- Bericht des Oberinspektors Sigg 1951 im Stadtarchiv Burgbernheim Nr. A 596; der Text wurde im Original beibehalten, um die Authentizität zu bewahren. Wegen besserer Verständlichmachung wurde er da oder dort durch Wortumstellungen leicht geändert. Die heute als diskriminierend empfundene Bezeichnung „Neger“ und die bewertende Darstellung der Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen wurden wegen der Authentizität unkommentiert übernommen. Die Bewertungen decken sich nicht mit der Meinung der Herausgeber.
Nachdem die Kampf- und Frontwelle Burgbernheim überrollt hatte, etablierten sich die Amerikaner als Besatzer. Zunächst wurde am 17. April vom Ortskommandanten der Bürgermeister gerufen. Bürgermeister Hans Lehnbeuter war aber noch in Gewahrsam der Amerikaner. Dann wurde der 2. Bürgermeister Düll verlangt. Dieser erklärte, er fühle sich nicht mehr als 2. Bürgermeister, nachdem das nationalsozialistische Regierungssystem in Burgbernheim aufgehört habe. Man habe ihn früher nicht viel gebraucht, daher lehne er auch erst recht seine Mitwirkung ab, jetzt, wo es brenzlig sei.
Daraufhin wurde nach dem geschäftsleitenden Verwaltungsbeamten, dem Oberinspektor Sigg (Verfasser der beiden Burgbernheim-Berichte) gerufen. Sigg nahm an diesem Tag seinen Dienst wieder auf. Er besorgte auch die Dienstgeschäfte eines Bürgermeisters. Wider Erwarten brachten die Amerikaner dann bald darauf den Bürgermeister und ehemaligren NSDAP-Ortsgruppenleiter Hans Lehnbeuter wieder nach Burgbernheim und gestatteten ihm, seine Dienstgeschäfte als 1. Bürgermeister bis auf Weiteres auch weiterhin auszuüben. Dies war eine Ausnahme, weil Lehnbeuter zugleich Ortsgruppenleiter, also Parteigenosse und Ehrenzeichenträger war. Die übrigen NSDAP-Funktionäre wurden meist von den einrückenden Feindtruppen gleich in Gewahrsam genommen und in Internierungslager abtransportiert. Welche Gründe für dieses Entgegenkommen maßgebend waren, konnte bisher nicht einwandfrei ermittelt werden. Wahrscheinlich wird das Verhalten des Ortsgruppenleiters Lehnbeuter kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner (seine Versammlung auf dem Marktplatz, Verhör durch SS etc.) eine Rolle gespielt haben.
Amerikaner sicherten Akten im Rathaus
Nachdem das Rathaus für die Verwaltung gesperrt war, wurde eine Ausweichstelle im Saale des Herrenkellerschulhauses für die Marktverwaltung mit Kasse eingerichtet. Während man anfänglich nicht einmal die Standesamtsregister aus dem Rathause dorthin verbringen durfte, wurde nach einigen Wochen gestattet, das Rathaus wieder zu beziehen. Es bestand scheinbar Befehl, alle Archivalien, Akten und Urkunden sicherzustellen und Material gegen die Nationalsozialisten zu sammeln. Schwere Strafen wurden auf die Vernichtung solcher Dokumente gesetzt.
Die Sorge des US-Ortskommandanten war hinsichtlich des zivilen Sektors in erster Linie auf die öffentliche Ruhe und Sicherheit, in zweiter Linie auf die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Kleidung gerichtet. Die Mühlen wurden wieder in Betrieb gesetzt, Salz wurde beigeschafft (sogar mittels Soleverwendung aus Windsheim), Fuhr- und Kurierdienste wurden eingerichtet. Bahn und Post arbeiteten nicht, weshalb auch keine telefonische Verbindung möglich war. Ganz besonders wurden die befreiten ausländischen Arbeitskräfte und Kriegsgefangenen in Obhut der Besatzungsmacht genommen. Sie waren nunmehr die Herren und versuchten verschiedentlich, sich an ihren früheren Arbeitgebern und Aufsichtspersonen zu rächen. Sie forderten Lebensmittel und Genussmittel (vor allen Dingen Schnaps) von ihren früheren Dienstherren, brauchten aber nicht mehr zu arbeiten, hatten aber laut Anordnung der Besatzungsmacht Anspruch auf kostenlose Verpflegung. Die Gemeinde selbst musste eine Zeitlang einige solcher „verschleppter Personen“ im Gasthaus „Zum Hirschen“ verköstigen. Den ganzen Tag über standen diese Personen in Grüppchen beisammen und beratschlagten, welche Schikanen sie wieder gegen die einheimische Bevölkerung vornehmen könnten. Sie denunzierten ihnen missliebige Personen bei dem Ortskommandanten. So wurde auf ihre Denunziation hin der Feldflurer Hans Sehneider und der Bauer Thorwart von der Besatzungsmacht festgenommen und in ein Gefangenenlager in der Pfalz verschleppt. Niemand wusste, wo sie waren. Schneider denunzierten sie als Schinder der Fremdarbeiter, Thorwart griffen sie beim Heimfahren vom Feld (als er Futterage holte) an, dieser wehrte sich mit der Gabel, worauf sie ihn festnehmen ließen.
Deutsche Hilfspolizei mit weißen Armbinden und ohne Knüppel
Bereits einige Tage nach der Eroberung Burgbernheims wurde auf Anordnung des Ortskommandanten eine Hilfspolizei eingeführt, bestehend aus 10 bis15 Hilfspolizisten. Diese waren nicht bewaffnet und hatten auch keinen Gummiknüppel. Sie sollten aber trotzdem für Ruhe und Ordnung sorgen und gegen störende Elemente auftreten. Sie bedienten sich dann eines kräftigen Spazierstocks mit Eisenspitze. Sie mussten eine weiße Armbinde mit der Aufschrift: „Police“ tragen. Ein Obmann war ihr Vorgesetzter.
Häuser wurden für die Besatzer beschlagnahmt
Kurz nachdem die Front abgerückt war, mussten Unterkünfte für die nachrückenden Frontreserven und die Etappentruppen geschaffen werden. Ein Captain ging als Quartiermacher wie folgt vor: Er holte Oberinspektor Sigg im Rathaus heraus und fragte ihn nach der Unterkunftsmöglichkeit von einigen hundert Mann Amerikanern. Oberinspektor Sigg verwies auf die drei Baracken am oberen Bahnhof. Er musste mit ihm dorthin fahren. Sie wurden von ihm für ungeeignet erklärt. Als Oberinspektor Sigg ihm keine weiteren Unterkunftsmöglichkeiten sagen konnte, hielt er vor Hs. Nr. 87 [Windsheimer Straße 4], ging in dieses Haus und sagte, indem er auf die Uhr sah zu den Bewohnern: „Dieses Haus muss in einer halben Stunde geräumt sein.“ Gleichermaßen verfuhr er bei dem Gasthaus „Zum Hirschen“, Leidenberger, bei dem Gasthaus zum Lamm [Marktplatz 5] Breitschwerdt, bei dem Wohnhaus Fischer Hs. Nr. 41 [Marktplatz 3] und schließlich Gasthaus „Zum Weißen Roß“ bei Hans Schwarz und der Apotheke (Kastner). Binnen einer halben Stunde mussten diese Leute ihre Anwesen verlassen. Amerikanische Soldaten bezogen sie wochenlang.
Ohne ein Gemeindeorgan zu fragen suchte er sich die in Frage kommenden Häuser selbst aus. Er entschied nach der Größe der Häuser, indem er sie von der Straße aus betrachtete und dann einfach in sie hineinging und die oben bezeichneten Anordnungen gab.
Am Kriegerdenkmal wehte die amerikanische Fahne
Burgbernheim wurde in der Folgezeit mit einer Infanteriekompanie als Besatzungstruppe belegt. Die Truppen wechselten verschiedene Male. Sie waren von Kriegsende bis Spätwinter 1945/46 hier stationiert. Als Unterkunft wurden zunächst die Schulhäuser, dann die Kinderschule sowie die Rossmühle als Versammlungs- und Tagesraum in Beschlag genommen. Die Wohnungsinhaber mussten anderweitig untergebracht werden. Die Kinderschule wurde in das Schulhaus und das Crailheimhaus vorübergehend verlegt. Auf dem Kapellenberg beim Kriegerdenkmal flatterte die amerikanische Flagge im Wind. Das Freibad musste instand gesetzt werden, damit für die Besatzungstruppen ein Bad vorhanden war. Die Burgbernheimer Bevölkerung durfte nicht mehr das Bad benützen. Es wurde mit Hilfe der früheren Nationalsozialisten und der deutschen Kriegsgefangenen, die auf Burg Hoheneck untergebracht waren, gereinigt und von Zimmermeister Seufferlein im Auftrag der Gemeinde mit einem Lattenrost auf dem Boden und den Seitenwänden versehen.
Befreite Zwangsarbeiter waren eine Gefahr für die Bevölkerung
Die Bevölkerung wurde gebeten, den Kriegsgefangenen Essen an die Baustelle zu bringen, was reichlich geschah. Die Uhrenfabrik an der Steinacher Straße beschäftigte viele Fremdarbeiter aus mehreren Nationen, insbesondere Mädchen und junge Frauen aus Russland und Polen. Auch sie wurden beim Einzug der Amerikaner befreit. Sie wohnten noch einige Zeit in der Fabrik. Die männlichen Fremdarbeiter benützten diese Gelegenheit ausgiebig, um sich mit den Mädchen und Frauen zu unterhalten und anzufreunden. Eines Tages kam ein Negersoldat aus Steinach. Er vertrieb die männlichen Freunde, indem er in die Gelasse eindrang und sie mit dem Gewehr bedrohte. Sie suchten die Flucht durch die Dachlukenfenster. Der Neger schoss ihnen noch zum Spaß nach. Nach und nach wurden die Fremdarbeiter und -arbeiterinnen teilweise in ihre Heimat abtransportiert. Viele von ihnen blieben jedoch noch hier. Sie bildeten eine ständige Gefahr für die öffentliche Sicherheit ob ihres arroganten Auftretens.
Soldaten kamen in Kriegsgefangenschaft
Die nicht ordnungsgemäß entlassenen deutschen Soldaten mussten sich jeweils erst von den Amerikanern entlassenen und durchschleusen lassen. Zu diesem Zwecke wurden kurz nach dem Einmarsch alle hier weilenden Soldaten (Urlauber usw.) nach ortsüblicher Aufforderung auf einem Lastwagen verladen und in Gefangenschaft abtransportiert, weil um diese Zeit noch nicht Waffenstillstand war, der erst am 8. Mai 1945 eintrat. In der Folgezeit mussten die Soldaten über das Amtsgerichtsgefängnis Windsheim und den Divisionsstab Ansbach (Verpflegungsamt in der Hindenburgkaserne) von der amerikanischen Armee geprüft und entlassen oder zurückbehalten werden. Wer ein Amt in der NSDAP, den Gliederungen oder einem Teil der angeschlossenen Verbände hatte, wurde in ein Internierungslager verbracht. Zuhause bestanden Sperrzeiten, die mit der Zeit immer mehr verkürzt wurden. Auch durfte niemand ohne Erlaubnis den Ort, dann gewisse Umgebungsgrenzen und später gewisse größere Gebiete ohne Erlaubnis verlassen.
Wiedereingesetzter NS-Bürgermeister Lehnbeuter kurzfristig verhaftet
Bürgermeister Hans Lehnbeuter wurde am 5. Mai 1945, mittags 12 Uhr, auf Grund einer Anordnung des Landrats Schadewitz wegen seiner politischen Einstellung seines Amtes als 1. Bürgermeister des Marktes Burgbernheim enthoben, verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis Uffenheim eingeliefert. An seiner Stelle wurde der frühere Lokalbahnagent (dort wegen Unterschlagung entlassen) und spätere Gärtner und Obst- und Gemüsehändler Otto Schinnerer (SPD) als kommissarischer Bürgermeister vom Landrat Schadewitz eingesetzt. Ob Schinnerer die Verhaftung und Amtsenthebung des Bürgermeisters Lehnbeuter veranlasste, konnte nicht einwandfrei geklärt werden. Auf alle Fälle spricht der Vorgang für sich: Am 5. Mai gegen Mittag machte eine Person dem Oberinspektor Sigg gegenüber Andeutungen auf dem Rathause, dass Schinnerer Bürgermeister von Burgbernheim werden solle. Schinnerer spazierte ab halb 12 Uhr vor dem Rathause auf und ab, sonntäglich angezogen. Das war schon auffallend. Um 12 Uhr betrat Otto Schinnerer mit dem Hilfsgendarmen Leonhard Pflüger aus Burgbernheim, der in Uffenheim Gendarmeriedienste tat und einem früheren Gefangenen (einem französischen Leutnant) aus Uffenheim, der inzwischen eine Funktion in der Polizei im Landkreis Uffenheim übertragen erhalten hatte, das Dienstzimmer der Kanzlei und verlangten dort den 1. Bürgermeister Hans Lehnbeuter zu sprechen, der sich gerade im Dienstzimmer des Oberinspektors Sigg befand.
Leonhard Pflüger legte den Haftbefehl des Landrats vor und erklärte Lehnbeuter für verhaftet. Gleichzeitig erklärte er ihm, dass ihn der Landrat seines Postens als 1. Bürgermeister enthoben und an seiner Stelle Otto Schinnerer als kommissarischen Bürgermeister eingesetzt habe. Er gab der Bitte Lehnbeuters, wenigstens nach Hause gehen und seine Frau verständigen sowie Mittag essen zu dürfen statt, begleitete ihn dorthin und führte ihn danach in das Wachlokal des Rathauses zurück, wo sie auf eine Transportmöglichkeit ins Amtsgerichtsgefängnis nach Uffenheim warteten. Nach einer Woche wurde Lehnbeuter wieder entlassen.
NS-Funktionäre kamen in Internierungslager
Ab etwa 10. Juni 1945 hörte man, dass da und dort ehemalige Amtsträger der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossener Verbände von der CIC (eine Art geheime Staatspolizei der Amerikaner) verhaftet und in Internierungslager eingeliefert worden seien. Damit begann der Feldzug gegen die NSDAP und den deutschen Militarismus. Beides sollte nach Angaben der Besatzung mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Am 25. Juni 1945 begannen auch hier die Verhaftungen der früheren Funktionäre der NSDAP und deren Einlieferung in die Internierungslager Moosburg und Hammelburg. Im Zuge der Entnazifizierungsverfahren untersuchten die Spruchkammern in den Jahren 1946 bis 1948 jeden einzelnen Parteigenossen und fällten dementsprechende Eingruppierungsurteile. In Burgbernheim kam keiner in die Gruppe der Belasteten oder Hauptschuldigen.