W. St. – Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, so schrieb Ernst Unbehauen in der Festschrift zum 700-jährigen Stadtjubiläum 1974, habe sich die Entdeckung der Stadt zum Künstlerparadies endgültig vollzogen. Neben Schriftstellern und Dichtern gaben sich Maler und Kunstkenner aus dem In- und Ausland in den folgenden Jahrzehnten ein Stelldichein in der Tauberstadt: Georg Dehio, Arthur Wasse, Toulouse-Lautrec, Elias Bancroft, Wassili Kandinsky, Hans Thoma, Anton Hoffmann, Richard Corelli, S. M. Rooseveld, A. de Fried, Olaf Gulbransson, Hugo Steiner, um nur einige zu nennen. „Dazwischen ragten die Rothenburger Maler heraus“, so Unbehauen, bzw. die, die sich im Laufe der Jahrzehnte in Rothenburg niedergelassen hatten. Das waren u. a. Peter Philippi, Wilhelm Schacht, Adolf Hoße, Paul Sollmann, Constantin von Mitschke-Collande und Franz Bi.
Im Krieg wurden Künstler Kriegsmaler an den Fronten
Rothenburger Künstler gründeten 1923 den Rothenburger Künstlerbund, der „in der Tradition der alten Reichsstadt lebend und wirkend“ (Unbehauen), vorerst der traditionellen impressionistischen Kunst verhaftet war. Alle Gründungsmitglieder waren in Rothenburg tätig, aber nicht gebürtig. Zu ihnen gehörten Adolf Hoße, Gustav Lüttgens, Paul Lumnitzer, Peter Philippi, Hans Prentzel, Wilhelm Schacht, Rudolf Schacht und Arthur Wasse. Der Vereinszweck steht in der handgeschriebenen Satzung von 1923: „Der Verein bezweckt die Förderung der Interessen der in Rothenburg/Tauber ansässigen oder tätigen bildenden Künstler durch gemeinsame Ausstellungen in Rothenburg und auswärts.“ In den folgenden Jahren schlossen sich immer mehr Künstler an. Die Stadt als Förderer stellte das Erdgeschoss im ehemalige Fleisch- und Tanzhaus am Herterichsbrunnen für ständige Ausstellungen zur Verfügung. Ohne große Experimente führte der Künstlerbund ein unaufgeregtes Dasein und kam so – ebenso unaufgeregt – durch die zwölfjährige NS-Diktatur. 1937 wurde der Bund in die Künstlerorganisation der NSDAP im Rahmen der Gleichschaltung eingebracht. Ein Teil der Künstler wurde als Kriegsmaler zum Militärdienst eingezogen, wie Ernst Unbehauen.
Constantin von Mitschke-Collande kam 1945 nach Rothenburg
1945 kam der Maler und Grafiker Constantin von Mitschke-Collande von der zerstörten Stadt Dresden in die zerstörte Stadt Rothenburg und wurde Mitglied des Künstlerbundes. Sein Freund und Künstlerkollege Franz Bi hatte ihn in die Tauberstadt geholt. Von Mitschke-Collande gehörte zu den Künstlern, dessen Werke in der Zeit des Nationalsozialismus als „entartet“ diffamiert und 1937 in der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ angeprangert wurden. Der Staat konfiszierte 13 Bilder Collandes, der ab 1935 Berufsverbot hatte. Constantin von Mitschke-Collande war Porträtmaler, Holzschneider und Lithograf. Er entstammte einer schlesischen Adelsfamilie und wurde 1884 auf dem Gut Kollande geboren. Zusammen mit Oskar Kokoschka und Otto Dix gehörte er nach dem Ersten Weltkrieg zu den Gründern der „Neuen Sezession“ in Dresden, wo beim Bombenangriff 1945 der größte Teil seiner Werke verloren gingen. Aus seiner ersten Ehe stammen die Schauspieler Volker von Collande (1913-1990) und Gisela von Collande (1915-1960). Die Schauspielerin und Autorin Nora von Collande (geb. 1958) ist seine Enkelin. 1952 zog der Künstler nach Nürnberg, wo er vier Jahre später starb.
Künstlerbund spendete für den Wiederaufbau
Nach dem Krieg wurden Vertreter des Künstlerbundes (zusammen mit dem Verein Alt-Rothenburg) als Berater in das neu errichtete Wiederaufbauamt der Stadt berufen. Das waren Constantin von Mitschke-Collande sowie die Architekten Franz Bi und Leonhard Kerndter. Vom März 1946 bis Dezember 1947 konnte der „Rothenburger Künstlerbund“ zu sieben Ausstellungen einladen, die von rund 50.000 Besuchern gesehen wurden. Sämtliche Einnahmen von ca. 45.000 Reichsmark wurden für den Wiederaufbau des zu einem Drittel zerbombten Altstadtensembles gespendet. Ab 1949 nahm der Bund auch Architekten als Mitglieder auf, um im Aspekt der Bündelung der Kräfte den Wiederaufbau verstärkt voranzutreiben.
Ernst Unbehauen, bekannt durch seine antisemitischen „Kunstwerke“ an den Toren der Stadt in der NS-Zeit, schrieb 1974 in der Festschrift „Reichsstadt-Jubiläum 1274-1974 Rothenburg ob der Tauber“ abfällig über den in der NS-Zeit als „entartet“ diffamierten Künstler- und Vereinskollegen: „Der ,Brücke’-Maler Constantin von Collande, ehemals Anhänger der Abstraktion, kehrte in Rothenburg immerhin zur ,ablesbaren Form’ der Malerei zurück.“ Maler und Mitglieder des „Rothenburger Künstlerbundes“ brauchten während der NS-Zeit Sanktionen nicht zu befürchten. Sie waren mit ihrer Kunst auf gleichgeschalteter NS-Linie, da es vornehmlich Landschafts- und Blumenmaler, Maler des bäuerlichen Lebens sowie der fränkischen Häuser und Gassen waren. Ein Genre, das in der NS-Zeit nicht beanstandet wurde.
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