Sondergericht (12): Postfacharbeiter für drei gestohlene Feldpostpäckchen zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt

Ein Feldpost-Päckchen

Ein Feldpost-Päckchen

W. St. – Es hat vor Sondergerichten Todesurteile gegebenen, wenn beispielsweise in den Kriegszeiten jemand unter Ausnutzung der angeordneten Verdunkelung bei Fliegergefahr einer Frau die Tasche mit dem Portemonnaie entrissen hat oder als Postbeamter Feldpost in der Hoffnung unterschlug, darin Geld oder Lebensmittel zu finden. Solche Fälle, die unter dem Fallbeil endeten, sind bekannt. Der 18-jährige Oberfeldener Landwirtssohn Leonhard B., der als Postfacharbeiter im Dienst des Rothenburger Postamts stand, musste sich wegen Unterschlagung vor dem Sondergericht Nürnberg verantworten. Er wurde wegen Aneignung von drei Feldpostpäcken am 26. November 1942 lediglich zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Immerhin: für jedes Päckchen ein Jahr. Vorsitzender Landgerichtsdirektor Dr. Oeschey und die Beisitzer Dr. Gros und Dr. Hofmann sowie Staatsanwalt Dr. Kühn bewerteten seine Taten als fortgesetztes Verbrechen gegen die Volksschädlingsverordnung.

Postbediensteter versorgte sich aus den Päckchen mit Zigaretten und Keksen 

Als Aushilfe beim Colmberger Postamt legte Leonhard B. im Mai das Treuegelöbnis auf den Führer ab und wurde darauf hingewiesen, dass er jetzt als Beamter im Sinne des Strafgesetzbuches gelte. Einen Monat später fing er als Postfacharbeiter im Rothenburger Postamt an. Diese Tätigkeit missbrauchte er dazu, um sich insgesamt drei Feldpostpäckchen anzueignen. Im ersten Päcken, das er auf dem Nachhauseweg bereits öffnete und den Umschlag in den Straßengraben warf, befanden sich Zigaretten und Kekse. Zwei Tage später entwendete er wiederum ein Feldpostpäckchen. Darin befanden sich vier unentwickelte Filme, die er durch Öffnen vernichtete. Später gab er die Filme und die Verpackung seiner Zimmervermieterin zum Verbrennen. Die jeweiligen Briefe zerriss er. Als er wiederum zwei Tage später ein Feldpostpäcken entwendete, es auf der Toilette aufriss, den darin befindlichen Tabak herausnahm und die Umhüllung in die Toilette warf, wurde die Tat entdeckt. Bei seiner Vernehmung konnte er zu seiner Verteidigung nichts anbringen, außer, dass er ein starker Raucher sei.

Paketumhüllung wurde als Urkunde gewertet

Das Sondergericht bewertete seine Straftat als Diebstahl in Verbindung mit der Verletzung des Postgeheimnisses und Urkundenvernichtung im Amt. Mit Letzterem war das Wegwerfen der Päckchenumhüllungen gemeint. Im Urteil steht die Erklärung, warum Paketumhüllungen Urkunden sind:

„Denn diese verkörpern gedankliche Erklärungen und sind vermöge ihres gedanklichen Inhalts zum Beweise von Tatsachen im Rechtsleben geeignet und bestimmt. Der Angeklagte hat daher Urkunden, die ihm amtlich zugänglich waren, vorsätzlich vernichtet.“

"Fränkischer Anzeiger" vom 24. November 1942

“Fränkischer Anzeiger” vom 24. November 1942

Mit der Aufzählung der zusammenwirkenden Delikte war jedoch der Unrechtsgehalt dieser Straftaten nicht erschöpft.

„Der Angeklagte handelte unter Ausnützung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse. Die Feldpost ist eine durch den Krieg notwendig gewordene Einrichtung. Der große Anfall solcher Sendungen und die aus militärischen Sicherheitsgründungen eigenartige Beförderung stellen an die Postverwaltung Anforderungen, die das gewöhnliche Maß erheblich überschreiten. Diese Aufgabe kann nur gemeistert werden, wenn, wie es geschehen ist, die Beförderung einem möglichst vereinfachten Verfahren, das so gut wie keine Kontrolle kennt, unterstellt wird. Diese Verhältnisse machen den Diebstahl von Feldpost leicht und erschweren die Überführung des Täters außerordentlich.
Mit der Beraubung von Feldpostsendungen hat der Angeklagte die wichtigste Verbindung zwischen Front und Heimat gestört, u. U.  durchschnitten.  Durch die Feldpost vermag die Heimat ihren Söhnen die Treue zu beweisen und ihnen das stärkende Gefühl zu vermitteln, dass sie mit ihnen lebt und Anteil an ihren großen Aufgaben nimmt. Umgekehrt bangen Angehörige und Freunde um das Schicksal ihrer Soldaten, wenn sie die von diesen abgesandte Post nicht erreicht. Dem Angeklagten war dies alles bekannt. Wenn er trotzdem zum Postdieb und Feldpostmarder wurde, so erscheint seine Tat in den Augen des Volkes besonders verwerflich. Er war daher wegen eines Verbrechens nach § 4 der Volksschädlingsverordnung in Verbindung mit einem Vergehen des Diebstahls, einem Vergehen der Verletzung des Postgeheimnisses und einem Verbrechen der gewinnsüchtigen Urkundenvernichtung im Amt schuldig zu sprechen.… In Abwägung dieser Umstände erachtete das Gericht eine Zuchthausstrafe von drei Jahren als die gebotene Sühne seiner Tat. Daneben musste sein ehrloses Verhalten durch Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf drei Jahre gebrandmarkt werden. Da der Angeklagte geständig war, wurde die seit 10. Oktober 1942 erlittene Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet.“

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Quellen: Staatsarchiv Nürnberg, Bestand: Anklagebehörde bei dem Sondergericht Nürnberg, Nr. 1785.
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