Von Wolf Stegemann
August Müller gehörte zu den evangelischen Geistlichen, die sich der Reichskirche „Deutsche Christen“ angeschlossen hatten. Somit galt er als Nationalsozilist, als ein solcher er auch agierte. In Rothenburg stand er als Pfarrer der Hl. Geist-Gemeinde im Spitalhof vor. Die Spruchkammer stufte ihn am 29. August 1949 unter Vorsitz von Guido Chemnitzer als „minderbelastet“ in Gruppe III der Entnazifizierung ein. Beisitzer waren Michl Emmerling, Michael Meyer, Jakob Rüdinger und Hans Stein, Öffentlicher Kläger Kurt Holstein.
Der NSDAP die Treue bis zum Zusammenbruch gehalten
Dem Pfarrer wurde vorgeworfen, von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP gewesen zu sein sowie in fünf anderen NS-Organisationen. Der Deutschen Christenbewegung, eine von der Partei gesteuerte nationalsozialistische Religionsgemeinschaft, gehörte er von 1933 bis 1938 an. Zudem hatte Pfarrer August Müller am 16. Dezember 1933 einen Aufnahme- und Verpflichtungsschein in die SS unterschrieben und eingereicht.
Weil ihm ein Bein fehlte, keine SS-Mitgliedschaft
August Müller wurde 1892 in Kitzingen geboren, war verheiratet, kam 1918 als Pfarrer nach Mörlbach-Habelsee. In der Rothenburg/Uffenheimer Gegend war dieser Ort damals einer der Hauptstützpunkte der Völkischen Bewegung. 1932 kam er zum Evangelisch-Lutherischen Pfarramt der Spitalkirche nach Rothenburg ob der Tauber. Hier trat er am 1. Mai 1933 der NSDAP bei, der er bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches ohne Amt angehörte. Mit seinem Antrag um Aufnahme in die SS verpflichtete sich der Geistliche gleichzeitig schriftlich, sich für die Idee Adolf Hitlers einzusetzen, strengste Parteidisziplin zu wahren und die Anordnung der Reichsführung der SS und der Parteileitung gewissenhaft auszuführen. Er hat in dieser Verpflichtung weiter versprochen, die Bewegung mit allen Kräften zu fördern.
Mit der endgültigen Aufnahme von Pfarrer August Müller in die SS war damals nur der SS-Abschnittsarzt des SS-Abschnittes IX. nicht einverstanden. Der Grund lag nicht in politischer Anschauung, sondern in der körperlichen Behinderung des Pfarrers. August Müller war wegen einer Verletzung im Ersten Weltkrieg einbeinig; er trug links eine Prothese.
Die Spruchkammer bewertete die Nichtaufnahme des Pfarrers in die SS allerdings als nicht entlastend, sondern sie ließ vielmehr die Bereitschaft des Geistlichen zu den übernommen Verpflichtungen gelten. „Somit hat sich der Betroffene als überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erwiesen.“ Entlastend beurteilte die Spruchkammer allerdings, dass August Müller „parteipolitisch weder aktivistisch noch propagandistisch“ hervorgetreten sei, was mit heutigem Wissen angezweifelt werden kann.
Der Pfarrer sorgte für Unruhe in kirchlichen Kreisen Rothenburgs
August Müller hat die Deutsche Christenbewegung „wesentlich gefördert“ Die NSDAP unterstützte diese Organisation und wollte sie zur Einheitskirche im NS-Staat machen. Während die Bekennende Kirche am evangelisch-lutherischen Glauben festhielt, trachteten die Deutschen Christen, den Glauben zu germanisieren, was der nationalsozialistischen Ideologie entsprach. Die Spruchkammer:
„Das hat der Betroffene unterstützt. Er hat dadurch auch dazu beigetragen, dass es in Kirchenfragen zu einer offenen Spaltung der Gemeinde Rothenburg kam und hat damit viel Unruhe in den kirchlichen Kreisen der Bevölkerung verursacht.“
August Müller wurde auch vorgeworfen, dass er versucht hat, das Rothenburger Dekanat zu übernehmen, „um so einen Stützpunkt für das neue im Sinne der Deutschen Christenbewegung gelegene Kirchenregiment zu schaffen“. Zu diesem Zweck forderte Pfarrer August Müller im Bewusstsein der Zustimmung der Partei vom Dekanat die Herausgabe der Kirchenstempel und -siegel. Dekan Schober und die anderen Pfarrer lehnten das ab und betrachteten Müllers Vorhaben als einen „Eingriff in deren Rechte“. Die Spruchkammer kam in ihrem Urteil zu dem Schluss:
„Durch die Beweisaufnahme im mündlichen Verfahren hat die Kammer festgestellt, dass der Betroffene an sich zur Gruppe der Belasteten gehört, jedoch einer milderen Beurteilung würdig erscheint und nach seiner Persönlichkeit erwarten lässt, dass er nach Bewährung in der festgesetzten Probezeit seine Pflichten als Bürger eines friedlichen demokratischen Staates erfüllen wird.“
August Müller, Pfarrer a. D. mit Wohnsitz Spitalhof Nr. 1, wurde als „minderbelastet“ in die Gruppe III eingestuft mit der milderen Form einer zweijährigen Bewährung. In dieser Zeit durfte er neben anderen Verboten nicht predigen.
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Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammer Rothenburg, 41199/Ro/Mü