Von Robert Probst
„Der große Tag des Sieges über Deutschland ist gekommen. Von der Roten Armee und den Truppen unserer Verbündeten auf die Knie gezwungen, hat sich das faschistische Deutschland für besiegt erklärt und bedingungslos kapituliert“, sagte Josef Stalin in einer Radioansprache an die Sowjetvölker am 9. Mai. Ein Tag der Freude, hieß es überall in der Welt, bald sprach man vom VE-Day („Victory in Europe“). Gefeiert wurde das Ende eines Krieges, der ohne Beispiel war. Ein Krieg, der bis zu 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte. Im letzten Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht heißt es: „Der deutsche Soldat hat, getreu seinem Eid, im höchsten Einsatz für sein Volk für immer unvergessliches geleistet.“
Adolf Hitler hatte den Zweiten Weltkrieg am 1. September 1939 gegen 4.45 Uhr mit dem Überfall auf Polen begonnen. Am 8. Mai 1945 um 23.01 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit schwiegen die Waffen. Dazwischen lagen 2.077 Tage Tod, Mord, Elend und Zerstörung in kaum vorstellbaren Dimensionen. Der Zweite Weltkrieg war der größte Konflikt der Weltgeschichte, nur wenige Staaten blieben während der knapp sechs Jahre neutral, in Europa lediglich die Schweiz, Schweden, Spanien und Portugal.
Hitler hatte den Krieg von Anfang an als Expansions- und Vernichtungskrieg im Sinne seiner Weltherrschafts- und Rassenideologie geführt. Ziele waren die Ermordung der „bolschewistischen Führungsschicht“ im Osten und die Ausrottung der Juden in Europa. Wie nie zuvor wurde auch die Zivilbevölkerung in die Kriegshandlungen involviert. Mit Abstand die meisten Opfer waren in der Sowjetunion zu beklagen. Weit mehr als zehn Millionen Zivilisten überlebten das deutsche Schreckensregiment nicht, andere Forscher rechnen mit bis zu 17 Millionen Toten. Die Zahlen können freilich nur geschätzt werden. Besonders schlimm traf es auch Polen, dort starben mehr als sechs Millionen Menschen. Nicht erfasst ist die Zahl deutscher Zivilopfer. Bei Luftangriffen sind wohl mehr als 500.000 Menschen gestorben, während der Flucht aus den östlichen Provinzen oder der organisierten Vertreibung bis zu zwei Millionen Deutsche. In den Konzentrations- und Vernichtungslagern kamen sechs Millionen Juden ums Leben. Sie wurden ins Gas getrieben, erschossen, „durch Arbeit vernichtet“ oder starben an Unterernährung und Krankheiten – ein Zivilisationsbruch ohnegleichen. Insgesamt dürften im Krieg weit mehr als 30 Millionen zivile Opfer zu beklagen gewesen sein.
Neueste Forschungen beziffern die Zahl der gefallenen Rotarmisten auf mindestens 15 Millionen, die der Wehrmacht auf 5,3 Millionen. Das NS-Regime hatte insgesamt 18,3 Millionen Männer mobilisiert. Lange Jahre war die Forschung von drei bis vier Millionen toten Soldaten ausgegangen, doch inzwischen ist klar, dass die Bedeutung der Endkämpfe unterschätzt worden ist. Bis zum Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 waren „erst“ 2,7 Millionen Wehrmachtsoldaten gefallen. Dies bedeutet: Knapp die Hälfte aller Verluste hatten die Deutschen in den letzten zehn Monaten vor der Kapitulation zu beklagen – als der Ausgang des Krieges bereits nicht mehr angezweifelt werden konnte. In den letzten 50 Tagen starben aller Wahrscheinlichkeit nach mehr als 500.000 deutsche Soldaten. In sowjetischer Kriegsgefangenschaft sind etwa eine Million Deutsche zu Tode gekommen. Die Amerikaner beklagten 175.000 Tote in Europa, die Briten 260.000. Ebenfalls nur schätzen lässt sich die Gesamtzahl der Verwundeten mit mindestens mittelschweren Verletzungen, genannt werden 35 Millionen; drei Millionen galten als vermisst.
Im Pazifik und in Ostasien dauerte der Zweite Weltkrieg wesentlich länger. Schon seit 1937 hatte es harte Kämpfe zwischen den in China eingedrungenen Japanern und der chinesischen Armee gegeben. 1941 griff Japan die USA an. Insgesamt wird die Zahl der Toten auf mehr als 20 Millionen geschätzt, der Krieg endete erst am 14. August 1945 nach dem Abwurf zweier Atombomben durch die US-Luftwaffe auf die Städte Hiroshima und Nagasaki .
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Quelle: Die letzten 50 Tage, Verlag der Süddeutschen Zeitung, 2005; mit freundlicher Genehmigung.