Bert Brecht sagte: „Wohl dem Land, das keine Helden nötig hat!“ Das Dritte Reich hatte offensichtlich Helden nötig, denn sie führten 1934 den „Heldengedenktag“ als gesetzlichen Feiertag als Ersatz für den Volkstrauertag ein und glorifizierten das sinnlose Sterben im Krieg. Am „Heldengedenktag“ wurde indes nicht nur der Toten des Ersten Weltkriegs gedacht, sondern auch der so genannten „Gefallenen der Bewegung“, d. h. derjenigen Parteigänger der NSDAP, die bei dem Putschversuch am 9. November 1923 ums Leben gekommen waren. Im Jahr 1939 ordnete Hitler an, den „Heldengedenktag“ auf den 16. März zu verlegen, den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935, wenn dieser Tag auf einen Sonntag fiel. Wenn nicht, sollte der „Heldengedenktag“ am Sonntag vor dem 16. März begangen werden. Damit gab man die letzte Bindung an den christlichen Kalender auf. Gleichzeitig wurde für die „Gefallenen der Bewegung“ ein eigener Gedenktag eingeführt, der 9. November. Die Umbenennung des Heldengedenktags diente der psychologischen Einstimmung auf einen neuen Krieg und der Pflege des Vorbildes derjenigen, wie Hitler am 10. März 1940 sagte: „Die bereit waren, sich selbst aufzugeben, um der Gemeinschaft das Leben zu erhalten.“
Der Totenkult diente schon 1933 der psychischen Kriegsvorbereitung
Dazu diente auch der 1933 erschienene NS-Propagandafilm „Hitlerjunge Quex“ mit dem Untertitel „Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend“. Der Film bezieht sich auf die Biographie des erstochenen Hitlerjungen Herbert Norkus. Die Hauptrolle spielte Jürgen Ohlsen. Der Film ist eine Variante des nationalsozialistischen Heldentums und des Totenkults und wurde unaufhörlich am 9. November in Kinos und HJ-Heimen aufgeführt, so auch in Rothenburg 1934 und in folgenden Jahren, um den Hitlerjungen die „Vorstellung von der ewigen Erneuerung des göttlichen Lebens in der Verbindung zwischen Totenfeier und Verpflichtung jugendlichen Nachwuchses“ zu verdeutlichen (Sabine Behrenbeck: „Der Kult um die toten Helden…, S. 300). Mit diesem Film wurde zuerst der nationalsozialistische Totenkult im Medium Film umgesetzt. Andere folgten, die auch vom Topplerkino in der Zeitung mit Anzeigen und Text angekündigt waren. – Andere Sparten folgten dem Auftrag, Kriegstote als Helden zu glorifizieren: Bildende Kunst, darunter der Rothenburger Bildhauer Johannes Oertel, die Literatur, das Theater. Denn ein solch hingebungsbereiter, sich unterordnender Heroismus in Dörfern und in den Städten wurde sowohl für den Aufbau der nationalsozialistischen Diktatur wie zur Durchführung der militärischen Expansionspolitik benötigt.
Rothenburg: Mit feierlichem Schweigen der Toten gedacht
Bei allen überhöhten Ritualen der Heldenverehrung stand der Hitler-Mythos noch Stufen darüber. Heldentod und Heiligtum, Blut und Ahnen, Fahnen und Feiern, Heiligtum und Führertum, Gott und Vorsehung, Kampf und Krieg verbanden die Nationalsozialisten mit ihrer pseudoreligiösen Kultur. Fast wie eine Perlenschnur reihten sich die Fest- und Feiertage über das Jahr hinweg, an denen der Führer-, Heldenmythos oder der Totenkult mit einem den Kirchen entnommenen Ritus gefeiert werden konnte. So der fehlgeschlagene Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 am 9. November, über den die Rothenburger Zeitung einmal schrieb: „In feierlichem Schweigen wurde der Toten gedacht, denen der […] Kreisleiter […] einen Lorbeerkranz mit Hakenkreuzschleifen am Mahnmal niederlegte.“
Ebenso besaß der „Hitler-Mythos“ religiöse Komponenten. Die Zeitung zitiert nun den Kreisleiter Karl Steinacker: „Denn wir alle tragen doch als deutsche Menschen und als Nationalsozialisten nur den einen Wunsch und die eine Sehnsucht in uns, dem Mann zu dienen, mit ihm kämpfen und arbeiten zu dürfen, der uns alles ist, heute, morgen und für alle Zukunft.“
Letzter Heldengedenktag im Jahre 1945
Aus dem 1919 erstmals begangenen Volkstrauertag für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs machten die Nationalsozialisten, wie bereits erwähnt, den Heldengedenktag. 1926 fand dann die erste Gedenkstunde im Reichstag statt. In jenem Jahr wurde entschieden, den Volkstrauertag regelmäßig am Sonntag (kirchlich Reminiscere, fünfter Sonntag vor Ostern) zu begehen. In nationalsozialistischer Zeit wurde der Volkstrauertag grundlegend in seinem Charakter zum „Heldengedenktag“ umbenannt. Nicht mehr das Gedenken der Toten sollte im Mittelpunkt stehen sondern die Verehrung der Helden. Die Flaggen wurden nicht – wie gehabt – auf halbmast gehisst, sondern Vollstock gesetzt. Der letzte Heldengedenktag wurde 1945 begangen.
Gegen Ende des Krieges gingen viele Deutsche auf innere Distanz
Nach der Machtergreifung 1933 sollte das ganze Volk auf die Nachfolge der Helden von 1914/18 und 1923 eingeschworen werden. Dazu wurde mit Spielfilmen, Theaterstücken, Massenzeremonien und neu erbauten Architekturen enormer Aufwand betrieben. Und solange der Führer politische Erfolge aufweisen konnten, welche die Opfer rechtfertigten und deren angebliche Wirksamkeit unter Beweis stellten, stieß der Heldenmythos allgemein auf große Glaubensbereitschaft. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde es ernst mit der Opferbereitschaft. Und nun zeigte sich, dass die Deutschen zwar vielfach bereit waren, andere Völker oder ethnische Minderheiten für den Alptraum der arischen Weltherrschaft zu opfern, aber nicht bedingungslos sich selbst. Besonders als nach Stalingrad 1943 die kriegerischen Erfolge klein und die geforderten Opfer groß wurden, wandten sich viele Deutschen ab von ihren „Führerhelden“. Sie hatten durch Bombardierung, Versorgungsängsten, Gefallene in den Familien nun ihre eigenen Probleme. Zwar blieb das äußere Verhalten dem Regime gegenüber loyal, doch innerlich distanzierten sich viele in den letzten Kriegsjahren zunehmend vom „nationalsozialistischen Abenteuer“ und glaubten nicht mehr an den Sinn der vielen Todesfälle an der Front und im Bombenhagel.
Noch Ende April 1945: Hitlers feiger Selbstmord als „Heldentod“ verkündet
Wenn sich alle für den „Endsieg“ opfern sollten, wem würde das Opfer noch zugute kommen? Der Überlebenswunsch der meisten Deutschen war schließlich stärker als ihr Glaube an den Führer, dem sie früher wie einem Messias gefolgt waren. Auch der als „Heldentod“ inszenierte Selbstmord von Hitler und Goebbels konnte an diesem Glaubensverfall nichts mehr ändern. „Ausgerechnet für den Aktschluss ihres heroischen Dramas hatten die Hauptdarsteller kein Publikum mehr“ (Behrenbeck). Vielmehr fühlten sich die überlebenden Deutschen inzwischen vor allem selbst als Opfer des NS-Regimes und später der Besatzungsarmeen und ignorierten, dass ihr „Heroismus“ erst die Katastrophe und die Verbrechen ermöglicht hatte. Die Verantwortung wurde abgespalten, vom Heldenmythos blieb vor allem die Opferrolle übrig. Neue Helden der Bundesrepublik wurden die Widerstandskämpfer wie u. a. Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Erwin von Witzleben, Henning von Tresckow, Fritz Graf von der Schulenburg, die ihr am 20. Juli 1944 gescheitertes Attentat selbst im vornhinein als Martyrium ihrer Überzeugungen deuteten, als tragisches Selbstopfer, aus dem das Volk geistige Kraft schöpfen sollte.
Glaubten die Parteiredner an den Unsinn, den sie von sich gaben?
Die Frage, ob die Führer der NSDAP und Schöpfer der Heldenmythen an ihre eigenen Parolen glaubten oder ob sie nur berechnend die Opferbereitschaft der Masse ausnutzten, beantwortet die Studie von Sabine Behrenbeck mit einem sowohl als auch: „Der nationalsozialistische Heldenkult ist nur als kompliziertes Geflecht von bewusst kalkulierten sowie unbewusst bedürfnishaften Vorgängen zu begreifen.“
Nach 1945: wieder Volkstrauertag
Die Tradition des Volkstrauertages wurde nach Beendigung des zweiten Weltkrieges wieder in alter Form aufgenommen. Um den Volkstrauertag von dem Heldengedenktag abzugrenzen, wurde 1952 beschlossen, den Volkstrauertag an das Ende des Kirchenjahres zu legen, da diese Zeit theologisch durch die Themen Tod, Zeit, Ewigkeit und Gedenken dominiert wird. Ab da wurden wieder der Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen gedacht.
Herrlichkeit von Blut und Rasse, Krieg und Tod
In Goethes Faust sagte Mephisto, also der Teufel: „Blut ist ein ganz besondrer Saft.“ Und Blut wurde von den NS-Ideologen gegen jede, auch damals schon verfügbare, wissenschaftliche Erkenntnis zum Träger des Erbguts und der angeblichen „Rassenmerkmale“. Heldentum und Heldentod war in der nationalsozialistischen Ideologie immer mit „Blut“ verbunden. Denn das Blut war in der nationalsozialistischen Gedankenwelt ein zentraler, verklärter Begriff, der für die Einheit von Seele und Körper, für das Leben allgemein stand. Symbolhaft galt das Blut als „Lebensträger“, in der wissenschaftlich nicht haltbaren Rassenkunde als „Träger des Erbgutes und der angeblichen „Rasseneigenschaften“. In Reden nationalsozialistischer Funktionäre wurde daher das Begriffspaar „Blut und Rasse“ stets verwendet. In den unteren Schichten der Partei, auf Orts- oder Kreisebenen, verwendeten die uniformierten Parteiredner den Begriff propagandistisch in fast jeder Rede, auch wenn er da nicht hinpasste, ob beim Ernteeinsatz oder bei der Kinderlandverschickung, bei Kunstausstellungen und Sammlungen für das Winterhilfswerk. Nachzulesen ist das in ihren in den Zeitungen abgedruckten Reden. Die Hauptsache war, wie es scheint, das Begriffspaar bei allen öffentlichen Anlässen propagandistisch anzubringen. Laut „Fränkischer Anzeiger“ vom 1. Juni 1937 sagte NSDAP-Ortsgruppenleiter Götz in einer Versammlung der Partei, dass das „neue Deutschland, fußend auf dem germanischen, deutschen Gedanken, auf dem Urquell von Blut und Rasse, erhobenen Hauptes, […] starke und innerlich freie Menschen“ erziehe. Vom 9. bis 14. März 1937 holten die Rothenburger NSDAP-Kreisleitung, das Kreisamt für Volksgesundheit und der Bürgermeister Schmidt eine Ausstellung des deutschen Hygienemuseums aus Dresden nach Rothenburg. Sie hieß „Blut und Rasse“. Ihre Aufgabe war, „den in der nationalsozialistischen Weltanschauung verankerten Gedanken von Blut und Boden, von der rassischen Gestaltung des deutschen Menschen zum Ausdruck zu bringen“. Die Ausstellung fand im Evangelischen Vereinshaus statt und zog während der kurzen Zeit von sechs Tagen 2.400 Ausstellungsbesucher an. Zu dieser Wanderausstellung erschien ein ideologisches Begleitheft von Hermann Vellguth, das ebenfalls „Blut und Rasse“ hieß.
„Blutendes Deutschland“ – erster NS-Propagandafilm 1933
In zahlreichen Zusammensetzungen bedeutete Blut im weiteren Sinne Rassisches. Beispiele: Blutschranke: naturgegebene Trennung zwischen den Rassen; blutgebunden: durch rassische Abstammung geprägt; Blutkreis: Angehörige einer Rasse; Blutseele: Wesensmerkmale eines Volkes; blutsfremd: einer anderen Rasse angehörig; Blutstolz: Hochwertigkeitsgefühl durch Zugehörigkeit zu einer Rasse; Blutträger: pathetisch für Mensch als Vertreter einer Rasse; Blutvergiftung: Verfallserscheinung bei Rassen, Nationen, Kulturen; Blutwert: Wertung des Menschen nach Rassezugehörigkeit. Mit Blut waren im Nationalsozialismus auch etliche Funktions- und Rechtsbegriffe verbunden wie Blutfahne, Blutopfer, Blutorden, Blutschande, Blutschutzgesetz, Blutzeuge, Blut und Boden.
Der erste nationalsozialistische Propagandafilm hieß „Blutendes Deutschland“ und entstand unmittelbar nach der Machtergreifung, der den Massen die Überzeugung vom Sieg der „nationalen Revolution“ vermitteln sollte. Die Uraufführung war am 30. März 1933 in Berlin.
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