Von Wolf Stegemann
Sein Amt führte er zwar voll, dennoch nominell kommissarisch aus. Denn Karl Steinacker, der seit März 1942 bei der Wehrmacht war, blieb offiziell Kreisleiter der NSDAP in Rothenburg. Erich Höllfritsch wurde im Januar 1944 Nachfolger des Kreisleiters Wilhelm Seitz, der dieses Amt aufgeben musste, da er zugleich Kreisleiter in Ansbach war und nur noch einen Kreis führen durfte.
Führer des NS-Studentenbundes
Der 1913 in Nürnberg geborene Erich Höllfritsch trat bereits als 19-Jähriger 1932 in die NSDAP ein und gehörte auch etlichen angeschlossenen Parteigliederungen an – wie der SA, dem NSKK, der NSV und dem NS-Studentenbund an. Er studierte in Erlangen, trat dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) bei und leitete für die Nürnberger Gestapo die Enteignung und Beschlagnahme des Vermögens von konfessionellen Studentenverbindungen in Bamberg ein. Der Rektor der Erlanger Universität musste gegen seinen Willen Erich Höllfritsch nach 1933 als neuen Studentenführer akzeptieren. 1936 wurde der Erlanger Studentenführer Höllfritsch auf Intervention von Gauleiter Julius Streicher „Gaustudentenführer Franken“. Dies blieb er bis 1938. In der Zwischenzeit war Höllfritsch an mehreren handfesten Schlägereien beteiligt.
Ob Erich Höllfritsch sein Ingenieursstudium in Erlangen je abgeschlossen hatte, ist nicht bekannt. Er gehörte zu denen, die über die Partei Karriere machten. 1943 soll er kurz im Kriegseinsatz gewesen sein, bevor er im Januar 1944 zum Kreisleiter in Rothenburg berufen wurde. Der stellvertretende Gauleiter Karl Holz sagte bei der Einführung über den kommissarischen Kreisleiter Höllfritsch, dass er ein „alter, bewährter Kämpfer der Bewegung“ sei, „der schon in frühester Jugend im Nationalsozialistischen Schülerbund in aktivster Weise für die Partei gekämpft habe“. Mit Rothenburg übernehme der Hauptabschnittsleiter Höllfritsch einen Kreis, der in der Geschichte der Bewegung des Gaues Franken eine besondere kämpferische Tradition habe. Und weiter sagte er:
„Pg. Höllfritsch sei seit Beginn des Krieges Soldat gewesen und habe sich an der Front genauso bewährt wie einst im Kampf der Bewegung um die Macht.“
Mit Rothenburg-Land übernehme er einen Kreis, in dem sich ein kleines Häuflein unentwegter kompromissloser Kämpfer im Kampf gegen Juden, Marxisten und Spießertum durchsetzte.
„Die Nationalsozialisten Rothenburgs dürfen stolz sein auf diese Zeit, und wenn heute die nationalsozialistische Bewegung fest und unerschütterlich auch im Kreise Rothenburgs steht, so sei das nicht zuletzt auf den hervorragenden Kampfgeist zurückzuführen, den die alten Parteigenossen von einst bewahrt hätten.“
Kreisleiter in Rothenburg von 1944 bis zum Ende
Kreisleiter Erich Höllfritsch, bedankte sich mit den Worten, dass die „dem Kreis Rothenburg innewohnende nationalsozialistische kämpferische Tradition für ihn besonders verpflichtend und er sich der Größe der Aufgabe, die Verantwortung für das politische Geschehen im Kreise Rothenburg zu übernehmen, vollauf bewusst sei. Mit dem Bekenntnis zu einem unerschütterlichen „Glauben an den Sieg unserer Waffen und damit an den Sieg einer neuen sozialistischen Lebensordnung“ sowie mit einem Gelöbnis, das der Fränkische Anzeiger als eindrucksvoll beschrieb, und der Hingabe an den Führer und dessen Werk sowie der Nationalhymne fand die Einführungsveranstaltung ihren Abschluss, nachdem Ortsgruppenleiter Haas dem scheidenden Kreisleiter Wilhelm Seitz ein Ehrengeschenk mit auf den Weg nach Ansbach überreicht hatte.
Danach hielt der stellvertretende Gauleiter Karl Holz einen Appell an die Rothenburger Nationalsozialisten, in dem er u. a. den Stolz der Parteigenossenschaft ansprach, mit dem sie auf die geleistete Arbeit zurückblicken könnten. Stolz, weil die Heimat vorbildlich und beispielhaft geworden ist, da der Jude aus dem deutschen Volk beseitigt, der Marxismus ausgerottet und die Freimaurerei vernichtet wurde.
„Uns Deutschen brauchten um die Zukunft nicht bange zu sein, denn, wenn das deutsche Volk konsequent wie bisher, so auch weiterhin den Kampf gegen das teuflische Judentum fortführt, wird der gerechte Herrgott es eines Tages mit dem Sieg belohnen.“
Schuld der Juden am Bombenterror
Laut Zeitung erfolgte hier eine „stürmische Zustimmung“ der Zuhörer. Zur Frage des Luftkriegs bemerkte Karl Holz, „dass die Rechnung, die der Feind hinsichtlich des Bombenterrors aufstellte, nicht aufgegangen sei. Hinter dem unmenschlichen Bombenterror grinse die teuflische Fratze der Juden, die eine satanische Freude über den Tod unschuldiger deutscher Frauen und Kinder empfinde. „Mag der Weg noch so schwer sein. Wir gehen ihn, weil wir an Deutschland glauben und Adolf Hitler treu sind.“
Der „Fränkische Anzeiger“ bemerkte dazu: „Mit diesen aufrüttelnden Worten schloss Stellvertr. Gauleiter Karl Holz unter dem lang anhaltenden stürmischen Beifall der Parteigenossenschaft seine Rede.“
Mit dem Volkssturm von Franken an die Oderfront
Der Kreisleiter war ein so genannter Hoheitsträger und für den Volkssturm verantwortlich. Erich Höllfritsch rief im Februar 1945 alte und kriegsversehrte Männer in Rothenburg zu den Waffen, zog mit ihnen an die Oderfront, um dort mit Karabinern russische Panzer aufzuhalten. Als der Rothenburger Gärtner Johann Rößler die Unsinnigkeit einsah und sich von der Oder mit einem Kraftausdruck Richtung Rothenburg aufmachte, meldete Höllfritsch dies dem stellvertretenden Gauleiter Holz nach Nürnberg. Somit kam ein Verfahren in Gang, an dessen Ende Rößler am 7. April 1945 an der Rothenburger Friedhofsmauer erschossen wurde.
Als die US-Soldaten bereits vor der Stadt standen, gab Höllfritsch Durchhalteparolen aus, soll sich aber selbst aus dem Staub gemacht haben, als die Amerikaner einrückten. Dabei soll der mächtige Kreisleiter am Brauhaus vorm Klingentor auf dem Hosenboden den steilen Hang hinunter ins Taubertal gerutscht sein. Ob das so richtig ist, muss noch verifiziert werden; ist aber schwierig. Aktenmäßig nachgewiesen ist, dass er aufgrund eines Haftbefehls am 1. Juni 1948 im Rothenburger Amtsgerichtsgefängnis einsaß (seit wann und wie lange, ist nicht bekannt), da an diesem Tag seine Frau ihn 15 Minuten lang besuchen durfte.
Ein Hin und Her von Urteilen und Aufhebungen
Die Rothenburger Spruchkammer „entnazifizierte“ Erich Höllfritsch und schickte ihm am 5. Juni 1948 einen Sühnebescheid mit Einreihung in die Gruppe 1 der Hauptschuldigen. Höllfritsch legte Berufung ein. Die Hauptberufungskammer München, Außenstelle Nürnberg, beließ ihn am 31. Juli 1950 in dieser Gruppe der Hauptschuldigen. Der Kassationshof im Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben hob das Urteil der Hauptberufungskammer indes am 2. November 1950 auf. Doch der Minister für politische Befreiung hob am 22. Dezember 1950 aus formalen Gründen diesen Beschluss wieder auf:
1) Der Beschluss des Kassationshofs vom 22. 11. 50 (K 11 277) wird gem. Art. 52 Bs. 3 Befr. Gesetz wieder aufgehoben.
2) Es verbleibt bei dem Spruch der Berufungskammer München – Außenstelle Nürnberg – vom 31. Juli 50. Die Höllfritsch-Akte im Staatsarchiv Nürnberg, aus der dies hervorgeht, besteht lediglich aus vier Blättern Schriftverkehr zwischen dem Staatsarchiv Nürnberg und dem Amtsgericht München.
Erich Höllfritsch gehörte juristisch zum Täterkreis der Verurteilung Rößlers
Mitte der 1950er-Jahre tauchte Erich Höllfritsch wieder in den Schlagzeilen auf. Er wurde von der Staatsanwaltschaft Ansbach im Prozess gegen den SS-General Max Simon vernommen und vor Gericht als Zeuge gehört. Simon hatte kurz vor Kriegsende in Brettheim drei Einwohner auch für damaliges Recht nach unzureichenden Standgerichtsurteilen hängen und in Rothenburg den Deserteur Johann Rößler 1945 erschießen lassen. Zumindest im Fall Rößler war Kreisleiter Höllfritsch beteiligt, wenn auch nur als Randfigur.
Als Bewohner der Ortschaft Hausen am Bach sich weigerten, Hitlerjungen zu verpflegen und vor allem ihnen Werkzeug zu stellen, damit sie Stellungen gegen vorrückende US-Panzer bauen konnten, fuhr Kreisleiter Höllfritsch auf Veranlassung von SS-General Simon vom XIII. SS-Armeekorps nach Hausen und brachte die „Situation wieder in Ordnung“. Währenddessen kam es im nahen Brettheim zu einer ähnlichen Situation. Als Höllfritsch von Hausen nach Rothenburg zurückgekommen war, machte ihn Simon wegen Brettheim persönlich Vorhaltungen und wollte ihn erneut losschicken, damit er in Brettheim aufräume. Als der Kreisleiter dem SS-General sagte, dass Brettheim außerhalb seines Kreises liege, schickte Simon seinen k-Offizier hin, der dann das Standgerichtsverfahren mit tödlichem Ausgang für drei Brettheimer durchführte. So ist es in den Höllfritsch-Vernehmungsprotokollen der Staatsanwaltschaft Ansbach nachzulesen (Staatarchiv Nürnberg, Abg 1986).
Im Freispruch für Max Simon und seinen Mitangeklagten vom 15. Oktober 1954, bezogen die Ansbacher Richter der 1. Strafkammer Erich Höllfritsch in den freigesprochenen Täterkreis mit ein.
Als Erfinder viele Patente angemeldet
In den späteren Jahrzehnten der Bundesrepublik brachte es Erich Hollfritsch zum beruflichen Erfolg. Als Dipl.-Volkswirt gründete er in Behringersdorf /Gemeinde Schwaig bei Nürnberg ein Unternehmen, in dem er sich hauptsächlich mit Erfindungen zum Thema Verfahren und Einrichtungen zur Herstellung eines Tragegerüsts für einen Doppelboden befasste. Der Erfinder hat von Mitte der 1950er- bis Mitte der 1980er-Jahre unzählige Erfindungen gemacht und EU-Patente angemeldet. Erich Höllfritsch starb 1991 in Behringersdorf bei Nürnberg.
_______________________________________________________________
Sehr geehrter Autor,
als einer seiner Söhne habe ich lange mit mir gerungen, mich zu einer Stellungnahme über Ihren Bericht zur braunen Vergangenheit meines Vaters hinreißen zu lassen oder nicht. Schließlich habe ich mich dafür entschieden, weil einige Details Ihres Artikels aus meiner Sicht einer Richtigstellung bedürfen:
1) Inwiefern mein Vater Karriere über die Politik gemacht haben soll, geht weder aus Ihrem Bericht hervor, noch ist diese Behauptung durch Tatsachen belegt. Mir ist davon nichts bekannt.
2) Mein Vater hat in Erlangen kein Ingenieurstudium absolviert, sondern dort Volkswirtschaft studiert, das er auch ordentlich mit einem Diplom abgeschlossen hat.
3) Mein Vater war nicht 1943 kurz im Kriegseinsatz, sondern war – wenn ich mich recht erinnere – ab 1940 in Frankreich und ab 1942 an der Ostfront in Russland, bis er in der Tat 1944 nach Rothenburg abberufen wurde.
4) Da Sie offensichtlich keine Augenzeugen für Ihre Behauptung haben, mein Vater sei, als die Amerikaner näher rückten, auf dem Hosenboden in das Taubertal gerutscht und habe sich auf diese Weise eher feige aus dem Staub gemacht, bitte ich Sie, diesen Passus solange zu streichen, bis es Belege dafür gibt. Meinen Vater habe ich vollkommen anders kennengelernt. So hat er stets und sein Leben lang Verantwortung übernommen und ist immer für sein Handeln aufrecht eingestanden. Das Bild, das Sie dagegen von ihm zeichnen, ist ehrabschneidend.
5) Die Zeit des Dritten Reiches ist fraglos das sicherlich dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Vieles, was damals geschehen ist, lässt sich meiner Ansicht nach aber nur aus der Zeit heraus beurteilen und verstehen. Ich persönlich lehne es ab, über Menschen unserer Väter- und Großvätergeneration, die damals Mitglieder der Volksgemeinschaft waren, den Stab zu brechen. Gleichwohl trage ich als 1950 geborener Deutscher Hitler und die Verbrechen des Dritten Reiches ebenso in meinem “Rucksack”, wie ich darin Goethe, Beethoven, Schiller, Kant und andere Geistesgrößen mit gewissem Stolz beherberge.
Anmerkung des Verfassers: Dass Söhne oder Töchter ihre im Nationalsozialismus stark verstrickten Väter anders betrachten, ist in der Geschichtswissenschaft hinlänglich bekannt. Herausgeber und Verfasser akzeptieren diesen Umstand mit Respekt. Eine andere Betrachtungsweise erschließt sich allerdings aus den Akten der NS-Zeit und der Nachkriegszeit, aus belegten Reden und nachgewiesenem Handeln. Daraus und aus den Rechtfertigungsversuchen und Zeugenaussagen – beispielsweise aus Entnazifizierungsakten – ein Bild zu zu zeichnen, ist Aufgabe von Autoren. Nichts anderem ging der Autor im Fall des NSDAP-Kreisleiters Höllfritsch nach. – Über Ehrabschneidung zu sprechen, wenn darüber geschrieben wird, wenn sich 1945 NS-Funktionäre aus dem Staub gemacht hatten, um sich der Verantwortung zu entziehen, ist eigentlich kein Diskussionsstoff. Dass es Aussagen darüber gibt, dass Höllfritsch dabei auf dem Hosenboden gerutscht sein soll, auch nicht.