Von Wolf Stegemann
Sieht man sein Bild, glaubt man, vom Aussehen her einen kleinen Dorf-Goebbels mit fränkischem Bauerneinschlag vor sich zu haben. Das mag auch täuschen, denn in den 1920er- und 30er-Jahren sahen viele Männer so aus. Bei dem dunkelblonden Georg Höfler mag das vielleicht nicht täuschen. Aufgrund seiner wichtigen Propaganda-Funktion in der NSDAP könnte er sich auch persönlich als „kleiner Goebbels“ gefühlt haben. Zumindest bis 1935, als er das Amt des Kreispropagandaleiters an den Chefredakteur des „Fränkischen Anzeigers“ Wilhelm (Willi) Junker abgab, der damals über seinen Vorgänger fast wie bei einer Beerdigung sagte: „Er war ein guter Kamerad, ein aufrichtiger, guter Mensch!“ Dieser gute Mensch hatte sich bis dahin in der Partei hochgedient, die in Rothenburg bekanntlich im Umgang mit anderen nicht gerade den Ruf der Zimperlichkeit genoss.
Träger des „Goldenen Parteiabzeichens“
Geboren wurde er 1897 in Schillingsfürst. Sein Vater Konrad Höfler war Berufssoldat, danach Gefängniswärter. In der Familie gab es viele Kinder. Georg besuchte von 1903 bis 1907 die katholische Volksschule in Rothenburg und bis 1912 die Realschule und erlernte in der Eisenwarenhandlung Hermann in Rothenburg den Beruf des Kaufmanns. 1916 zog er mit der Infanterie in den Krieg, wurde verwundet und betätigte sich 1919 im Freikorps Oberland, das nationalsozialistische war. Danach übernahm ihn die Reichswehr, er besuchte die Heeresfachschule für Verwaltung und Wirtschaft, wurde 1931 Beamtenanwärter im Bezirksamt Scheinfeld und ein Jahr später Beamter. Seine Beamtenlaufbahn setzte Georg Höfler ab dem 1. Juni 1933 beim Bezirksamt Rothenburg ob der Tauber fort. Da er schon Träger des „Goldenen Parteiabzeichens“ war, musste man ihm, dem „Alten Kämpfer“, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine offensichtlich bessere Arbeitsstelle bieten. 1939 ging er als Verwaltungsinspektor zur Stadtverwaltung Rothenburg, in deren Diensten er zumindest formell bis 1945 stand, da er im Oktober Soldat wurde.
Parteikarriere abgebrochen und in den Krieg gezogen
Der NSDAP war er 1928 mit der Mitgl.-Nr. 96.918 beigetreten, der SA 1933, in der er zuletzt den Rang eines Hauptsturmführers bekleidete. Er gehörte zu der Parteigruppe „Alte Kämpfer“, die vor 1933 in die Partei eingetreten waren. Wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe schrieb Höfler am 18. September 1946 zu seiner Verteidigung im Spruchkammer-Verfahren: „Gerade die Mehrzahl der Alten Kämpfer hat nicht aus Egoismus und persönlichem Ehrgeiz heraus sich zur NSDAP bekannt, denn da war damals wirklich nichts zu erben, sondern aus Idealismus.“ Georg Höfler wurde in der Partei 1933 Kreispropagandaleiter im Dienstrang eines Kreisamtsleiters. Nach eigenen Angaben trat Höfler als solcher öffentlich nicht in Erscheinung, da „ich weder die Veranlagung zum Redner hatte noch jemals den Ehrgeiz verspürte, mich reden zu hören“. Wie er schrieb, überließ er das lieber den Propagandaleitern der untergeordneten Ortsgruppen. Auch gehörte Georg Höfler dem Rothenburger Stadtrat an. Da glaubte er, „schon bald im inneren Parteigefüge kaltgestellt“ worden zu sein, „weil ich an der Person, der Lebensweise und den Maßnahmen Julius Streichers offen und scharf Kritik übte“. So glaubte er auch, dass er seit seinem Übertritt in die Stadtverwaltung von der Partei „ausgeschaltet war und nur noch als Propagandaleiter vorgeführt wurde“.
- Wer diese Einlassungen von nach 1945 liest und die der anderen NSDAP-Funktionäre, stellt sich unvermittelt die Frage, wer denn den Nationalsozialismus in Rothenburg praktiziert hat, wer Hetze gegen die Juden betrieben und sie dann gewaltsam vertrieben hat. Der Leser gewinnt den Eindruck, dass es eigentlich niemand gewesen war!
Georg Höfler war Mitglied in noch weiteren fünf politisch aber unwichtigen NS-Verbänden. 1939, als der Krieg begann, wechselte er die Parteiuniform mit der des Militärs, verließ die Partei, blieb aber bis 1945 in der SA. Die Gründe seines in solchen Kreisen unüblichen Austritts und frühen Kriegseinsatzes sind nicht bekannt. Bekannt ist allerdings, dass die Partei ihre Funktionsträger an die Front schickte, wenn irgendetwas vorgefallen war, um den Parteigenossen aus der Schusslinie der Bevölkerung zu nehmen, wenn dies erforderlich war. Beispielsweise hat man den langjährig NSDAP-Ortsgruppenleiter aus dem westfälischen Dorsten 1942 zur Wehrmacht geschickt, als dessen Sekretärin von ihm ein Kind erwartete und die Bevölkerung darüber tuschelte. Wie gesagt, bei dem Rothenburger Höfler sind die Gründe, wenn es überhaupt welche gegeben hat, nicht bekannt.
Ortsgruppenchronik der NSDAP geführt
Als Propagandaleiter der Rothenburger NSDAP-Ortsgruppe sorgte er schon frühzeitig dafür, dass die Partei ins rechte Licht der Bevölkerung und Zeitungsleser rückte. Er führte die Ortsgruppenchronik, auf die sich Dieter Balb bei seinen Recherchen für seine 1983 erschienene FA-Serie über den Nationalsozialismus in Rothenburg beziehen konnte.
Nach Gefangenenlager und Internierung amnestiert
Nach Beginn des Krieges, ging Georg Höfler schon am 1. Oktober 1939 zur Luftwaffe, war bis 1944 Unteroffizier bei der 193. Flakabteilung in Illesheim, war in der Tschechoslowakei im Einsatz und wurde im März 1944 zur Flakabteilung 364 auf die Kanalinsel New Jersey versetzt, wo er bei Kriegsende in Gefangenschaft geriet. Mit der P.O.W.-Nr. B 33844 (= Prisoner of War) arbeitete er freiwillig im Gartenbau des Gefangenenlagers 18 in Haltwistle (Northumberland), danach als Leiter einer Gartenbaugruppe in Camp 184 in Lanmartin (Großbritannien). Nach seiner Entlassung Mitte 1948 kam er wegen seiner Parteifunktionen in das Internierungslager Nürnberg-Langwasser. Allerdings nicht lange. Von dort wurde er am 10. August 1948 nach Rothenburg entlassen, wo er wieder in der Burggasse 11 Wohnsitz nahm. Seine Internierungshaft bewertete Georg Höfler, da er sich ja unschuldig wähnte, als „erlittene Freiheitsberaubung“, für die er Entschädigung verlangte, nämlich ihn bei der Entnazifizierung in die Gruppe der „Minderbelasteten“ einzureihen und ihn mit keinerlei Sühnemaßnahmen weiterhin zu belasten.
Georg Höfler denunzierte Rothenburger beim Finanzamt
Von der Entnazifizierungs-Spruchkammer Rothenburg wurde er am 9. September 1948 als „aktiver und überzeugter Nationalsozialist“ dargestellt, der als Propagandaleiter „viel zur Stärkung der NS-Idee beigetragen“ hatte und die „Judenhetze der Partei unterstützte“. Der frühere NS-Bürgermeister von Rothenburg, Dr. Friedrich Schmidt, den in den 1950er-Jahren die Rothenburger wieder in den Stadtrat wählten, wo er rechtsradikales Gedankengut (weiter) verbreiten konnte, stellte seinen früheren Parteigenossen Georg Höfler einen „Persilschein“ zur Weißwäsche aus. Unter Eid schrieb Schmidt am 2. August 1947: „Er blieb immer ein anständiger Mensch, der nur seiner Heimat und ihren Menschen dienen wollte!“ Und die nachgewiesene Judenhetze Höflers? Ach ja! Juden gehörten nicht zur Heimat und die NS-Propaganda veröffentlichte jede Woche über den „Stürmer“, dass Juden keine Menschen seien! Höfler war NS-Propagandist!
Am 9. Dezember 1936 denunzierte er in einem Brief der NSDAP-Kreisleitung an das Rothenburger Finanzamt eine Reihe von Rothenburger Bürgern, die nicht für das Winterhilfswerk spendeten, sondern dies als unsoziale Einstellung anprangerten, und meldete zwei Personen, die noch mit Juden handelten und verkehrten. „Durch ihr Verhalten“ würden sie „das jüdische Element stützen“. Um einen der beiden „Elemente“ handelte es sich um Georg Utz, Landwirt in Neusitz, der Anfang Oktober „mit dem Juden Mann“ in Rothenburg eine Kuh tauschte.
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Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammer Rothenburg/Tauber, Nr. H. 172