Von Wolf Stegemann
Noch im Frühjahr 1935 bestand in Rothenburg Stadt und Land die Befürchtung, dass 1935 ein Missjahr werden könnte. Doch es wurde keins. Unwetter und vorausgesagter Hagel, die Schrecknisse der Bauern, blieben aus. Dazu der „Fränkische Anzeiger“ am 4. Oktober 1935 im Blick auf das bevorstehende Entedankfest:
„Nicht in großen rauschenden Festen soll sich Dank an unseren Herrgott zeigen, sondern in einem inbrünstigen Gebet, in einer Aussprache jeden Einzelnen mit ihm und in einem Gelöbnis, sich auch in der ganzen kommenden Zeit nicht allein als wahrer Christenmensch, sondern als ebenso wahrer Nationalsozialist zu bewähren und, nach dem Wort ,Gemeinnutz geht vor Eigennutz’ handelnd, im Hinblick auf das in diesen Tagen beginnende Winterhilfswerk aus der reichen Fülle der nun glücklich eingeheimsten Ernte nun auch ebenso reichlich zu geben denen, die dieser Gaben bedürfen.“
Und einen Tag später heißt es ebenso schwülstig wie belehrend:
„Wir brauchen alle Brot, um leben zu können. Es ist auch durchaus christlich, das anzuerkennen. Auch unser Heiland wusste, wie bedeutend die äußere Brotfrage auch für den inneren Menschen sein kann, und speiste die hungernde Menge um ihn her. …. Nun aber haben Gott sei Dank wieder Brot, und das schreckliche Gespenst der Arbeitslosigkeit und des Hungers weicht immer mehr aus den deutschen Gauen. Das ist ein Wunder vor unsern Augen…“
Weiter geht es im Text mit der Beschreibung des Reichserntedankfests auf dem Bückeberg, wo sich das „deutsche Landvolk zum großen Gelöbnis vor dem Führer des Deutschen Reiches“ trifft. Da dürfe „unsere Rothenburger Stadt- und Landbevölkerung nicht untätig beiseite stehen, sondern dass sie sich im Gegenteil aus innerstem Empfinden freudig und gerne zur Verfügung stellt“. So rüsteten sich die Rothenburger Anfang Oktober zu einem großen Erntedankfest-Umzug durch die Gassen der Stadt am Sonntag, den 6. Oktober 1935. Dabei war von christlicher Durchdringung des Tages und Dankbarkeit nicht mehr viel zu spüren. Denn dann galten andere Grundsätze.
Vor dem Umzug Empfang im Rathaus und Kundgebung auf dem Marktplatz
Am Vortag holten Hitlerjugend und BDM-Mädchen den Erntebaum ein. Sie zogen nachmittags vom Spitaltor bis zum Kapellenplatz, wo sie den Baum aufstellten, der NSDAP-Kreisleiter Karl Steinacker eine Rede hielt und die Jungen und Mädchen anschließend feierten. Am Sonntag zogen morgens um sechs Uhr Hitlerjungs mit Fanfaren durch die Stadt, um die Rothenburger aufzuwecken. Um neun Uhr begannen Heimatwettkämpfe der Hitlerjugend im Stadion. Nach dem Dreikampf und den Mannschaftskämpfen ehrten Karl Steinacker und der Vertrauensmann für Turnen und Sport, Distel, die Sieger. Mittags gaben der NSDAP-Ortsgruppenleiter und der Oberbürgermeister im Rathaus einen Empfang für die Bürgermeister der umliegenden Gemeinden, denen der Kellermeister des historischen Festspiels „Der Meistertrunk“ den Willkommenstrunk reichte. Danach gab es eine Kundgebung der Partei auf dem Marktplatz, in der Kreisleiter Steinacker die Rede hielt. Kurz darauf wurde die Führerrede vom Reichserntedankfest auf dem Bückeberg durch Großlautsprecher übertragen, währenddessen auf dem Judenkirchhof (heute Schrannenplatz) die Wagen des Erntedankfest-Umzugs Aufstellung nahmen. Um 14.30 Uhr setzte sich der lange Zug mit Wagen, Fußtruppen, Reitern, einer Schafherde, den Parteigliederungen, Berufsgruppen, Organisationen und Bauern in Bewegung.
Mit Fahnen, Fahnen und einer Schafherde durch die engen Gassen
Der Spielmannszug der Hitlerjugend, gefolgt von einer Schar HJ und der Fahne des Reichsnährstandes eröffneten den Zug. Ihnen folgten der Oberbürgermeister mit den Ratsherren, sämtliche Landbürgermeister, 40 SA-Männer mit ihren Fahnen, der städtische Herold in historischer Tracht und vier Fanfarenbläser zu Pferd. Dann waren die Schäfertänzer mit Schäferkarren und ein Schäfer mit 30 Schafen und einem Hund zu sehen, sodann die Darstellung der vier Jahreszeiten, eine Reitergruppe, die Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte wie Müller, Bäcker, Käser usw. Danach die Bienen-, Geflügel- und Schweinezüchter, die Gärtner und Hans-Sachs-Spieler, auch waren das Jungvolk, die HJ, SS, und SA dabei, der Arbeitsdienst, das Militär, eine Hochzeitskutsche, ein Brautwagen, NS-Kultur- und Sozialvereine sowie andere Organisationen und zum Schluss eine kinderreiche Familie zum Vorzeigen, wie man’s machen sollte, um das deutsche Volk zu erhalten. Im „Fränklischen Anzeiger“ vom 7. Oktober 1935 warauch zu zu lesen:
„Das deutsche Volk dankt seinen Bauern. Das Erntedankfest in Rothenburg – ein Tag der Verbundenheit zwischen Stadt und Land! … Die Zersetzungsarbeit der Juden brachte uns die Volksgemeinschaft. Ein großes Schild verkündet die Wahrheit dieser Worte. Mauschelnd und gestikulierend folgen drei als Juden verkleidete Gestalten. typischer hätten sie den Juden wohl kaum kennzeichnen können, es waren Prachtexemplare.“.
Und abends zum Erntetanz für 30 Pfennige
Sie alle zogen vom Schrannenplatz über die Klingenschütt, Klingengasse, den Kirchplatz, die Georgengasse, Galgengasse, Rosengasse, Rödergasse, Hafengasse, Herrngasse, Heringsbronnengasse, Burggasse, Untere Schmiedgasse, Spitalgasse und dann wieder zurück über die Untere und Obere Schmiedgasse zum Marktplatz, wo sich die Beteiligten gruppierten. Sodann sprach Kreisbauernführer Georg Soldner und irgendwie musste noch Platz sein, denn der Schäfertanz und andere Tanzgruppen zeigten ihr Können. Um 19 Uhr begann in der Sporthalle des Reichsarbeitsdienstes am Topplerweg der Erntetanz, zu dem die gesamte Bevölkerung aus Stadt und Land eingeladen war. Der Eintritt einschließlich Tanzgeld kostete 30 Pfennige.
_________________________________________________________________