Der Briefschreiber war Karl Schmitt, Vater des Rothenburgers Dr. Richard Schmitt, der diesen Brief in der Zeitungsbeilage „Linde“ 2012 veröffentlichte. Sein Vater war gerade 24 Jahre alt, als er diesen Brief, in dem er von dem tragischen Tod eines Soldaten im Lazarett Wildbad berichtet, an seine Familie geschrieben hatte. Karl Schmitt wuchs mit zwei Brüdern in Frankenberg bei Uffenheim auf und war der Sohn des von Poellnitzschen Försters und Wirtshauspächters Andreas Schmitt und dessen Ehefrau Anna. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Friseur in Rothenburg, wurde als Soldat eingezogen und tat 1939/40 Dienst im Reservelazarett Wildbad. Später war er im Einsatz in Frankreich und bis Kriegsende in Weißrussland und Polen. – Über den Denunzianten ist leider nichts bekannt.
„Rothenburg o. d. T., den 18. 2. 40 Meine Lieben!
Heute ist ein unglücklicher Tag. Ich sitze an der Maschine und will euch berichten. Gestern hatte ich eine große Freude, dass mein Urlaub genehmigt war. Ich ging zu Walter und um halb acht Uhr ging ich zur Bahn und zeigte meinen Urlaubsschein vor. Da sagte der Beamte, der mich kennt, ja mein Lieber, da hast du Pech, der Zug nach Würzburg fällt aus, der nächste geht um 13.20. Da stand ich nun mit meinem Talent. Ich konnte nichts anderes tun als umkehren. Zuerst sagte ich es Walter und dann ging ich halt wieder in das Wildbad zurück. Hier fand ich die Karte von Richard vor. Er ist also noch immer bei euch und Fritz ist weg. Mutter ist noch immer nicht ganz gesund. Ein Wunder ist nur, dass Vater noch immer gegen den Schnee ankämpfen kann. […]Bei uns ist ein Kommen und Gehen. Jeden Tag kommen welche und auch jeden Tag werden wieder welche zu ihren Ersatztruppenteilen entlassen. Morgen wird einer begraben. Er machte seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Die Sache war folgendermaßen:
Ein 44-jähriger Knecht (an Ischias erkrankt) lag bei einem SS-Mann im Zimmer und er sagte einmal nach der Führerrede folgendes: Er wisse nicht, wofür er kämpfen solle, für Bonzen kämpfe er nicht. Der SS-Mann meldete es dem Oberstabsarzt, dieser gab es weiter an das Kriegsgericht, er wurde vom hiesigen Gericht verhört und das machte ihn fertig. Er sagte, einsperren lässt er sich nicht. Zu den Mädchen sagte er: Heute Nacht hänge ich [mich auf. Er wurde nicht ernst genommen. Doch früh am andern Tag] fand ihn dann Uffz. Bonner im Abort am Wasserleitungsrohr erhängt vor.
Natürlich große Aufregung. Wir hatten den ganzen Tag zu schreiben und zu Telefonieren. Um 12 Uhr traten wir alle an, der Pfarrer segnete ihn aus und er wurde fortgefahren. Der SS-Mann ist erst 18 Jahre und schaut jetzt recht blöd drein. Die Hauptsache ist, dass er [der Tote] keine Frau hat. Aber seine Mutter lebt noch und sein Bruder hat den Hof und war gestern da. Was es für Schicksale gibt. Aber ihr braucht es nicht weiterzuerzählen.
Da jetzt die Post bald abgeholt wird, schließe ich und wünsche euch eine baldige Befreiung von dem Schnee und allen Gesundheit und einen frohen Sonntag und bin
Euer Karl“
Red. Nachrecherche: Bei dem Toten handelt es sich um den 44-jährigen Dienstknecht Wilhelm Bach aus Archshofen. Er starb in der Nacht vom 15. zum 16. Februar 1940, zwischen 22.30 Uhr und 23 Uhr. Er gehörte der Division 173 in Nürnberg an. Auf Ersuchen des Disvisionsgerichts fand eine gerichtliche Leichenschau statt. Am 19. Februar wurde die Beerdigungsbewilligung durch das Amtsgericht Rothenburg erteilt. – Der Oberstabsarzt, der die Denunziation dess SS-Soldaten an das Kriegsgericht weitergegeben hatte, hieß Dr. Rudolph.
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