Diktatoren sind oft gewalttätige Männer mit einem unersättlichen Machttrieb. Von Ausnahmen abgesehen dringt ihr ausgeprägtes Sexualleben selten an die Öffentlichkeit. Psychoanalytiker beschreiben sie als Frauenliebhaber und Frauenverächter zugleich, was mit anderen Wahrnehmungen zusammengenommen eine erotische Ausstrahlung auf Frauen bewirkt. Sie werden von Frauen oft angehimmelt. Dem glatzköpfigen italienischen Diktator Benito Mussolini flogen nicht nur geworfene Blumen, sondern auch die Herzen der Frauen zu. Seine Geliebte teilte nicht nur das Bett, auch den Tod mit ihm. Das war auch bei Adolf Hitler so, über dessen Liebesleben kaum etwas an die Öffentlichkeit drang. Die Liebesbriefe aber, die deutsche Frauen zwölf Jahre lang an den Führer geschrieben haben, sind deutlicher.
Adolf Hitler hatte seine Verehrerinnen und Geliebten, darunter Winifred Wagner (Bayreuth), die ihm schon 1924 in seine Haft in Landsberg Fresspakete und Liebesbriefe schickte, seine Nichte Geli Raubal, Eva Braun und Magda Goebbels. Letztere heiratete ihren klumpfüßigen Mann nur, um dem großen Führer nahe zu sein. „Ich liebe meinen Mann ebenfalls, doch meine Liebe zu Hitler ist stärker. Für ihn würde ich mein Leben geben“, sagte sie. Und sie gab es. Zuvor noch schenkte ihr Adolf Hitler, bevor er sich im Bunker unter der Reichskanzlei am 30. April 1945 umbrachte, sein goldenes Parteiabzeichen.
Gesammelte Liebesbriefe 1945 in der verwüsteten Reichskanzlei aufgefunden
„In der Politik braucht man die Unterstützung der Frauen“, sagte Hitler zu Rauschnig. „Die Männer folgen einem von allein.“ Die französische Schriftstellerin Diane Ducret meint in einem Zeitungsartikel der Daily Mail vom 8. Oktober 2007, dass „Hitler mehr Briefe weiblicher Fans erhalten hatte, als Mick Jagger und die Beatles zusammen“. Die meisten dieser Briefe gingen bei der Bombardierung und Plünderung der Reichskanzlei nach der Besetzung durch die Russen verloren. Allerdings fand der US-Soldat William C. Emker 1946 in der verwüsteten Reichskanzlei noch einen Packen teils verkohlter Liebesbriefe deutscher Frauen an den Führer. Heute sind sie im Berliner Bundesarchiv aufbewahrt. Aufmerksam wurde der amerikanische Soldat, als er einen Briefumschlag mit einem Schreiben aufhob, das an „Unseren geliebten Führer“ gerichtet war. Und dann lagen verstreut noch mehrere solcher Briefe auf dem Boden, die der Soldat einsteckte. Erst zu Hause merkte der Soldat, was für einen Fund er gemacht hatte: Die Briefe entpuppen sich als Fanpost an den Führer. In den darauf folgenden Wochen stattete Emker der Reichskanzlei immer wieder Besuche ab, schaffte in Aktentaschen Briefe heraus. Rund 8.000 Schreiben kamen so zusammen: Vor Nationalstolz triefende Gedichte, freundliche Angebote, dem Führer die Haare zu schneiden – und eine Reihe von Liebesbriefen von „Volksgenossinnen“ mit denkwürdigen Aufschriften wie „An Wölflein“, „Heißersehnter“, „Geliebtes Adilie“.
Lobgesänge und Wahnvorstellungen
Im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde wurden die Briefe vom Schimmel befreit und konserviert. Auf ihnen schimmern Liebesschwüre in blauer oder türkisfarbener Tinte. Die oft schwer leserlichen Handschriften sind über die Jahre stark ausgeblichen, einige von ihnen hat das durstige Papier bis zur Unkenntlichkeit aufgesaugt. Fotos von lächelnden Menschen und Postkarten mit Blümchenmotiven liegen wild zwischen den Blättern. Die Dokumente füllen Hunderte Seiten, zusammen bilden sie ein Mosaik personifizierter Geschichte.
Manche der liebestollen Frauen verfassten durchaus sachlich gehaltene Anschreiben: „Lieber Führer Adolf Hitler! Eine Frau aus dem Sachsenland wünscht sich ein Kind von Ihnen“, heißt es da. Andere schickten schmachtende Lobgesänge: „Du süßestes herzensbestes Lieb, mein Einziges, mein Allerbester, mein trautest und heißest Geliebtes. Weißt Du, heute könnte ich Dir gar nicht genug Namen geben, heute möchte ich Dich vor lauter Lieb’ auffressen. Was würden aber da die anderen sagen?“ Einige der Briefe sind Beweis der Wahnvorstellungen ihrer Verfasserinnen („Du gibst mir über Rundfunk so viel zu verstehen“) und so manch einer der Liebesschwüre ist eine patriotische Offenbarung von ganz besonderem Kaliber: „Ich küsse Dich auf Deine 4 Buchstaben und tue Front frei, damit Du fühlst wie lieb ich Dich hab.“
„Meine Braut ist Deutschland”
Keine Frage: Auch wenn der Diktator immer wieder bekräftigte: „Meine Braut ist Deutschland“ – der Mann hatte einen Schlag beim anderen Geschlecht. Und das, obwohl er mit seiner archaischen Vorstellung von der Rolle der Frau nicht hinterm Berg hielt: Ihre Kriegsfront sei der Kreißsaal und ihre Hauptaufgabe bestehe darin, dem Führer Kinder zu schenken – je mehr, desto besser. Einmal äußerte Hitler gegenüber seinem Leibarchitekten und Rüstungsminister Albert Speer: „Sehr intelligente Menschen sollen sich eine primitive und dumme Frau nehmen. Sehen Sie, wenn ich nun noch eine Frau hätte, die mir in meine Arbeit hineinredet! In meiner Freizeit will ich meine Ruh’ haben.“ Eva Braun, die Geliebte des „Führers“ stand bei dem Gespräch daneben.
Die Inhalte der Briefe und Karten muten komisch an. Auf einer Postkarte mit Märzenbechern schreibt ein Fan im Dezember 1940 an Adolf Hitler: „Süßes Adilie! Gleich will ich Dir wieder herzliche Grüße nach der Ostfront schicken. Wirst Du lange dort bleiben? Innige Küsse, Dein Ritschilie.“ Ob es sich bei dem Kartenschreiber um einen Mann oder eine Frau handelt, bleibt offen. „Lieber Dolfi! Du niedlicher Führer! Komm doch zu mir, ich gebe Dir mit heißem Herzen alles, was Du Dir von einer Frau wünschst…!“ steht auf einer Karte, abgestempelt in Gelsenkirchen.
Briefschreiberin in die Heilanstalt eingewiesen
All die Briefe an den „süßen Adilie“ erreichten Hitler nie. Sie wurden seinerzeit von Beamten der Reichskanzlei gesichtet und zu den Akten gelegt. Jene Frauen, die dem Führer ihre Liebe allzu überschwänglich offenbarten, wurden zudem häufig unter Überwachung gestellt und mitunter vom Sicherheitsdienst bedroht. Einige von ihnen wurden sogar – zu Recht oder unrecht – für geisteskrank erklärt und in „Heil- und Pflegeanstalten“ eingeliefert, was angesichts der Nazi-Ideologie vom „unwerten Leben“ einem Todesurteil gleichbedeutend sein konnte.
Die Geschichte der Gertrud Z. zeugt von dieser Vorgehensweise. Unermüdlich schrieb die Frau dem Führer Liebesbriefe. Von einem besonders langen, liebestrunkenen Brief existiert sogar eine Schreibmaschinenabschrift. Sie wurde 1943 vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda angefertigt. Die Frau schrieb: „Tun Sie mit mir, was Sie wollen. Sie können mich auch wieder in ein Irrenhaus einsperren, ist mir egal, wenn ich nicht beim Führer sein kann, bin ich so nur ein lebender Leichnam!“ Die Passage wurde mit rotem Buntstift unterkringelt. An dem Brief klebt ein Protokoll vom 5. November 1943, adressiert an das Innenministerium: Der Minister habe telefonisch mitgeteilt, dass Frau Z. sich ab sofort in einer „Irrenanstalt“ befinde.
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