Das Volkssturm-Bataillon 7/108 Franken kämpfte wochenlang an der Oderfront bei Lebus – Die 2. Kompanie bestand nur aus Rothenburgern

Volkssturm oben 19.10.1944Von Wolf Stegemann

In Franken entstand ein eigenes Volkssturmbataillon, dass mit „Volkssturm-Bataillon Franken 7/108“ die Herkunft im Namen hatte, auf das der NSDAP-Gauleiter Holz großen Wert legte. Es wurde in Ansbach zusammengestellt und bestand aus vier Kompanien: den Ansbachern in der 1. Kompanie, den Rothenburgern in der 2. Kompanie, den Weißenburgern in der 3. Kompanie und den Dinkelsbühlern, Feuchtwangern und Wassertrüdingern in der 4. Kompanie.

Neben dem Volkssturm-Bataillon Franken gab es noch das Bayreuther und das Mainfränkische Volkssturm-Bataillon 134, die in Frankfurt an der Oder zum Einsatz kamen. Das Mainfränkische Bataillon wurde Ende Dezember 1944 in Würzburg aufgestellt und Anfang Januar zur Abwehr sowjetischer Panzer an die Ostgrenze gebracht. Eingesetzt wurden allerdings nicht nur die ursprünglichen Volkssturm-Bataillone, sondern die Parteigaue bildeten aus allen im jeweiligen Gau vorhandenen Volkssturmbataillonen so genannte „Volkssturm-Bataillone z.b.V“ (zur besonderen Verfügung), die bevorzugt mit deutschen Waffen ausgerüstet wurden. Das Bayreuther Bataillon hieß beispielsweise „Volkssturm-Bataillon z.b.V. 2/1“. Dieses Bataillon wurde schon am 31. Januar 1945 bei Zielenzig östlich von Frankfurt an der Oder von sowjetischen Truppen eingeschlossen und weitgehend vernichtet.

Das Mainfränkische Volkssturm-Bataillon wurde Anfang Januar 1945 in Würzburg verladen. Ein Augenzeuge, der in unmittelbarer Nähe des Gauleiters stand, berichtete später, dass bei diesem Vorgang der NSDAP-Gauleiter Hellmuth, als er sie Volkssturmmänner verabschiedete, zu jemanden neben ihm sagte: „Wir haben kein Interesse, dass diese Leute wiederkommen!“ Gemeint war ein Trupp Volkssturmmänner, der gerade den Zug bestieg, die nur aus „Meckerern und schwarzen Schafen“ zusammengesetzt war, und die man auf diesem Weg aus der Stadt haben wollte.

Mit Karabinern bewaffnete Volkssturm-Männer erwarten an der Oder sowjetische Panzer

Mit Karabinern bewaffnete Volkssturm-Männer erwarten an der Oder sowjetische Panzer

Die Rothenburger Kompanie im Volkssturm-Bataillon Franken

Führer des Volkssturm-Bataillons 7/108 Franken war zuerst Hauptmann Hermann Rieger. Er war 60 Jahre alt und Studienprofessor in Ansbach. Sein Adjutant Hanns Baron Freytag von Loringhoven brachte etwa in den Mitte der 1960er-Jahre im Selbstverlag ein Buch mit dem Titel „Das letzte Aufgebot des Teufels. Dramatischer Einsatz des Volkssturmbataillons 7/108 Franken“ heraus, das er seinen früheren Volkssturmmännern gewidmet hatte.

Hitlerjungs überbrachten die Stellungsbefehle

Chef der 2. Kompanie, der „die Rothenburger“ angehörten, war der Eisenbahner und alte Parteigenosse Hans Hirsch, später Körner, Zugführer waren Otto Deißenberger und Johann Schleeh; Gruppenführer Johann Riedel, Heinrich Oberndörfer, Wilhelm Model, Kurt Herbst und Fritz Habel. Die 1. Kompanie („die Ansbacher“) führte Künzel, die 3. Kompanie („die Weißenburger und Gunzenhausener“) Bankdirektor Hermann Schippel und die 4. Kompanie („die Dinkelsbühler“) Volksschullehrer und stellvertretender NSDAP-Kreisleiter sowie Gestapochef Hannes Meyer. Wie die Rothenburger Volkssturmmänner zum Einsatz kamen, berichtet Johann (Hans) Schleeh im oben erwähnten Buch:

„In der Nacht vom 23. auf den 24. Januar 1945 wurde ich durch ein heftiges Klopfen an der Haustür geweckt. Als ich aufmachte, standen zwei Hitlerjungen auf Skiern vor der Tür und überbrachten mir den Stellungsbefehl der Partei. Der Wortlaut war ungefähr der: ,Am 24. 1., 8 Uhr, haben Sie sich in der Oberrealschule zu Rothenburg zu melden. Mitzubringen sind warme Wollsachen, Wolldecken usw.’ … Als ich mit dem Pferdeschlitten in der Oberrealschule eintraf, kamen aus allen Richtungen Bauernschlitten mit Männern, die das gleiche Ziel hatten. Wir wurden in Gruppen eingeteilt. Mein Gruppenführer war Parteigenosse, ein SA-Mann, der, wie ich bald merkte, von soldatischem Verhalten keine Ahnung hatte. Von einem Karabiner und seiner Handhabung hatte er, wie sich später herausstellte, desgleichen keine Ahnung. Der Tag verging mit Einkleiden und Einteilen. …Am 2. Tag wurden wir verladen und nach Ansbach gebracht. Dort wurde im Onoldia-Saal das Bataillon zusammengestellt. .. (wo) wir auch gleich die Waffen (erhielten), uralte lange Gewehre aus dem Ersten Weltkrieg, dann italienische, tschechische usw. Manche der Gewehre waren verrostet, anderen fehlte der Sicherungsflügel oder gar die Kimme. Einfach unglaublich!“

Durchhalte-Flugblatt

Durchhalte-Flugblatt

Ansbacher Bataillonschef kam vors Kriegsgericht

An die Oder rollten das Bataillon der Franken drei Tage und drei Nächte. Es war Tauwetter. Das Eis schmolz. Die Franken bezogen in Lebus bei Frankfurt Stellung und wurden sogleich  in heftige und verlustreiche Abwehrkämpfe verwickelt. Die schlecht ausgerüsteten Einheiten des Volkssturmbataillons Franken konnte bei einem sowjetischen Artillerieangriff die Stellung nicht halten. Bataillonschef Rieger aus Ansbach nahm sie zurück, ohne dazu Befehl gehabt zu haben. Er wurde am 8. Februar 1945 verhaftet, als Bataillonschef abgesetzt und vor das Kriegsgericht der 9. Armee gestellt. General Busse drohte mit standrechtlicher Erschießung. Dazu kam es nicht. Wegen „Dienstverletzung im Felde“ wurde Rieger bestraft. Die nicht genannte Strafe zur „Bewährung vor dem Feinde“ ausgesetzt und er als „Volkssturmmann im niedrigsten Dienstgrad“ weiterverwendet. Rieger überlebte den Krieg. Sein Nachfolger wurde Kurt Lettow

Johann Rößler packte seinen Rucksack und verschwand

Fast ununterbrochen war das Franken-Bataillon in die Abwehrkämpfe an der Oder verstrickt. Die Sowjets wollten unbedingt und ohne Rücksicht auf eigene Verluste vor den Westalliierten in Berlin sein. Der Adjutant des Bataillonschefs, Baron Freytag von Loringhoven, beschreibt etwas überschwänglich in seinem bereits erwähnten Buch eine Kriegsszene:

„Der Kampf tobte. Vor und hinter uns krachten die Einschläge … Unsere Rothenburger sollten bald zur Stelle sein. Rascher, als wir hoffen durften. Aus ihren Gesichtern strahlten das Plönlein und der Markusturm, die Jakobskirche und das Taubertal. Ihr schlosset auf mit der ruhigen Gelassenheit alter Soldaten und machtet Euch zum Gegenstoß fertig …“.

Als Ende Januar 1945 die Rothenburger an der Oderfront in ihre Stellungen neu eingewiesen wurden, packte der Rothenburger Volkssturmmann Johann Rößler seinen Rucksack, verabschiedete sich mit den Worten „Leck mich am Arsch“ und verschwand. In seiner Heimatstadt tauchte er wieder auf, wurde hier vor ein Standgericht gestellt und wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe am 7. April 1945 auf dem Rothenburger Friedhof erschossen.

Hanns Freytag von Loringhovens Erlebnisbericht über den Einsatz des Bataillons Franken

Hanns Freytag von Loringhovens Erlebnisbericht über den Einsatz des Bataillons Franken

Das Franken-Bataillon durfte wieder nach Hause

Indes gingen Tag für Tag die Abwehrkämpfe an der Oderfront weiter, bis das Volkssturm-Bataillon Franken erschöpft war. Ende März 1945 wurde das Bataillon abgelöst und in den Heimatgau Franken zurückverlegt. Der Kommandierende General des XI. SS-Panzerkorps, SS-Gruppenführer und General der Waffen-SS Kleinheisterkamp, schrieb an den Führer des Volkssturm-Bataillons 7/108 Franken, Lettow:

„Das Volkssturmbataillon … scheidet jetzt aus der Unterstellung und dem Kampfeinsatz beim XI. SS-Panzerkorps aus. Ich benutze die Gelegenheit, den Männern des Bataillons für ihre Leistungen meinen Dank und meine vollste Anerkennung auszusprechen. Urplötzlich aus dem zivilen Schaffen herausgerissen, haben die Männer vom Volkssturmbataillon 7/108 wesentlichen Anteil daran, dass die bolschewistische Flut Anfang Februar an der Oder zwischen Frankfurt und Küstrin zum Halten gebracht werden konnte. … Die Opfer, die das Bataillon gebracht hat, sind ein Beweis für die Härte der Kämpfe, die durchzustehen waren. Sie sind aber nicht umsonst gewesen. Meine besten Wünsche begleiten das Bataillon auf seinem Weg in den Heimatgau. Heil dem Führer.“

Körner, Chef der „Rothenburger“ Kompanie schrieb dazu:

„Die 2. Kompanie hat in neunwöchigem überörtlichem, härtestem Einsatz ihre Pflicht erfüllt und begrüßt freudig den Divisionsbefehl vom 1. April 1945, der dem Bataillon endlich den Weg in den Heimatgau öffnet. Sie erwartet daher restlose, schnellste Durchführung dieses Befehls, zumal die engere Heimat im Augenblick des letzten Mannes bedarf zur Abwendung schwerster Gefahr.“

Auch der Divisionskommandeur Generalmajor von Siegroth dankte den Franken:

„Die Volkssturmmänner des Bataillons Franken kehren nun nach den schweren Kämpfen an der Oderfront in ihren zum Teil von Angloamerikanern besetzten Heimatgau zurück. Sie werden dort zur Verteidigung ihrer engsten Heimat gerade so ihren Mann stehen wie hier im Einsatz an der Oderfront … Heil Hitler!“

Zwölf Volkssturmmänner waren noch mit der Spange zum EK II ausgezeichnet worden, 29 Männer mit dem EK II und 47 Männer mit dem Sturmabzeichen.

Willi Stahl kam glücklich wieder Tauberscheckenbach

Die Rückfahrt von der Oderfront ins Frankenland war wegen Bomber- und Tieffliegerangriffen höchst gefährlich. An der bayerischen Grenze versuchte sich jeder in seinen Heimatort durchzuschlagen. Der Tauberscheckenbacher Willi Stahl und der Rothenburger Hans Schleeh gerieten nach einer abenteuerlichen Irrfahrt in amerikanische Gefangenschaft. Willi Stahl wurde bald wieder entlassen und kam am 18. Mai 1945 wieder auf seinem Bauernhof an, auf dem lediglich die Scheune abgebrannt war. „Wie freuten sich meine lieben Angehörigen und ich des heilen Wiedersehens.“

Volkssturm-Armbinde

Volkssturm-Armbinde

Die toten Rothenburger der Oderfront

Nicht alle hatten ein Wiedersehen in der Heimat. Aus Rothenburg fielen an der Oderfront die Volkssturmmänner Bauer, Gumbrecht (Habelsee), Gerlinger (Hartershofen), Gögelein (Gailshofen), Hündlein, Friedrich Klein, Leonhard Knausenberger (Schweinsdorf), Leder (Linden), Nagel (Steinsfeld), Neumeister (Habelsee), Michael Rummel (Lohrbach), Fritz Schlump, Hans Störzer, Johann Vogt (Hemmendorf), Johann Vorlaufer, Karl Weihermann; in Rothenburg standrechtlich erschossen, weil er die das Volkssturm-Bataillon Franken an der Oderfront unerlaubt verließ: Johann Rößler. Vermisst (Stand 1965): Ehnes (Insingen), Johann Junker (Pleikartshof), Klais (Ruckershofen). – (Siehe auch „Ein SS-Standgericht verurteilte den Rothenburger Johann Rößler in seiner Heimatstadt wegen Defätismus zum Tode“ und  „Der Volkssturm war das letzte sinnlose Propaganda-Aufgebot mit Kranken, Jungen, Alten, Fußlahmen und Kurzsichtigen, um die Dörfer vor den US-Armeen zu schützen und die Ostgrenze gegen die Rote Armee zu verteidigen“ in dieser Online-Dokumentation.)

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Quellen: Hanns Baron Freytag von Loringhoven: „Das letzte Aufgebot des Teufels. Dramatischer Einsatz des Volkssturmbataillons 7/108 Franken, Selbstverlag o. J. (Mitte der 1960er-Jahre, nach 1965). – Richard Schmitt: Ein bisher kaum gewürdigtes Kriegsverbrechen“, in: „Die Linde“ 3/2012,17–23. – G. Steffel „Die Tragödie des Volkssturmbataillons z.b.V. 2/1 Bayreuth“, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 69, Bayreuth 1989.
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