Von Wolf Stegemann
Er war ein „alter Kämpfer“, wurde 1891 geboren und nahm sich am 2. Mai 1945 das Leben. Der NSDAP gehörte er seit 1929 an. Kreisleiter war Wilhelm Seitz von 1932 bis 1945, davon von 1932 bis 1941 in Nürnberg-Land und anschließend in Ansbach. Zudem war er von März 1942 bis Januar 1944 kommissarischer Kreisleiter in Rothenburg. Letzteres Amt musste er auf Grund einer Anordnung der Reichskanzlei aufgeben, wonach in Zukunft ein Kreisleiter nicht mehr als einen Kreis der NSDAP führen durfte. Daher trat am 6. Januar 1944 in Rothenburg ein Wechsel ein. Sein Nachfolger wurde der Führer des NS-Studentenbundes im Gau Franken, Erich Höllfritsch. Formal blieb weiterhin der im Wehrdienst stehende Karl Steinacker Kreisleiter.
Dass Wilhelm Seitz als Kreisleiter in Rothenburg nicht so präsent war, wie sein Vorgänger und dann sein Nachfolger, ist an den Zeitungsberichten über ihn im „Fränkischen Anzeiger“ ersichtlich, die stark abgenommen haben. Er ist natürlich dabei, wenn Pimpfe in die Hitlerjugend aufgenommen wurden, denn Wilhelm Seitz war seit Februar 1943 auch Kreis-Bannführer der Rothenburger Hitlerjugend (Bann 308). Die HJ-Führung hat er bei seinem Ausscheiden aus dem Rothenburger Amt als Kreisleiter dem Bannführer Loidl aus Ansbach übergeben. Wilhelm Seitz’ Name stand in der Zeitung, und wenn er sprach, hielt er große Reden. Immer wieder vor der Jugend, sagte den Müttern, wie sie ihre Kinder zu erziehen und sie schließlich dem Führer zu schenken hätten. Er verteilte auch Mutterkreuze. Dabei meinte er, „die deutsche Frau sei ein wesentlicher Faktor des Sieges“. Seitz schwor die Rothenburger immer wieder auf den Sieg ein, übermittelte ihnen und den NSDAP-Funktionsträgern, dass „der Nationalsozialismus Richtschnur allen Denkens und Handelns“ sei und dass Deutschland im Krieg seine Kinder für die Zukunft verteidige. Er organisierte im September 1943 den NSDAP-Kreistag in Rothenburg sowie das Weihnachtsfest für Soldatenfrauen und sammelte schließlich für das Kriegswinterhilfswerk.
Wilhelm Seitz missbrauchte rücksichtslos seine Macht
In Ansbach kannte man Wilhelm Seitz genauer und länger: Dort war er bekannt als „radikaler Kreisleiter, der seine Macht rücksichtslos missbrauchte“. Nicht selten wandte er Druck- und Zwangsmittel an, um seinen politischen Willen durchzusetzen. Darüber hinaus wurde er beschrieben als gewalttätig, unkooperativ und machthungrig, wobei er keine andere Meinung als die seine gelten ließ. Außerdem waren ihm zahlreiche „Vergehen gegen die Menschlichkeit“ zur Last gelegt worden. Laut den Belastungszeugen in seinem nach 1945 postum erfolgten Spruchkammerverfahren gab es hierfür eine Vielzahl von Beispielen. Seitz soll am 15. April 1945 die sofortige „Umlegung“ eines Polen gefordert haben, nachdem dieser seinen Dienst als Fuhrknecht verschlafen hatte. Als sein Befehl nicht ausgeführt wurde, ließ er den Polen von einem Standgericht, bei dem er selbst mitwirkte, zum Tode verurteilen. Die Vollstreckung war von der Schutzpolizei noch am selben Abend vorgenommen worden.
1944 wollte er die Wagen mehrerer aus Frankreich kommender Reisender, die im Ansbacher Hotel „Stern“ wegen einer Autopanne logieren mussten, beschlagnahmen lassen. Als Begründung führte er an: es gehöre sich nicht, dass die Leute in der Welt herumkutschieren; man solle sie dem Arbeitsamt melden und an die Drehbank stellen. Kriminalkommissar Endreß brachte die Reisenden nach Nürnberg, wo ihre Papiere nochmals geprüft und für in Ordnung befunden wurden, so dass sie ihre Reise fortsetzen konnten. Am 17. März 1945 stürzte in der Nähe von Alberndorf ein amerikanisches Flugzeug ab. Fünf Insassen waren auf der Stelle tot, einem sechsten gelang es, mit dem Fallschirm abzuspringen. Als Seitz zum Unglücksort kam, gab er den umstehenden SA-Leuten den Befehl „diesen Schweinehund umgehend zu erschlagen“. Da alle sich weigerten, dies zu tun, wurde der Flieger am Ende in ein Lager gebracht.
Der Kreisleiter beging am 2. Mai 1945 Selbstmord
Aufgrund dieser Belastungen wäre Seitz zu Lebzeiten – er beging am 2. Mai 1945 Selbstmord – in die Gruppe I der Hauptschuldigen eingereiht worden; sein ganzes Vermögen hätte eingezogen werden müssen. Mit Rücksicht auf seine Witwe lautete der Spruch der Hauptkammer Nürnberg vom 13. Oktober 1949 auf 50-prozentigen Vermögenseinzug. Ein zusätzliches Entgegenkommen bedeutete der Beschluss vom Juli 1953, der eine Umwandlung des prozentualen Vermögenseinzugs in eine feste Geldsumme von 2.500 DM vorsah.
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