Mit Pathos, Pomp und Propaganda feierte die Rothenburger NSDAP ihren zehnjährigen Kampf – auch mit einer Ausstellung. Die Zeitung schrieb: Eine von Gott gestellte heilige Aufgabe

Aufruf im "Fränkischen Anzeiger"

Aufruf im “Fränkischen Anzeiger”

Von Wolf Stegemann

Zweimal feierte die Rothenburger NSDAP ein Jubiläum: ihr zehnjährige Bestehen 1937 mit Pathos, Pomp und Propaganda und ihr 15-Jähriges im Kriegsjahr 1942, weniger pompös, doch mit Stolz und noch martialischeren Sprüchen. Weitere drei Jahre später wurde die Partei als verbrecherische Organisation von die Alliierten verboten und ihre großen und kleinen „Goldfasane“ aus den Partei- und Rathäusern interniert. Goldfasane nannte man abschätzig die Funktionäre wegen ihrer hellbraunen Uniformen mit goldenen Litzen, die dem Gefieder und dem Stolzieren eines Fasans glichen.

"Fränkischer Anzeiger"

“Fränkischer Anzeiger”

Zellenabende in Wirtschaften, Kaffee und Kuchen für 250 alte Frauen

Zum zehnjährigen Bestehen dieser versammelten NSDAP-„Fasanerie“ organisierten die Rothenburger Festveranstaltungen, die sich über Tage und Wochen hinzogen, mit Vorträgen, Kundgebungen, Feierstunden, einem Altenfrauennachmittag mit 250 Frauen und Kaffee und Kuchen, sieben Zellen-Abende in sieben Gaststätten (siehe dazu en Artikel). Die Zelle war eine Organisationsform innerhalb der NSDAP-Ortsgruppe. Die größte begleitende Veranstaltung aber war eine große Ausstellung in der Gewerbehalle am Marktplatz mit dem eigentlich unpathetischen Titel „Aus dem Kampf der NSDAP, im Reich und der Ortsgruppe Rothenburg“. Sie bildete den Anschluss der Reihe von Veranstaltungen.

Mit Fahnen und Fanfarenklängen in die Ausstellung

Mit großem Pomp wurde die Ausstellung, die der NSDAP-Propagandaleiter Georg Höfler zusammengestellt und der von der Partei auch wegen seines öffentlich gezeigten Antisemitismus’ hochgeschätzte Ernst Unbehauen künstlerisch gestaltet hatte, Anfang Dezember 1937 in der Gewerbehalle eröffnet: Dazu schreibt A. M. im „Fränkischen Anzeiger“:

„Ein neues Bild bietet sich mittags auf dem Marktplatz und vor dieser Halle. Die Politischen Leiter des Ortsgruppen- und Kreisstabes und ein Ehrensturm der SA sind vor der Ausstellungshalle angetreten. Auf der Treppe zur Ausstellung steht der Fahnenträger der am Morgen übergebenen Kreisfahne. Unterhalb der Fahnenabteilung stehen die Ortsgruppenfahne und die Fahne des angetretenen SA-Ehrensturms.“

Ausstellungtsfoto; entnommen dem Fränkischen Anzeiger

Ausstellungtsfoto; entnommen dem Fränkischen Anzeiger vom 1. Dezember 1937

Zu den Klängen eines „schneidigen Marsches“ trafen der Kreisleiter, die Ortsgruppenleiter und aus Nürnberg Gauamtsleiter Fink ein. Danach sprach Kreisleiter Karl Steinacker zu den Gästen und den „in Massen“ gekommenen Partei- und Volksgenossen, die Kopf an Kopf auf dem Marktplatz standen. Steinacker redete, wie er bei solchen Anlässen immer redete, berichtete voller Stolz über den Kampfgeist der Partei und seiner Gliederungen, der ganz Rothenburg erfasste, dankte Ernst Unbehauen, der den Rothenburgern die Augen über die „schmarotzenden Juden-Verbrecher“ geöffnet hätte. Doch bald sei es aus mit dem „ewigen Juden“. Dabei verwies Steinacker auf das, was in der Ausstellung zu sehen sein wird: seitenweise Ausgaben des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, auf denen „über die Wahrheit des ewigen Feindes Alljuda“ und der große Kampf des Nationalsozialismus „in Einigkeit mit dem Volke“ gegen ihn, schon immer geschrieben wurde und wird. Und immer wieder wurde ein „Sieg Heil!“ auf den Führer ausgebracht und der Marktplatz „dröhnte davon wider“. Und dann sprachen die anderen „Goldfasane“ mit ihrem gespreizten Gefieder und ihren hohlen Worthülsen: der Gauamtsleiter Fink, der Bürgermeister Dr. Friedrich Schmidt aus Rothenburg, der stellvertretende Gauleiter Schmidt aus Nürnberg. Sodann begaben sie sich mit ihren Stäben und Begleitern unter Trommelschlägen und Fanfarenklängen in die Ausstellung.

„Volksgenossen! Geht in diese Ausstellung!“

Als „Erinnerung und Erlebnis auf der einen und Prüfstein auf der anderen Seite“ bezeichnete der „Fränkische Anzeiger“ das Machwerk von Partei und Ernst Unbehauen. Und er wendet sich mit kameradschaftlich-vertraulichem Du an den Leser, und sagt ihm, was ihn erwartet:

„Alles das, was dir ein klares Bild vom Kampf der NSDAP im Reich und im Kreisabschnitt Rothenburg vermittelt, was dir die Zielklarheit und Folgerichtigkeit des nationalsozialistischen Kampfes vom ersten Tage ab […] eindrucksvoll und lebenswahr vor Augen führt. Dokumente, Schriften, wertvolle einmalige Originale, Bild- und Presseberichte, vergleichende große Tafeln, Bücher, Plakate lassen in fein durchdachter, logischer Anordnung jedem die großen, heute kaum mehr fassbaren Leistungen, einen überwältigenden Kampf einer kleinen Schar mutiger Männer gegen Hass und Verrat, Verleumdung und Verspottung erfühlen und ich möchte sagen, es müsste kein Funken von Ehrlichkeit in jenem stecken, der nicht bewundern und bestaunen, vor allen Dingen aber anerkennen müsste, wie recht die NSDAP hatte und wie sie sich in der Vergangenheit und Gegenwart zum Segen des Volkes siegreich durchgesetzt hat. – Volksgenossen! Geht in diese Ausstellung! […] Wahrheit war und wird in alle Zukunft bleiben die Idee und das Wort des Führers, das nationalsozialistische Gedankengut, das uns seine Beauftragten vermitteln.“

 

Ausstellungsfoto; entnommen dem Fränkischen Anzeiger

Ausstellungsfoto; entnommen dem Fränkischen Anzeiger

Das „Wort“ als Waffe der NSDAP dargestellt

In diesem Stil schreibt der Berichterstatter in der Zeitung spaltenlang weiter, schreibt, dass es die Juden waren, die „von links und rechts die deutschen Volksgenossen verhetzt und betört haben, um in einem chaotischen Volkskörper ihre düsteren Geschäfte zu erledigen“. Daher begann die Ausstellung auch mit diesem Thema, dem Verrat „am deutschen Wesen, deutscher Kraft und an der deutschen Volkheit“ durch den jüdischen Bolschewismus in Deutschland. Gezeigt wurden Dokumente, Telegramme und Aufrufe der KPD in Franken. Natürlich standen dabei der Führer und seine Leistung, die Schaffung der Volksgemeinschaft, das Sprengen der Ketten von Versailles und der Knechtschaft im Mittelpunkt der Ausstellung. Aber auch der kleinen Führer im fränkischen Gau wurde gedacht. In Zeitungsausschnitten wurde dokumentiert, dass das „Wort“ als Waffe der NSDAP bis in die kleinsten Winkel geführt wurde, Versammlungen auf Versammlungen, Fahnenweihe in Rothenburg und Geslau durch Pfarrer Max Sauerteig aus Ansbach.

„Zum Wort gesellte sich bald die Schrift, die Zeitung, das Flugblatt, die Illustrierte. Unter den bekanntesten sticht eine besonders hervor: ,Der Stürmer’. Er war die schärfste Waffe im Kampfe der fränkischen Nationalsozialisten und er ist heute die größte und bekannteste Waffe gegen das Judentum und den Bolschewismus nicht nur in Deutschland, sondern in der Welt.“

Die „Stürmer“-Zeitungsmütze des Austrägers in der Vitrine

In einer Vitrine wurde die „Stürmer“-Mütze des Rothenburger Parteigenossen Lades gezeigt, der diese trug, als er seit 1930 in der Tauberstadt den „Stürmer“ verteilte. Über die so genannte „Bären-Schlacht“ 1929 zwischen SPD und NSDAP im Saal des Hotel Bären wurde ein Geheimbefehl der NSDAP gezeigt, der damals an die SA erging. Er lautete:  „Wenn es ernst werden sollte, das Augenmerk einzig und allein auf die großmäuligen Führer zu richten.“ Gemeint war damit, wenn es zur Prügelei kommen sollte, die Führer der SPD zu verhauen. Weiter wurde in der Ausstellung auf das hingewiesen, was „der herrliche Nationalsozialismus, der Führer und Kreisleiter Steinacker, für Rothenburg bewirkt hätten: das Winterhilfswerk, den Muttertag, die großen Hesselberg-Kundgebungen, den Frankenführer Streicher und Ministerpräsident Göring in Rothenburg, die Mahntafel-Einweihung gegen die Juden am Rödertor, die Kundgebungen mit Ministerpräsident Ludwig Siebert aus Anlass der Wiederherstellung Alt-Rothenburgs. Dazu die Bewertung des Fränkischen Anzeigers:

„Alle diese Leistungen sind Ausdruck jenes höchsten Wertes, von dem ich oben schon einmal sprach und von dem aus alle unsere Arbeit, ob körperliche Ertüchtigung, ob Wehrsport, geistige Schulung, ob Dienst mit der Sammelbüchse, erst ihren Sinn und ihre Berechtigung empfängt. Und wenn man die Ausstellung im ersten Stock verlässt und sich in das Erdgeschoss des Ausstellungsgebäudes als Fortsetzung der Ausstellung begibt, […] einen Talmud, ein Ölbild über einen Ritualmord  sieht, dann ist man der Vorsehung dankbar, dass der Nationalsozialismus gesiegt hat“

Unbehauens Kopie des antijüdischen Ritualmord-Bildes in er antisemitischen Ausstellung

Unbehauens Kopie des antijüdischen Ritualmord-Bildes in der Ausstellung; entn. dem Buch von U. Herz

Bei dem Ritualmord-Bild handelt es sich um eine 1935 von Ernst Unbehauen gemalte exakte Kopie des Trienter Ritualmord-Bildes. Unbehauen signierte es und bezeichnete es mit „zu(r) Unterstützung des Propagandafeldzugs gegen die Juden“. Das Bild war zeitweise verschwunden. 1945 tauchte es „unerwartet“, so Unbehauen, hinter einem Schrank in einer „Gewerbehalle“ wieder auf. Im Entnazifizierungsverfahren diente es als Beweis und wurde danach dem Stadtarchiv übergeben, wo es „in Vergessenheit geriet“ und erst 2010 von der Archivarin Angelika Tarokic wieder entdeckt und dem Reichsstadtmuseum zur Aufbewahrung übergeben wurde. 

„Groß ist die deutsche Sendung“

Angesicht dessen, dass das nationalsozialistische Regime nur zwölf anstatt tausend Jahre anhielt, mag der Schlussabsatz des Berichterstatter A. M. im „Fränkischen Anzeiger“ sibyllinisch klingen, wenn er schreibt:

„Wir wissen nicht, wie lange uns das Schicksal zu unserem heiligen Werke Zeit läßt. Mag es eine kurze oder längere Zeit sein. Immer ist sie bemessen und nie endlos. Aber wenn diese Frist abgelaufen ist, das ist das herrlichste, dann wird die von uns geformte Jugend den dritten Schritt der deutschen Revolution tun. […] Groß ist die deutsche Sendung und göttlich zugleich. Und Pflicht eines jeden deutschen Volksgenossen ist es, sich dieser heiligen und – wir glauben daran – von Gott uns gestellten Aufgabe stets bewusst zu sein. – Jeder Volksgenosse muß die Ausstellung ,Aus dem Kampf der NSDAP im Reich und der Ortsgruppe Rothenburg’ besuchen. Auch am kommenden Sonntag von 10-12 Uhr und von 13-17.30 Uhr geöffnet!“

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Anmerkung: In dieser Online-Dokumentation „Rothenburg unterm Hakenkreuz“ haben wir über eine Reihe von NSDAP-Versammlungen berichtet und deren Verlauf und Reden-Inhalte wiedergegeben. Die Quelle ist, wie stets angegeben, meist auch die lokale Tageszeitung „Fränkischer Anzeiger“. Wir haben den Tenor dieser Berichterstattung in Wort und Sinn der Authentizität wegen beibehalten, um dem heutigen Leser augenfällig zu machen, wie verdreht, hohl und verlogen nicht nur die immer wieder gleichen Reden der NS-Funktionäre waren, sondern auch die Darstellungen in der Zeitung. Dass dies für Zuhörer und Zeitungsleser auch damals hätte erkennbar sein können, darüber möchten wir nicht urteilen. 
Quellen: „Fränkischer Anzeiger“ vom 8. Nov. 1937 und vom 1. Dez. 1937. – Ulrich Herz „Der Maler und Mensch Ernst Unbehauen“, Rothenburg 2011, S. 18.
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