob der Tauber war der promovierte Jurist 13 Jahre lang Richter am Amtsgericht vorm Rödertor und nach 1933 Mitglied im NS-Rechtswahrerbund. Die Mitgliedschaft in dieser NSDAP-Unterorganisation war gleichbedeutend mit der in der NSDAP. Daher konnte Armin Knab – auch ohne Parteigenosse zu sein – im NS-Regime Karriere machen. Nicht als Jurist, sondern als Musiker und Komponist. „Des Knaben Wunderhorn“ und andere gängige Lieder und Kantaten von Mörike, Eichendorff, Goethe, Claudius sind bekannt – er schrieb aber auch NS-Lieder für die Jugend. Der Rothenburger Künstler Johannes Oertel schuf eine Bronzebüste von Armin Knab, die einen Atelierbrand im Jahr 1931 rußgeschwärzt überstand. Dazu seine Tochter Rosemarie Richter 1993: Sie „bekam sogar im Brand eine interessante Patina“.
In Rothenburg: „Liebesklagen des Mädchens“
Armin Knab wurde 1881 in Neuschleichach (heute ein Ortsteil von Oberaurach/Unterfranken) geboren und wuchs in Kitzingen auf, wo sein Vater Lehrer und Leiter des Singknaben-Alumnats war, wo er als Kind das Singen sicherlich vielfältig mitbekam. In München studierte er Rechtswissenschaft und Musikwissenschaft, promovierte 1904, war nach seinem juristischen Staatsexamen ab 1907 Amtsrichter in Kitzingen und von 1913 bis 1926 in Rothenburg ob der Tauber.
In der Tauberstadt fand Armin Knab über die Abfassung von Landschaftsbeschreibungen, Reiseschilderungen und Kunstbetrachtungen zum Komponieren zurück. Im Klavierlied vollzog er durch allmähliche Preisgabe individualistischer Züge einen Wandel des Gefühlsgehalts und der Tonsprache vom Subjektiven zum Objektiven und erreichte erstmals in den in Rothenburg entstandenen „Liebesklagen des Mädchens“ (1922) seinen herb-diatonischen, linearen Stil. Um 1920 trat Knab, immer noch Amtsrichter in Rothenburg, in engere Verbindung zu Kreisen der Jugend-, Sing- und Schulmusikbewegung. Der Rothenburger Amtsrichter gilt als Wegbereiter eines auf Volkslied und Choral, Spielmusik und Tanz gegründeten Gemeinschaftsmusizierens. Knab pflegte die alte Musik und wiederbelebte alte Musikinstrumente, was Niederschlag im öffentlichen Konzertbetrieb fand, im NS-Staat dann verordnet werden sollte. Während seiner Zeit als Amtsrichter in Rothenburg erschienen u. a. noch die Musikwerke: „In Bulemanns Haus“. Theodor Storm-Texte zum Tanzen und Sprechen für Klavier vertont. 1918, „Mitten im Garten“, Volkslieder 1922, „Lautenlieder. Wunderhorn- und Volkslieder, Eichendorff-Lieder 1922/23, „Steht auf, ihr Kinderlein“, Chorsätze nach eigenen Werken, 1925.
1935 Ruf als Musik-Professor nach Berlin
1926 wurde Knab als Landgerichtsrat nach Würzburg versetzt. Erst als 53-Jähriger konnte Armin Knab dem zunehmend als drückende Last empfundenen Richteramt entsagen und fortan ganz der Musik leben. Nach der Machtübernahme der Nazis berief ihn die Staatliche Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik in Berlin-Charlottenburg 1934 zum Dozenten für Musiktheorie und Komposition (1935 Professor). Dort wirkte er fast ein Jahrzehnt lang. Dem Nationalsozialismus stand er reserviert gegenüber. Dennoch kam sein Name mit 40 anderen Kulturschaffenden und Wissenschaftlern 1937 auf eine Liste, die von der Presse veröffentlich wurde. Knab und die anderen waren vom NS-Erziehungsminister Rust zu neuen Mitgliedern der Akademie ernannt worden. In der Abteilung Musik gehörte neben Armin Knab noch Wilhelm Furtwängler, Hermann Reutter und Heinrich Kaminski zu den Ernannten. Wegen eines Kompetenzstreits zwischen Goebbels und Rust musste dieser drei Tage später die Ernennungen widerrufen.
Seine Kompostionen waren einfach und klar
Wenn er auch nicht zu den „Repräsentativen“ gehörte, so haben sich doch angesehene Verleger seiner Werke angenommen, und eine musikalische Jugendbewegung hegte seine Lieder. Er schrieb seine Kompositionen einfach und klar, melodisch und „vom Singen kommend“, dennoch aber in einer durchaus modernen handwerksmeisterlichen Haltung seine zarte Lyrik in mehreren hundert Sololiedern wie in ebenso vielen Chorsätzen nach ausgewählten Texten von George, Dehmel, Mombert, Brentano, Goethe, Eichendorff, Matthias und Hermann Claudius. Er schrieb Kantaten, Klaviermusiken und Instrumentalwerke, deren viele noch ungedruckt sind. Dazu sein abendfüllendes Oratorium „Das gesegnete Jahr“, komponiert 1935 bis 1943. Im Jahr 1936 erschien in Mainz „Lindegger Ländler für Klavier“, 1942
Reichstagung 1937 – Musikerziehung wurde zur „Kriegsfront“ erklärt
Im Januar 1937 fand in Berlin die erste „Reichstagung für Musikerzieher an Schulen und Lehrerhochschulen“ statt, an der auch Prof. Armin Knab teilnahm. Er sprach zum Thema „Zeitgenössischer Liedsatz“. Nach vier Jahren NS-Herrschaft, in denen „die Besinnung auf die völkischen Grundlagen unseres gesamten Lebens zu neuem Schaffen und zu neuen Formen geführt“ habe, müsse nun auch „die deutsche Musikerziehung […] auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden“, hieß es zu dieser Tagung. Die Musik wurde zu einer „Kriegsfront“ erklärt, an der alle Musiktragenden Kräfte zu kämpfen haben, lautete der Tenor der Tagung.
Auf dieser Reichstagung sollte die als „musische Durchdringung“ (Rehberg 1937b, S. 130) verklausulierte „musikpädagogische Gleichschaltung“ nach Direktiven der Partei ausgelotet und festgelegt werden. Auf der Rednerliste standen durchweg Funktionsträger der musikpädagogischen Institutionen, die zugleich und mit wenigen Ausnahmen auf parteiorganisatorischer Seite hohe NSLB-Funktionäre oder HJ-Führer waren. Und im offensichtlich handverlesenen Publikum (die Teilnehmerzahl war beschränkt) saß neben einer Claqueurfraktion von Berliner Studienreferendaren und -assessoren der Rest der Belegschaft in repräsentativer Auswahl. Unter den 18 Vortragenden und 115 in der Berichterstattung namentlich aufgelisteten Teilnehmern befanden sich u. a. 26 Dozenten und Professoren für Musikerziehung von 20 der 29 für die Ausbildung der Volksschullehrer zuständigen Hochschulen für Lehrerbildung, darunter Knab, Rein, Strube und Warner.
Das „Lied von der Flachsverarbeitung“
Im NS-Staat erfuhr das Lied eine größere Verbreitung. Für die Hitlerjugend und den Bund Deutscher Mädel (BDM) kamen etliche eigene Liederbücher heraus, die das Volkstum und das Volksgut fördern sollten. Auch Armin Knab beteiligte sich daran. Das „Lied von der Flachsverarbeitung“ ließ sich bestens mit der nazistischen Arbeits- und Feier-Ideologie verknüpfen. Vor allem in den Mädchen- und Frauenorganisationen des „Dritten Reiches“ wurde das Lied propagiert. Das „Singebuch für Frauenchor“ war wiederum speziell für „die Frau“ gedacht, die nach Ansicht des herausgebenden „Kulturamtes der Reichsjugendführung“ den „Jahreskreis dank ihrer Bestimmung besonders tief erlebt“. Neben verschiedenen Bearbeitungen nazistischer Musikfunktionäre hat auch Armin Knab 1940 einen Liedsatz für Singstimme, Melodieinstrument und zwei Violinen geschrieben. 1942 erschien bei Tonger in Köln seine „Knechtsballade“ und zu Weihnachten 1944 eine Broschüre für die „Frontkameraden fränkischer Justizbehörden“ mit dem Titel „Hochzeitsreise in Franken“.
Vom NSDAP-Gauleiter ausgezeichnet
Armin Knabs Wirken in Berlin blieb in Franken nicht unbemerkt. 1940 wurde er mit dem Max-Reger-Preis (vormals Mainfränkischer Kunstpreis) vom Würzburger NSDAP-Gauleiter Otto Hellmuth geehrt. Dem Fränkischen blieb Knab stets zugeneigt, was in seinem 1966 postum erschienenen Buch „Wanderungen und Reisen in Franken“ genauso zum Ausdruck kommt, wie die fränkische Landschaft in vielen seiner musikalischen Werke. Wenn auch in heutigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen Armin Knabs Engagement von 1933 bis 1945 als Nähe zum NS-Regime gedeutet wird, wie beispielsweise von Eichner in „Münchens Entwicklung“: „Armin Knab stellte sich dem NS-Staat zur Verfügung“, war er kein Nationalsozialist und auch keiner, der NS-Gedankengut verinnerlichte und veröffentlichte. Seine Melodien wurden von der NS-Kultur häufig missbraucht, weil sie für den Gleichschritt-Pathos der NS-Zeit geeignet waren. In Liederbüchern des Militärs wurden durchgehend Melodien von Armin Knab verwendet, auf die sich gut marschieren ließ („Morgen marschieren wir. Liederbuch der deutschen Soldaten“, hgg. von Hans Baumann, Potsdam 1939).
Armin Knabs 1939 in Leipzig herausgegebenen Vertonungen von Gedichten „12 Lieder nach Brentano, Eichendorff, Mörike, Greif und C. F. Mayer“ setzte eine in ganz Deutschland geführte Kontroverse in Gang, weil die NS-Kulturbürokratie wegen der Familienherkunft Brentanos Vorbehalte hatte. Die entfachte Kontroverse wurde ohne Ergebnis und Folgen.still beendet.
In Berlin ausgebombt – zurück nach Würzburg
Nach dem Verlust seiner Wohnung in Berlin durch Bomben kam Armin Knab 1943 nach Kitzingen zurück und bekam erst 1951 eine Wohnung in Würzburg, wo er sich aber nicht mehr einleben konnte. Denn er starb mit 70 Jahren im selben Jahr während eines Kuraufenthalts in Bad Wörishofen. – 1966 erhielt das Gymnasium Kitzingen seinen Namen, 1978 gründete seine Witwe die „Armin-Knab-Stiftung“ zur Förderung hochbegabter Studierender der Bereiche Sologesang und Komposition In der kurzen Zeit, die ihm in seiner Heimat noch geblieben war, „fand Knab zurück zum schaffenden Leben. Er schenkte der Musikwelt neue Werke, einer Welt, die ihn kaum kannte“, wie Otto Spreckelsen im Nachruf am 5. Juli 1951 in „Die Zeit“ schrieb.
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