W. St. – Neben dem 1933 abgeschlossenen Kirchenvertrag, dem Reichskonkordat, bestand bereits das bayerische Konkordat vom 29. März 1924 als Staatskirchenvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Heiligen Stuhl. Dieses basierte auf dem bereits 1817 abgeschlossenen Konkordat, dessen Gültigkeit nach dem Sturz der Monarchie im Jahre 1918 angezweifelt wurde. Durch die bayerische Revolution endete das Bündnis zwischen Thron und Altar, die Bischöfe sollten ihren Amtseid nun auf den neuen Landesherrn, dem Volksstaat Bayern, ablegen. Neue rechtliche Formen des Miteinanders von Staat und Kirche waren notwendig geworden. Es entstand die so genannte „hinkende Trennung“ der Kirche vom Staat.
Staatsvertrag regelte auch das Finanzielle – bis heute
Die Weimarer Republik hatte neue Tatsachen geschaffen und die Präsentations- oder die kirchenregimentlichen Besetzungsrechte des Ancien Régimes wurden durch die Weimarer Verfassung ungültig. Jede Religionsgemeinschaft verleiht seither „ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde“. Ausgehend von dieser neuen verfassungsrechtlichen Lage umriss Nuntius Pacelli, der spätere Papst Pius XII., die Zielvorstellungen für ein künftiges Konkordat, die später Eingang in den Vertrag fanden.
Der bayerische Landtag und die Staatsregierung stimmten den Verhandlungen 1920 zu. Die Staatsregierung hoffte, mit dem Konkordat die völkerrechtliche Stellung Bayerns im Reich herausheben zu können. Die katholische Kirche drängte ihrerseits aus diesem Grund auf einen zügigen Abschluss mit Bayern, um in den parallel laufenden Verhandlungen mit dem Reich trumpfen zu können. Durch einen innerkirchlichen Streit um die Ernennung von Bischöfen wurden die Verhandlungen in Bayern allerdings verzögert und kamen erst 1924 zum Abschluss, dennoch als erster vor dem Reich (1933) und den anderen Gliedstaaten.
Inhalt des Konkordats von 1924
Unter Zustimmung der Reichsregierung wurden u. a. folgende Vereinbarungen getroffen: Kollektive Glaubensfreiheit, Garantie des Erhalts und der Mehrung des Vermögens von katholischer Kirche und Orden, Erhebung der Kirchensteuern durch das Finanzamt. Geregelt wurde die Errichtung von Konkordatslehrstühlen an Universitäten, der Religionsunterricht wurde als ordentliches Schulfach unter Fachaufsicht der katholischen Kirche eingeführt, Konfessionsschulen wurden Eltern zugestanden, die ihre Kinder auf solche schicken wollten.
Auch regelte das Konkordat die umfangreichen Rechtsverpflichtungen des Staates gegenüber der Kirche. Rechtsgrund dazu lieferte der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und die Weimarer Verfassung von 1919: Staatsgeld für die Fonds der „Bischöflichen Stühle“ und ihre Domkapitel, eine standesgemäße Wohnung für Bischöfe und Domkapitulare durch den Staat, staatliche Versorgung der Generalvikare und bischöflichen Sekretäre, staatliche Beihilfen für Knaben- und Priesterseminare sowie Bezuschussung von Geistlichen bei Veränderungen von Pfarrstellen, Einrichtung von Anstaltsgeistlichen, die dann vom Staat bezahlt wurden, Nichteinmischung des Staates in kirchliche Verwaltungseinheiten und anderes mehr. Die Kirchen stellten dafür ……………………..
Innerstaatliche Umsetzung im Jahr 1925
Erst nach Paraphierung des Konkordats wurden Verhandlungen mit den beiden damaligen evangelischen Kirchen, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins und mit der Vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz, aufgenommen und am 15. November 1924 separate Verträge unterzeichnet. Noch am selben Tag legte die Regierung dem Landtag ein Gesetz vor, das die drei Verträge verklammerte. Auf diese Weise versuchte die bayerische Staatsregierung, die weit reichenden Zugeständnisse an die Kirchen zu retten. Der Landtag nahm das Gesetz am 15. Januar 1925 an. Befürworter waren die Bayerische Volkspartei (BVP), der Bayerische Bauernbund und die Bayerische Mittelpartei (DNVP). Dagegen stimmten die SPD und die KPD sowie der Völkische Block.
Weitergeltung des Staatsvertrags von 1924
Der Fortbestand des Konkordats von 1924 wurde in Artikel 2 des Reichskonkordats von 1933 garantiert, insbesondere auch katholische Bekenntnisschulen (Artikel 23). Im Kampf des Regimes gegen die Bekenntnisschulen erfolgte 1938 deren Beseitigung in ganz Bayern. Anfänglich wurde durch Einschüchterung und Propaganda versucht, Eltern dazu zu bewegen, ihre Kinder auf der „Deutschen Gemeinschaftsschule“ einzuschreiben. Gegenmaßnahmen der Kirche wurden konkordatswidrig brutal unterdrückt und Kirchenleute wie Johannes Neuhäusler oder Rupert Mayer auf Grund ihres Eintretens für die Bekenntnisschule in Konzentrationslager eingeliefert. Im Oktober 1938 wandelte das Kultusministerium die letzten Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen um. In der Nachkriegszeit brach der Streit um Schulen und Universitäten zwischen Staat, Kirche und Universitäten wieder aus.
Staat und Kirche blieben eng verknüpft – Bekenntnisschulen haben Vorrang
Volksschule und die Verträge mit den Kirchen sind über Art. 135 Bayerische Verfassung (BV) eng miteinander verknüpft. Bayern wie die meisten anderen Bundesländer orientierten sich nach dem Zusammenbruch des Reichs 1945 im Wesentlichen wieder an den Rechtszustand Staat – Kirche vor 1933. In Art. 135 der Verfassung des Freistaats Bayern vom 2. Dezember 1946 wurde der Vorrang der Bekenntnisschule gegenüber der Gemeinschaftsschule festgelegt. Nach langwierigen parteipolitischen Auseinandersetzungen erging das Schulorganisationsgesetz vom 8. August 1950, das die Vorrangstellung der Bekenntnisschule bekräftigte. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof bestätigte die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Damit war die schulpolitische Diskussion in Bayern zunächst beendet, obwohl die starke konfessionelle Mischung der bayerischen Bevölkerung nach 1945 immer wieder besondere Probleme des Minderheitenschutzes aufwarf. Erst das im Zuge der Landschulreform erlassene Volksschulgesetz vom 17. November 1966 brachte durch die Einführung des „Minderheitenlehrers“ eine Annäherung der beiden Schultypen.
Volksbegehren zwang zum Handeln
Zur Überwindung der Konfessionsschule einen Konflikt mit der katholischen Kirche auszutragen, waren Staatsregierung und CSU-Landtagsmehrheit lange nicht bereit. Erst als die Oppositionsparteien SPD und FDP 1967/68 ein Volksbegehren zur „christlichen Gemeinschaftsschule“ anstießen, beschloss die Staatsregierung zu handeln. Nach Rücksprache der CSU mit dem Vatikan einigten sich die drei Landtagsfraktionen auf ein gemeinsam erarbeitetes Gesetz, die Volksschule als gemeinsame Schule zu erklären, in der nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet wird. Ein entsprechender Volksentscheid bestätigte 1968 dieses Gesetz mit 76,3 Prozent. Für den Verlust an kirchlichen Rechtspositionen durch die Einführung der Gemeinschaftsschule wurde der katholischen Kirche weitere so genannte Konkordatslehrstühle an den Hochschulen Würzburg und München zugestanden.
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