Deutsche Kriegsgefange drei Monate lang am Topplerweg – 500 Wehrmachtssoldaten, darunter 70 Offiziere, arbeiteten in der Landwirtschaft und räumten Trümmerschutt

Deutsche Kriegsgefangene bei der Arbeit

Deutsche Kriegsgefangene bei der Arbeit

Von Wolf Stegemann

Ab Mai 1945, nachdem die US-Amerikaner Rothenburg besetzt hatten, bis August des Jahres  bestand im ehemaligen Reichsarbeitsdienstlager im Bereich der heutigen Topplerschule ein Kriegsgefangenenlager für deutsche Soldaten. Belegt war das Lager mit 500 Soldaten, darunter 70 Offiziere. Verpflegt wurde sie aus deutschen Heeresbeständen, die von der amerikanischen Militärbehörde beschlagnahmt worden waren. Zusätzliche Verpflegung musste von der Stadt und vom Roten Kreuz gestellt werden. Die Gefangenen mussten arbeiten. Eingesetzt wurden sie in Kolonnen bei der Heu- und Kartoffelernte in den Dörfern des Bezirks rund um Rothenburg. In Rothenburg selbst mussten sie – organisiert als „Commando of the Camp of German Prisoners of War“ – den Schutt der Kriegszerstörungen räumen.

Landrat Hans Wirsching erarbeitete Arbeitskonzept für Kriegsgefangene

Lagergebäude am Topplerweg (spätere Topplerschule)

Lager am Topplerweg (spätere Topplerschule)

In einem mehrseitigen Brief vom 5. Juni 1945 machte sich der beim Einmarsch der Amerikaner von ihnen als Landrat eingesetzte vormalige Stadtamtmann Hans Wirsching Gedanken darüber, wie die deutschen Kriegsgefangenen zur Arbeit herangezogen werden können. Da kam ihm seine Erfahrung aus den Kriegsjahren zugute, als er kriegsgefangene Russen, Polen sowie Zwangsdeportierte für die Arbeit in der Stadt zu verteilen hatte. Der größte Arbeitskräftemangel, so schrieb er 1945, herrsche in der Landwirtschaft, die für die Erzeugung und damit für die Volksernährung wichtig sei. Daher sollten die Gefangenen in erster Linie in der Landwirtschaft arbeiten.

„Da es aber in unserem Kreise keine größeren Höfe gibt, die einen größeren Trupp von Gefangenen auf einmal beschäftigten können, müssten die Gefangenen auf Gemeinden verteilt  und in kleinen Lagern in Gruppen von 10 bis 30 Mann untergebracht werden. Solche Lager bestehen von früher her fast in allen Gemeinden. Die Gefangenen würden von Bauern verpflegt und damit wäre auch die Verpflegungsfrage gelöst. Auf diese Weise könnten mindestens 800 Gefangene in Arbeit kommen.“

Gleise und Wagen der Schmalspurbahn aus Oberscheckenbach

Schienen in der Galgengasse 1945

Schienen in der Galgengasse 1945

Auch schlug Wirsching der US-Militärregierung vor, die deutschen Gefangenen für den Wiederaufbau der am 31. März zerstörten Stadtteile einzusetzen. Es müssten zuerst an den Schadensstellen die Trümmer beseitigt, Eisenteile, verwertbares Material (Ziegel) aus dem unbrauchbaren Schutt aussortiert werden. Unbrauchbare Metallteile sollten abgefahren und brauchbares Material am Bauplatz aufgeschüttet werden. Da es dafür wenig Platz gab, sollten eigens vom Verkehr abgelegene Plätze geschaffen werden, zum Beispiel auf dem Kapellenplatz und dem Messplatz an der Schranne. Gleise und Wagen, die es in Rothenburg nicht gibt, können am Flugplatz Oberscheckenbach abgeholt werden, wo große Mengen davon liegen.
Weiter schrieb Hans Wirsching, dass, wenn man an die Arbeit so heranginge, planerisch zuerst die ältesten Stadtteile (13.-15. Jahrhundert), dann den zweiten alten Stadtteil (16.-19. Jahrhundert) und dann die Stadtteile außerhalb der Mauer berücksichtigen und nach dieser Einteilung zuerst die Straßen und Gassen freimachen. Die Arbeiten der deutschen Kriegsgefangenen sollten unter Aufsicht und Leitung von den von der Stadt abgestellten Vorarbeitern in Kolonnen von 5 bis 10 Mann je nach Größe des Arbeitsplatzes durchgeführt werden. So können gleichzeitig an 10 bis 30 Plätzen 200 bis 300 Mann eingesetzt werden. Die Arbeitsplätze müssten von Zeit zu Zeit von einem denkmalkundigen Mann besichtigt werden, der darauf achtet, dass die baugeschichtlich wichtigen und interessanten Bauteile ausgesondert und gesondert gelagert werden. Wirsching beschreibt dann noch die Wichtigkeit des Brückenbaus und des Ernteeinsatzes. Vier bis sechs Kolonnen könnten im Wald Bäume schlagen und das aufgearbeitete Holz zum Wiederaufbau verwenden bzw. zur Brennholzversorgung.

Kriegsgefangene arbeiten bei Bauern und räumten Trümmerschutt

Das Schmuggeln von Briefen und Lebensmitteln unter Strafe gestellt

Das Schmuggeln von Briefen und Lebensmitteln wurde unter Strafe gestellt

Offensichtlich fand dieser von Hans Wirsching geplante Einsatz bei dem Amerikanern Gehör. Denn am 30. Juni schrieb der Landrat an die Bürgermeister der Kreisgemeinden, dass die deutschen Kriegsgefangenen zur Heu- und Getreideernte eingesetzt werden können. Dieser Einsatz erfolgte in Gruppen von 30 Mann unter militärischer Bewachung. Ein Militär-LKW brachte die Gefangenen auf die Bauernhöfe und abends zurück in das Lager in Rothenburg. Mittags und abends wurden die Gefangenentrupps von den Gemeinden verpflegt, in denen sie arbeiteten. Auch legten die Kriegsgefangenen in die zerstörten Straßen der Stadt Gleise für die Schmalspurbahn. Allerdings kam es zu keiner anhaltenden Räumungsaktion durch diese Kriegsgefangenen, denn das Lager wurde schon im August wieder aufgelöst und die deutschen Kriegsgefangenen von Rothenburg abgezogen und woandershin verbracht.

Brief- und Lebensmittelschmuggel am Lager strengstens verboten

Da offenbar der Briefschmuggel über den Zaun des Gefangenenlagers am Topplerweg florierte, erließ Rothenburgs Bürgermeister Friedrich Hörner auf Veranlassung der Amerikaner am 16. Juni 1945 eine Bekanntmachung:

„Verschiedene Vorkommnisse veranlassen die Leitung des Rothenburger Kriegsgefangenenlagers zu folgenden Anordnungen. Jeder direkte mündliche und schriftliche Verkehr, ebenso jede direkte Abgabe von Lebensmitteln und sonstigen Spenden ist verboten. Die nach wie vor dringend erwünschten Spenden können unseren deutschen Kriegsgefangenen nur noch durch Vermittlung des Roten Kreuzes zugeleitet werden. … Bei jedem Versuch, mit den Kriegsgefangenen in direkten Verkehr zu kommen, ist in Zukunft mit Verhaftung und sonstigen unangenehmen Folgen zu rechnen.“

Am 20. Juni ließ die US-Militärregierung im und rund um das Lager Hinweisschilder anbringen:

„Es ist verboten, Lebensmittel, Briefe und sonstige Benachrichtigungen der Gefangenen des Kriegsgefangenenlagers von Rothenburg o. T. durch die Umzäunung zu reichen. Zuwiderhandelnde Personen werden festgenommen und bestraft.“ Arthur G. Bull, 1st Lt. AC, Military Government Officer, Commanding.”

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Quelle: Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber
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