Friedrich Uebelhoer – Ein Rothenburger machte Karriere und ging in die NS-Geschichte als Polenhasser und Mörder ein. 1945 verschwand er spurlos

Der Rothenburger Friedrich Uebelhoer machte NS-Karriere in Sachsen-Anhalt

Der Rothenburger Friedrich Uebelhoer machte NS-Karriere in Sachsen-Anhalt

Von Wolf Stegemann

„Mit Friedrich Uebelhoer herrscht von 1933 bis 1939 in Naumburg ein Oberbürgermeister, der die Menschenrechte und die Demokratie verachtet. Er macht sich krimineller und politischer Untaten schuldig. In Litzmannstadt (Lódz) ist er maßgeblich an der Judenvernichtung beteiligt und begeht damit schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Zu diesem Schluss kommt Detlef Belau aus Naumburg. Der so Apostrophierte war noch mehr: NSDAP-Kreisleiter, Gauinspektor im Wartheland und Regierungspräsident in Kalisch. Auch errichtete er das Ghetto in Lodz.

In die besten Kreise Naumburg eingeheiratet

Friedrich Uebelhör wurde 1893 in Rothenburg ob der Tauber geboren und verbrachte die ersten Jahre seiner Kindheit in der Tauberstadt. Sein Vater war Realschullehrer für neue Sprachen. Von 1904 bis 1908 besuchte er das Progymnasium. Seine Familie verzog 1908 nach Würzburg, wo sein Vater eine neue Stelle antrat. In Würzburg machte Friedrich Uebelhoer 1913 das Abitur. Danach leistete er Militärdienst im Bayerischen Infanterie-Regiment Nr. 11. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat er in das Badische Fußartillerie-Regiment Nr. 14 ein, kämpfte die vier Kriegsjahre an der Westfront und wurde mit dem Eisernen Kreuz beider Klassen und dem Orden vom Zähringer Löwen ausgezeichnet. Nach Kriegsende schloss er sich als Oberleutnant a. D. dem Freikorps Lettow-Vorbeck an und nahm am 19. Juli 1919 an der Niederschlagung des Spartakusaufstands in Hamburg teil.

Friedrich Uebelhoer vor 1933

Friedrich Uebelhoer vor 1933

Das Studium der Staats- und Rechtswissenschaften in Freiburg und Würzburg brach er nach sechs Semestern ab und konnte damit keine Berufsausbildung vorweisen. Im Jahr 1924 zog er nach Naumburg, arbeitete als Handelsvertreter für Treibriemen und engagierte sich politisch. Durch die Vermählung mit Asta Popperoth (geb. 1896), Tochter des ehemaligen Oberlandesgerichtsvizepräsidenten Ludwig Popperoth, heiratete er am 4. April 1925 in Naumburgs beste Gesellschaftskreise ein.

Er errichtete das Ghetto in Lodz

Zur NSDAP fand er früh. Er trat ihr zuerst 1922 bei und nach Aufhebung des Verbots 1925 erneut (Mitgliedsnummer 11.707). Er baute die Ortsgruppe auf. Das „Führerlexikon“ charakterisiert ihn so: „Seit 1922 politischer Soldat Adolf Hitlers.“ Er selbst gab als Berufsbezeichnung stets „Offizier“ an. 1931 wurde der aus Rothenburg stammende Friedrich Uebelhoer NSDAP-Kreisleiter in Naumburg an der Saale und fungierte von 1934 bis 1939 als Oberbürgermeister und Landrat in Naumburg. Da hatte er schon den Rang eines SS-Obersturmführers (SS-Nr. 209.059). Friedrich Uebelhoer prägte als Schlüsselfigur der Naumburger Nationalsozialisten etwa 20 Jahre lang das Schicksal der Stadt. Er erreichte den Rang eines SS-Brigadeführers. Im Reichstag saß er als NSDAP-Abgeordneter des Wahlkreises 11 (Merseburg) ununterbrochen vom März 1933 bis 1945. Auch war er Gauamtsleiter der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) im Gau Merseburg.

Am 26. Oktober 1939 wurde Uebelhoer, Träger des Goldenen Parteiabzeichens, als kommissarischer Regierungspräsident mit dem Rang eines Obersturmbannführers nach Kalisch in das besetzte Polen beordert. In Polen ordnete Friedrich Uebelhoer die Errichtung des Ghettos Lódz an und war damit maßgeblich an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung beteiligt. Der Gedanke zur späteren Massenvernichtung der ghettoisierten Juden trat kernhaft bereits in einer Passage des Rundschreibens Uebelhoers vom 10. Dezember 1939 zutage: „Zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Mitteln das Ghetto und damit die Stadt Lodz von Juden gesäubert wird, behalte ich mir vor. Endziel muss jedenfalls sein, dass wir diese Pestbeule restlos ausbrennen.“

Uebelhoers Ernennung zum Regierungspräsidenten von Lodz-Kalisch

Uebelhoers Ernennung zum Regierungspräsidenten von Lodz-Kalisch

Detlef Belau: „In seinem Amt gebärdet sich Uebelhoer ebenso wie Greiser als Polenhasser und Antisemit par excellence. Er rühmt sich, dass auf seinen Befehl hin drei Juden erhängt worden waren, um durch diese ,allen sichtbare drakonische Maßnahme’ zu zeigen, dass er nicht gewillt war Juden sein auf Zerstörung jeglicher Ordnung ausgehenden Treiben weiter zu gestatten’.“ Die industrielle Judenvernichtung sollte möglichst nichts kosten. Seine Erfolge auf diesem Gebiet teilte Friedrich Uebelhoer am 9. Mai 1941 in der Litzmannstädter Zeitung folgendermaßen mit, wobei er auch sein Schreiben an den Gauleiter veröffentlichte:

„Wenn ich Ihnen kurz berichten soll, was wir auf den einzelnen Gebieten erreicht haben, so kann ich sagen, daß das Judenproblem in diesem Bezirk gelöst worden ist. Wir haben in dieser Stadt vor einem Jahr, am 30. April, das Ghetto geschlossen. Es ist uns damals gesagt worden, daß diese Ghettobildung und die damit zusammenhängenden Aufgaben viele Millionen im Jahr kosten würde. Ich kann Ihnen, Gauleiter, heute melden, daß diese Ghettobildung das Deutsche Reich keinen Pfennig gekostet hat, daß die Juden alles selbst bezahlt haben, durch Sachwerte und Arbeit, zu der sie angehalten wurden.“

Er bereicherte sich durch Unterschlagung

1943 fiel Uebelhoer in Ungnade, als er gemeinsam mit dem Präsidenten der Litzmannstädter (Lodzer) Wirtschaftskammer Wuttke unter der Hand große Textilmengen, die ursprünglich für die Herstellung von Winterkleidung für die an der Ostfront kämpfenden Soldaten bestimmt waren, überteuert verkaufte. Er wurde suspendiert, das  Disziplinarverfahren aber eingestellt, „da die Untersuchung im staatlichen Dienststrafverfahren die Haltlosigkeit der gegen mich erhobenen Anschuldigungen ergeben hat“ (Uebelhoer an Himmler am 20. April 1943). Seine Stellung im Gau Wartheland war allerdings unhaltbar geworden, zumal er für eine „fast anarchische Desorganisation” in Litzmannstadt, wo es zu Beschlagnahmungen, „willkürliche(n) Erschießungen, Verhaftungen”, Raub usw. kam, verantwortlich zeichnete. Daher wurde Friedrich Uebelhoer am 1. Februar 1944 als Regierungspräsident in Merseburg eingesetzt. Dieses Amt trat er jedoch erst am 9. Mai 1944 an. Aus dem Jahr 1945 sind keine Aktivitäten Uebelhoers bekannt. Bei Kriegsende verlor sich seine Spur. Datum und Umstände seines Todes sind unbekannt. Es gibt aber nicht belegte Hinweise, dass er nicht durch Kriegseinwirkung ums Leben kam. Als Todesdatum wurde gerichtlich der 31. Dezember 1950 festgelegt. Noch 1962 ermittelte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den gebürtigen Rothenburger wegen seiner Anwesenheit bei Geiselerschießungen. Das Verfahren wurde 1964 eingestellt.

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Uebelhoer errichtete das Ghetto Lodz . Das Bild zeigt die Brücke, die zwei Teile des Ghettos verbindet

Uebelhoer errichtete das Ghetto Lodz . Das Bild zeigt die Brücke, die zwei Teile des Ghettos verbindet

Erlass des Regierungspräsidenten Friedrich Uebelhoer vom 10. Dezember 1939 zur Bildung des Ghettos in Litzmannstadt / Lódz

In der Großstadt Lodsch leben m. E. heute 320 000 Juden. Ihre sofortige Evakuierung ist möglich. … Die Judenfrage in der Stadt Lodsch muss vorläufig in folgender Weise gelöst werden.

1. Die nördlich der Linie Listopada (Novemberstraße, Freiheitsplatz, Pomorska) Pommerscherstraße wohnenden Juden sind in einem geschlossen Getto unterzubringen, dass einmal der für die Bildung eines deutschen Kraftzentrum um den Freiheitsplatz benötigte Raum von Juden gesäubert wird …

2. Die im übrigen Teil der Stadt Lodsch wohnenden arbeitsfähigen Juden sind zu Arbeitsteilungen zusammenzufassen und in Kasernenblocks unterzubringen und zu bewachen …. Die mir bisher vorliegenden Vorschläge hinsichtlich der Ausdehnung des Gettos halte ich nicht für ausreichend …. Weiterhin sind folgende Vorarbeiten zu leisten:

1. Festlegung der Abriegelungseinrichtungen (Anlage von Straßensperren, Verbarrikadierungen von Häuserfronten und Ausgängen usw.)

2. Festlegung der Bewachungsmaßnahmen der Umgrenzungslinie des Gettos.

3. Beschaffung der erforderlichen Materialien für die Abriegelung des Gettos durch die Stadtverwaltung Lodsch.

4. Treffen der Vorkehrungen, dass die gesundheitliche Betreuung der Juden innerhalb des Gettos durch Überweisung von Arzneimitteln und ärztlichen Instrumenten (aus jüdischen Beständen) insbesondere von dem Standpunkt der Seuchenbekämpfung aus gewährleistet ist (Gesundheitsamt).

5. Vorbereitung für die spätere Regelung der Fäkalienabfuhr aus dem Getto und Regelung des Abtransports von Leichen zum jüdischen Friedhof …

6. Sicherstellung der im Getto benötigten Mengen von Heizmaterial (Stadtverwaltung). … Nach Erledigung dieser Vorarbeiten und nach Bereitstellung der genügenden Bewachungskräfte soll an einem von mir zu bestimmenden Tag schlagartig die Einrichtung des Gettos erfolgen …

Die Erstellung des Gettos ist selbstverständlich nur eine Übergangsmaßnahme. Zu welchen Zeitpunkten mit welchen Mitteln das Getto und damit Lodsch von Juden gesäubert wird behalte ich mir vor. Endziel muß jedenfalls sein, daß wir diese Pestbeule restlos ausbrennen.

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Quellen: Detlef Belaus Website „Naumburg an der Saale 1918-1945“ (http://www.naumburg-geschichte.de/geschichte/nsdap.htm). – Ernst Klee „Das Personen-Lexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Fischer 2003. – Joachim Lilla, Martin Döring, Andreas Schulz: „Statisten in Uniform: Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Droste, Düsseldorf 2004. – Michael Alberte „Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland 1939-1945“, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2006. – Erlass Friedrich Uebelhoers vom 10. 12. 1939 in: Peter Longerich  „Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation zum Holocaust 1941-1945“. – Uebelhoers Nachlass lagert heute in der Berliner Zweigstelle des Bundesarchivs. Er umfasst Materialien aus den Jahren 1914 bis 1945 und besitzt einen Umfang von circa einem laufenden Meter.

 

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