Von Wolf Stegemann
Nicht nur Personen wurden entnazifiziert, sondern auch Häuser und Wohnraum, wie aus einem Rundschreiben des bayerischen Arbeitsministers Albert Rothaupter vom 18. September 1946 an Regierungspräsidenten, Oberbürgermeister, Landräte und Landessiedlungsämter hervorgeht. In der Betreff-Zeile heißt es: „Anwendung der Anordnung des Bayer. Arbeitsministeriums vom 12. 6. 46 über Entnazifizierung von Wohnraum“. Anlass des Rundschreibens waren die Klagen aus der Bevölkerung:
„Nationalsozialisten wohnen trotz größter Wohnungsnot immer noch in mehr als verhältnismäßig ihnen zustehendem Raum. Andererseits wurden Fälle bekannt, in denen die Wohnungsämter nicht immer die menschlich gebotene Rücksicht auf schwer Körperbehinderte, Schwerbeschädigte oder auch unbelastete Witwen und Kinder von ehemaligen Nationalsozialisten oder solche Frauen, deren Männer sich noch in Kriegsgefangenschaft befinden, nehmen, sondern diese schroff aus ihren Wohnungen weisen.“
Daher ordnete der Arbeitsminister an, dass unter keinen Umständen Wohnungssuchenden Wohnungen von ehemaligen Nationalsozialisten zugewiesen werden dürfen, die sie sich selbst aussuchten. Sollte für einen Wohnungssuchenden eine Wohnung beschlagnahmt werden, in der sich Mobiliar befindet, der Wohnungssuchende selbst keines hat, um wohnen zu können, und es zu keiner gütlichen Einigung kam, konnten gewisse Gegenstände für den Wohnungssuchenden mit Festlegung der Dauer beschlagnahmt werden. Die Gegenstände blieben allerdings im Eigentum des Wohnungsinhabers blieben. Der Nutzungsberechtigte hatte die Gegenstände gegen Feuer und Diebstahl zu versichern. Von der Beschlagnahme ausgenommen waren Kunstgegenstände, Stilmöbel, Teppiche, Radiogeräte, Lüster, Vorhänge, Schreibtische u. ä. Solche Beschlagnahmen durften allerdings nur für den Bedarfsfall und nicht auf Vorrat erfolgen. Außerdem musste das Wohnungsamt bei politisch unbelasteten Personen auf die „persönlichen Verhältnisse gebührend Rücksicht“ nehmen.
Flüchtlingen aus dem Osten fehlte nicht nur Wohnraum in den zerstörten Städten, sondern auch Wäsche und Kleidung. Diese konnte bei nationalsozialistischen Familien beschlagnahmt und weggenommen werden. Da wurde dann kein Unterschied gemacht, ob es Kleidung des Nationalsozialisten selbst oder seiner Frau und Kinder war. Beispielsweise wurde in diesem Zusammenhang der Familie des Rothenburger NS-Landrats Simon Meißner Damen-, Herren und Kinderwäsche weggenommen (siehe in dieser Online-Dokumentation: NSDAP-Mitglieder mussten 1945 für Flüchtlinge Kleidung und Leibwäsche abgeben…).
Als Deutschland hoch in Ehren stand
Entnazifiziert wurden auch die Fassaden der Häuser. Alles, was an den Nationalsozialismus erinnerte, wie in Stein gemeißelte Hakenkreuze oder Hitler-Sprüche mussten entfernt werden. Das betraf vor allem Amtsgebäude, über deren Türen oft der Reichsadler mit dem Kranz mit dem Hakenkreuz in den Krallen, in dem das Hakenkreuz prangte, wie beispielsweise früher am Finanzamt, wo heute noch der Adler zu sehen ist.
Davon betroffen waren aber auch Privathäuser wie jenes der Luise Assel? in der Hafengasse. Dort war ein in Stein gemeißelter nationalistischer Spruch zu lesen, der bei einer Kontrolle der Stadt aufgefallen war. Von Oberbürgermeister Friedrich Hörner erhielt sie am 13. Oktober 1947 einen Brief, in dem sie aufgefordert wurde, die am Haus angebrachte Tafel mit der Inschrift „Als Deutschland hoch in Ehren stand“ (Foto) zu entfernen. Die Tafel wurde bei einer Kontrolle der Häuser beanstandet. „Zur Vermeidung unangenehmer Folgen wollen Sie diese Arbeit baldigst vornehmen lassen“, schrieb Bürgermeister Friedrich Hörner.
Als Deutschland hoch in Ehren stand,
ward dieses Haus gebauet.
Und heut ist unser Volk und Land
vom bösen Feind umlauert.
Doch eh die Hülle fällt und bricht,
muß Deutsche Not vergehen.
Drum Einigkeit ist Deutsche Pflicht
zu Deutschlands Neuerstehen!
Mai 1924
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Quelle: Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber