Vorbemerkung. Das mit Schreibmaschine geschrieben fünfseitige Manuskript dieses Artikels liegt im Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber. Der Authentizität wegen haben wir den Text mit seinen Fehlerhaftigkeiten so gelassen. Lediglich die Interpunktion sowie grob falsche Satzstellungen haben wir einer besseren Lesbarkeit wegen sanft gebessert. Die Zwischenzeilen wurden von uns gesetzt. Fritz Pflüger, der Verfasser des Schreibens, wohnte in der Straße Alter Stadtgraben 1.
Fliegerangriff auf Rothenburg, 12. 10. 41
Sonntagabend. Friedlich und still liegt unsere Stadt unterm Sternenhimmel. Ich bin am Abend zuhause und schreibe an die Soldarten, die im Osten für unsere Heimat kämpfen; es ist ¼ 12 Uhr. Ich lege mich zu Bett. Gleich darauf sagt meine Frau: „Horch, das ist doch ein Flieger.“ Ich bemerkte „Lass ihn!“. Doch das Summen nimmt zu. Licht aus, Fenster auf. Dem Ton nach könnte man ja glauben, es wäre ein deutscher. Er ist Richtung Fluwa (Flugabwehr), da plötzlich, die Straße erhellt sich, als wenn der friedliche Mond sein Licht zeigte. Ich sehe die Leuchtbombe am Himmel hängen, Richtung Oberer Felsenkeller, schon wird es auf Gebsattel zu noch heller. Ich zieh mich an renne auf den Boden. Da, welch ein schönes Bild bietet sich für das Auge. Vom Essigkrug bis zum Rödertor taghell erleuchtet. Magnesium geworfen, weißbläulich grell erleuchtet. Faulturm, Stadtmauer, der Kleine und der große Stern in der Silhouette. Ich springe vom Boden zurück und hole meinen Apparat, Anna hinterher.
Steige bis zum obersten Boden, Anna bleibt im untern, ist verängstigt und aufgeregt, denn am oberen Würzburger Tor, wo ich nicht hinsehen kann, nur den Schein sehe, wird es heller und heller. Eine Aufnahme konnte ich nicht mehr machen, da inzwischen das schöne Bild in Rauchschwaden ganz dick verwandelt war. Es fallen Schüsse, die Weiber schreien auf, ich bitte, Ruhe zu bewahren. Eine Detonation erfolgt. Jetzt hat er Bomben geworfen, rufe ich; es fallen wieder Schüsse, und wieder Schüsse. Im Tiefflug überfliegt der Halunke die Stadt, die ganz wehrlos daliegt, und bespickt die Stadt mit Spurmunition.
3.500 Zentner Briketts brannten im Lager der Firma Keitel
Wie der Wind geht’s den Treppen hinunter, raffe meine Freuerwehruniform zusammen. Elsbeth, die noch so gut schläft und noch nichts von der Gefahr weiß, wird geweckt. Meine Anna aufgeregt. Ich ziehe mich an. „Ruhe bewahren, muss ich immer wieder predigen, „Ruhe, Ruhe!“
Vom 2. Stock fordere ich die Leute auf, in den Luftschutzkeller zu gehen. Anna brachte unterdessen Elsbeth im Hemd und einem Bett parterre. „Rauf!“ sage ich, „das Kind angezogen!“. Nun nehme ich Elsbeth. Die sich an mich klammert, trage sie in den Keller, mache ihr das Bett zurecht, gebe Anordnung im Keller, wie sie sich zu verhalten haben. Denn bis jetzt hat sich noch kein Mensch im Hause darum gekümmert. Nun ging das Fragen los. Ruhigsein ist das Beste. Ja, die Pflicht ruft: ich muss fort. Im Feuerhaus angelangt, fährt schon der Großkampf ab. Ich wurde zur 4. Motorspritze eingeteilt. Motorführer fehlt noch. Nach wenigen Minuten ist auch er zur Stelle und wir sind zum Einsatz fertig. Inzwischen hat man erfahren, dass das Brikettlager der Firma Keitel, in der Scheune Fries in der Hirtengasse, Brandbomben gefallen sind. Das Großkampfgerät ist dort eingesetzt, Meldung kommt durch H. Ohmayer, dass es in der Stollengasse brennt. Auch dort sind Brandbomben gefallen. Wir werden dort eingesetzt.
Scheune der Bäckerei Hachtel gelöscht
Am Brandplatz angekommen. Bäckerei Hachtel steht hell in Flammen, zu retten gibt es nichts mehr, das Nebenhaus Oehler ist stark gefährdet, noch mehr die Scheune des Herrn Weth, die voll gestopft ist mit Heu. Mit dem Strahlrohr gehe ich durch die Scheune und bekämpfe den Brand. Nach fast 2-stündigem schweren Abwehren der sprühenden Funken und immer wieder heraufschlagende Flammen gelingt es mir, die Scheune zu retten. (Ja, mein Herz, aber auch dies muss in den Hintergrund treten). Nass, als wie vom Brunnen herausgezogen, lass ich mich ablösen, nachdem die Gefahr beseitigt ist. In der Schütt finden wir eine noch nicht abgebrannte Brandbombe, die der Schutzmann in Empfang nimmt. Frierend, das Wasser in den Stiefeln quietschend, von Ärmeln Wasser heruntertropfend, ging ich nach Hause. Es war ¼ 4 Uhr. Meine Anna schaute, wie ich so ankomme.
Vieh und Schweine konnten gerettet werden
Ich lege mich zu Bett und schlief gleich ein. Durch die Klingel werde ich geweckt, es ist halb sieben Uhr. Raus an die Arbeitseinteilung. Ich mache meinen Rundgang: Stollengasse, Emmerte Heinrich steht treu sauf seinem Posten. Schwarz schauen einem die Balken entgegen, der vordere und hintere Giebel rissig. Mit der Gefahr einzustürzen, steht er da. Noch Nebenhaus und Scheune sind gerettet. In der Scheune brennt es noch, denn 300 Zentner Briketts waren dort eingelagert. Am Brandplatz Hirtengasse, Schütt sieht es noch schlimmer aus. Dort brennt und raucht es noch ganz gehörig. Fast 3500 Zentner Brikett stehen in Brand, das heißt sie glimmen. Und immer wieder züngeln die Flammen empor, sobald mit dem Spritzen aufgehört wird. Heu, das auch dort gelagert war entwickelt einen stinkigen Rauch. Da schlug zuerst die Brandbombe ein. Das Feuer, überspringend auf die an der Stadtmauer angebauten Ställe, die bis zu Edelhäuser alle abgebrannt sind. Das Vieh und die Schweine konnten gerettet werden. Weinend stehen die betroffenen Frauen umher.
Schon haben die Aufräumarbeiten begonnen. Die Stadtmauer ist schwer in Mitleidenschaft gezogen, das Gebälk vom Wehrgang ist von Fries bis zum Eckturm (Pulverturm) abgebrannt. Vor der Stadt, in der Langstraße 3, sind Sprengbomben gefallen. Der Anblick lässt sofort erkennen, da ist Ganzes geschafft worden. Der Arbeitsdienst hat bereits abgesperrt. H. Hauptlehrer Keller kommt auf mich bittend zu, ich möchte doch die Haustür wenigstens machen. Dadurch habe ich Gelegenheit alles in der Nähe anzuschauen. Das Haus des H. Lang ist bis zum ersten Stock abgesprengt, der Dachstuhl liegt kreuz und quer vor dem Nebenhaus Unter den Trümmern liegt die Mutter von Frau Lang, der Angriff forderte ein Todesopfer.
Bündel Brandbomben gefunden
Zufällig war im ersten Stock niemand zu Hause (Pfab Luis war bei ihren Schwiegereltern in Nürnberg). Im zweiten Haus nebenan, wo Hl. Keller wohnt, sind an der Haustür das Schloss herausgerissen, am Bad und Klo die Schließkoben, am Dach fast sämtliche Ziegel durchlöchert. Zwischen dem Häuserblock der Stadt und dem Längshaus lag noch ein Blindgänger, der erst heute morgen und halb 7 Uhr losging. Die Leute nochmals in Schrecken versetzt, denn niemand wusste von dem Blindgänger. Der Trichter hat einen Durchmesser von ca. 5 m Tiefe v. 1 ½ m, auf dem Dach des Häuserblocks sind sämtliche Ziegel demoliert. Das Außen sieht ganz verheerend aus. In der Schütt finde ich 2 Stäbe von dem Leuchtfallschirm. Im Philosophengang ist eine Sprengbombe gefallen, Der Trichter ist 5-6 m Durchmesser groß und 2 ½ m tief. Bündel Brandbomben werden gefunden. Bei der Kreisbauernschaft schlug eine durch das Dach und die Treppe hindurch. Auf der geteerten Straße sind 8 – 10 Einschläge von der Spurmunition. Im Schlachthof fand ein Zimmerbrand statt.
Man erzählt in der Klingengasse bei Fr. Schmieshahn sind die Geschosse durch Fenster, Bettstatt und Matratze durchgeschlagen. Zum Glück war das Bett leer. Sattlermeister Meider erzählt mir, es sei durch sein Dach geschossen worden und er hat die Geschosse im Seegras gefunden.
Giebel mussten abgerissen werden
Durch den Arbeitsdienst werden Brandbomben gesucht. Dort werden 20 gefunden, dann noch 10, so dass gesamt mit 200 Stück gerechnet werden kann. Im Zwinger von Keitel habe ich eine Brandbombe wahrgenommen, ein Loch von ca. 70 cm, die Bombe ausgebrannt. Zusammenfassend ist zu sagen, wären die Bomben, sowie Brandbomben, die außerhalb der Stadt gefallen sind, in der Mitte der Stadt herunter gekommen, 2/3 der Stadt wäre zum Opfer gefallen. Früh um ½ 10 Uhr musste ich wieder zum Dienst und habe die Leitung in der Hirtengasse, Schütt übernommen. Der Kampf mit den brennenden Briketts wurde weiter geführt, mit 8 Leitungen bekämpfen wir das immer wieder aufflackernde Feuer. Der Dachstuhl, der die Gefahr des Einsturzes ist, muss beseitigt werden. Ich fordere Technische Not-Hilfe an, doch diese ist stark beschäftigt bei Lang. Ich fordere Arbeitsdienst an, dieser ist zum Teil da außen, sowie beim Suchen von Brandbomben eingesetzt. Nachmittags frage ich wieder an. Es ist inzwischen 2 Uhr geworden. Noch immer bekämpfen wir das Feuer, was ja völlig zwecklos erscheint. Die Briketts müssen herausgeschafft werden ins Freie und dann abgelöscht.
Der wagemutigste Arbeitsdienstmann war ein Schneider
Um ½ 3 Uhr kam Oberstleutnant vom 18. Armeekorps. Ich trage ihm vor, dass Arbeitsdienst angefordert, aber bis zur Stunde noch keiner abgestellt, und mir die Gefahr den Feuerschein für die kommende Nacht nicht ganz dämmen zu können. Er gibt die Anweisung, dass sofort ca. 10 Mann Arbeitsdienst abgestellt werden müssen. Ich fordere dieselben von Polizeileutnant Drossel an, der mir zusagte, dass dies geschehe. ¼ 4 Uhr kam er angerückt, 20 Mann stark. 12 Mann teilte nun Oberbrandmeister Gerlinger bei mir ein, der Rest in die Stollengasse eingesetzt. Die Technische Not-Hilfe und Arbeitsdienstmänner fingen nun gemeinsam mit den Einreißarbeiten des Dachstuhls an. Eine Freude war es, mit an zusehen, mit welch einem Eifer die Arbeitsmänner zugriffen. (Sie sind erst 8 Tage eingerückt.) Einer viel mir besonders auf, der gar keine Gefahr scheute, da ich auch für die Männer verantwortlich war, warnte ich ihn einige Male, wenn Gefahr drohte
Ich sagte zu ihm, was bist du von Beruf? Schmied, Zimmermann, Schlosser? Höre, was er für einen Beruf hat. Die ganzen Arbeitsmänner riefen „Ein Schneider“. Und er gab freudestrahlend zur Antwort „Ich liebe die Gefahr!“ Auch ein Schneider kann hinlangen, wenn es im Dienst um Deutschland geht. Wer möchte da noch zur Seite stehn. Nur immer wieder solche muss man sich als Vorbild nehmen, und nicht nach denen schauen, die nur ihr ICH kennen.
Schubkarre um Schubkarre voller Briketts wurden weggefahren
Nun ging es mit dem Wegfahren der Briketts los. Schubkarre um Schubkarre rollte. Mit einem Eifer und Humor gingen diese Männer an die Arbeit. Um ½ 7 Uhr stellte der Arbeitsdienst seine Arbeit ein. Immer noch mussten die Briketts mit Wasser abgelöscht werden. Um 7 Uhr erfolgte durch Meider meine Ablösung. Der um nachts 1 Uhr wieder abgelöst wurde. So steht es uns Feuerwehrmänner groß mit Lettern über unserer Arbeit:
„Gemeinnutz geht vor Eigennutz!“ Einer für Alle – Alle für Einen!
Heil Hitler! Fritz Pflüger (Unterschrift)
Rothenburg, 14. Oktober 1941
Fallschirm eines Piloten bei Gebsattel gefunden
[Es folgt ein handschriftlicher Eintrag:] Am Donnerstagmorgens, den 6. November 1941 fand ein Gebsattler Maurerlehrling namens Kraft im Steinbruch bei Gebsattel links der Brücke beim Siechhaus einen Fallschirm mit ca. 15 m Spannweite. Erst am Samstag, den 8. 11., lieferte er ihn ab. Es ist ein bemannter Fallschirm gewesen. Blieb im Baum hängen, Gurt abgeschnitten.
Willy Gackstatter erlebte dem Bombenabwurf in der Wolffstraße
Als sich diese Bombardierung zum 50. Mal jährte, brachte der „Fränkische Anzeiger“ (FA) am 12. Oktober 1991 ein Foto mit einem längeren Bildtext. Der Zeitung zur Verfügung gestellt hatte das Foto Willy Gackstatter, der die Bombardierung seines Elternhauses vom Oktober 1941 in der Wolffstraße als 16-Jähriger erlebte. Er berichtete der Zeitung, dass das Doppelhaus Nr. 3 und 5 völlig zerstört wurde. Die im Dachgeschoss schlafende etwa 80-jährige Margarete Strauß (Großmutter von Richard Lang) kam dabei zu Tode, wie Fritz Pflüger das auch seinem oben abgedruckten Bericht auch schrieb. Die übrigen Hausbewohner vom Erdgeschoss, so Gackstatter im FA, kamen mit dem Schrecken davon. Eine im 1. Stock wohnende Familie war zu diesem Zeitpunkt zufällig verreist. Willy Gackstatter: Meine Mutter war damals nicht da, deshalb schlief ich bei meinem Vater im großen Bett als uns ein fürchterlicher Schlag aus dem Schlaf riss. Alles war voller Staub, die Treppe verschüttet. Die Türen hatte es aus den Angeln gehoben.“ Er half seinem beinamputierten Vater noch aus den Trümmern, dann rannte er im Schlafanzug zur Gendarmerie, um zu erfahren, was los sei. Wenige Stunden später war im Garten ein Blindgänger explodiert. Bis das Haus auf Staatskosten wieder aufgebaut war, wohnten die Gackstatters ein Jahr lang in einer Notunterkunft in der Wenggasse.