Entnazifizierung (23): Polizei-Kommissar Alfons Wörthmann musste sich gegen den Vorwurf wehren, die jüdische Familie Mann schickaniert zu haben – Eid stand gegen Eid

Von Wolf Stegemann

Er war als „Belasteter“ in die Gruppe IV eingestuft worden, zu dem die Voraussetzungen gegeben waren, vor allem eine Belastung durch den früheren jüdischen Einwohner Justin Mann, der 1937 von Rothenburg in die USA emigrieren musste und 1943 die US-Bürgerschaft verliehen bekam. Er sagte vor einem Richter in Vineland, New Jersey, aus, dass der Landpolizei-Kommissar Alfons Wörthmann aktiv dabei war, als die Geschäftsbücher der Gebr. Mann beschlagnahmt und auf die Rothenburger Gendarmerie-Station gebracht wurde, um dort nach Übervorteilungen der Kunden, Bauern, durchgesehen zu werden. Die Spruchkammer stellte dann fest, „dass die gegen den Betroffenen ausgesprochenen Belastungen nicht zutreffen“. Das Verfahren wurde aufgrund der Weihnachtsamnestie eingestellt und der Gendarmerie-Kommissar somit in den Staus „des vom Gesetz nicht betroffenen“ versetzt.

Geschäftsbücher wurden auf der Polizeiwache geprüft

Alfons Wörthmann, geboren 1897 in Hundelshausen, war zuletzt Preis-Kommissar in Rothenburg ob der Tauber und hatte die Verkaufspreise zu überwachen. Von 1938 bis 1945 war er Mitglied der NSDAP und von drei weiteren Parteigliederungen, allerdings jeweils ohne Amt. Dieses hier geschilderte Spruchkammerverfahren war bereits das zweite. Im ersten ist er verurteilt worden. Die Spruchkammer verhandelte erneut, da der Betroffene in eine günstigere Gruppe eingestuft werden wollte. Aufgrund von Zeugenvernehmungen und Aussagen stellte die Spruchkammer dann für Wörthmann entlastend fest, dass die oben erwähnte Aktion gegen die jüdische Viehhandelsfirma Gebr. Mann im März 1933 von der SA angezettelt und zusammen mit der SS durchgeführt worden war. Gendarmerie und Polizei waren davon nicht in Kenntnis gesetzt worden. Hintergrund der SA- und SS-Aktion war eine von der Staatsanwaltschaft Ansbach angeordnete schikanöse Bücherrevision in dem jüdischen Unternehmen. Zu diesem Zweck waren die Geschäftsbücher und andere Unterlagen auf die Gendarmerie-Station gebracht worden, wo sie von einem vereidigten Revisor und dessen Assistenten geprüft wurden.

Als darüber der „Fränkische Anzeiger“ berichtete, meldeten sich bei der Polizei-Station „eine Anzahl von Bauern, die wegen „Übervorteilung oder Geschäftsschädigung“ Geldforderungen an das jüdische Unternehmen erhoben. Die Spruchkammer stellte fest:

„Die Vernehmungen der dort vorsprechenden Bauern wurde von dem damaligen Gendarmeriestationsführer Heckel durchgeführt, wobei Alfons Wörthmann als Unterstellter mit dabei war. Es ist als erwiesen anzusehen, dass sich dabei der Betroffene keine Beschimpfungen oder Bedrohungen der Juden hat zuschulden kommen lassen. … Er hat auch keine Bauern zur Anzeige gegen die Gebr. Mann veranlasst oder gezwungen, was die Bauern auch gegenüber der Spruchkammer bestätigten.“

Wörthmann wurde ausnahmsweise vereidigt

Da der Betroffene die ihm von Justin Mann zur Last gelegten beleidigenden und verwerflichen  Äußerungen und Handlungen entschieden bestritt und dafür auch keine Zeugen vorhanden waren, erfolgte wegen des rechtlichen Beweisnotstands auf Antrag des Öffentlichen Klägers die Vereidigung von Alfons Wörthmann. Nun stand der Eid des Juden Justin Mann gegen den Eid des beschuldigten Polizisten Wörthmann. Eine brisante Situation.

Die Spruchkammer stelle des Weiteren fest, dass durch umfangreiches Beweismaterial geklärt werden konnte, dass „der Betroffene in keiner Weise aktivistisch oder propagandistisch sich für die Ziele des Nationalsozialismus“ betätigt hat.

„Auch Belästigungen anderer Personen im nationalsozialistischern Sinne oder Denunziationen konnten dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden.“

Zur Ausreise aus dem Sudetengau gaben ihm die Tschechen einen Lastwagen

In den letzten Kriegsjahren war Alfons Wörthmann als Gendarm im Sudetengau eingesetzt gewesen. Aus dieser Zeit konnte nichts Nachteiliges über ihn herausgefunden werden. Die tschechischen Behörden haben ihn nach dem Zusammenbruch 1945 „mit allen seinen Sachen aus der Tschechei herausgelassen“. Die Tschechen sollen ihm sogar einen Lastwagen zur Verfügung gestellt haben. Die Spruchkammer bewertete dies  als „Beweis seiner menschlichen Handlungsweise“, die auch bei den Tschechen Anerkennung gefunden habe. Zu seinen Gunsten wurde noch seine katholische Religiosität und Teilnahme an öffentlichen kirchlichen Veranstaltungen aufgeführt, so dass Alfred Wörthmann schließlich als „Mitläufer“ der Gruppe V eingestuft werden konnte. Als Sühne brauchte er keinen Geldbetrag zahlen, da auf ihn nach Artikel 13 des Befreiungsgesetzes die Weihnachtsamnestie zutraf.

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Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammer Rotheburg, Nr. 1155/W

 

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