Von Wolf Stegemann
Der Spätkriegsheimkehrer Gerhard Buchwald war „beim Teufel zu Gast“ und ist nur durch „Haaresbreite dem Tode entronnen“. So titelte der „Fränkische Anzeiger“ am 31. Dezember 1951 seine Geschichte, die von Krieg, Gefangenschaft, Todesurteil und Begnadigung zur Zwangsarbeit sowie der glückliche Heimkehr zu Frau und Kindern handelt, die seit 1945 in Rothenburg wohnten. Aus Berlin stammend und ausgebombt, wurde die Familie nach Schlesien evakuiert. Von dort floh sie vor den Russen in den Westen und fand im Juli 1945 in Rothenburg eine neue Heimat. Mit seinen Geschichten, die Gerhard Buchwald 1951 zu erzählen hatte, hätte er ein dicken Buch füllen könne.
1944 hatte er von der griechischen Front seinen letzten Urlaub bekommen. Damals sah er seine Familie das letzte Mal. Es sollte sieben Jahre dauern, bis Buchwald seine Frau und seine kleinen Kinder wieder in die Arme schließen konnte. 1945 zog sich die Wehrmacht aus Griechenland über den Balkan nach Deutschland zurück. Die lange LKW-Kolonne, mit der Gerhard Buchwald nach Deutschland unterwegs war, wurde am 10. Mai 1945 bei Schönstein in Jugoslawien angehalten und die Soldaten gefangengenommen. Seine Erfahrungen in den Kriegsgefangenenlagern, Gefängnissen und Zuchthäusern des Tito-Regimes fasste er gegenüber der Lokalzeitung mit Bitterkeit in dem Satz zusammen: „Ich war sieben Jahre lang beim Teufel zu Gast.“
Harte Zwangsarbeit auf der Kanalbaustelle
Gerhard Buchwald hatte sich kurz vor dem Rückzug in Griechenland bei einem Autounfall verletzt. Daher kam er nach seiner Gefangennahme zuerst in das Krankenhaus von Neu-Zilly. Dadurch entkam er dem berüchtigten 700 Kilometer-Todesmarsch kreuz und quer durch Jugoslawien, den die jugoslawische Regierung als Demonstration ihres Sieges veranstalten ließ. Nach dem Krankenhausaufenthalt verlegte man ihn in das Offiziers-Gefangenenlager Versac, wo er die Zeit bis 1948 einigermaßen „normal“ verbrachte. Er teilte dort sein Schicksal mit 3.400 Offizieren in drei riesigen Flugzeughallen unter primitiven sanitären Verhältnissen und einseitiger Kost. Große Freude bereitete Gerhard Buchwald, als er 1946 erstmals Post seiner Frau aus Rothenburg bekam. Auf der anderen Seite verschlechterte sich sein Status als Kriegsgefangener. Ihm und seinen Leidensgenossen wurde eröffnet, dass sie nun Untersuchungsgefangene seien. Denn es werde ein Kriegsverbrecherprozess gegen sie vorbereitet. Von da an wurde die Verpflegung schlechter. Er und die anderen betroffenen Offiziere mussten schwerste Kanalbauarbeiten in der Gegend von Potporanje verrichten. „Täglich brachen zehn bis zwölf Kameraden vor Entkräftung auf der Baustelle zusammen.“ Kaum einer hatte eine Ahnung oder Vorstellung davon, warum sie wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden sollten.
Vernehmungen, Folter, falsche Geständnisse und echte Todesurteile
In kleinen Gruppen brachten die Jugoslawen die Zwangsarbeiter in das Lager Versac zurück, wo endlose Vernehmungen mit Folterungen folgten. Dabei leisteten einige deutsche Kriegsgefangene den Jugoslawischen Behörden Handlangerdienste. Gegenüber der Lokalzeitung sagte Buchwald 1951:
„Wir waren bereit, jedes Geständnis zu unterschreiben und selbst die unwahrscheinlichsten Verbrechen zuzugeben. Denn ein schneller und schmerzloser Tod musste bei diesen ständigen Folterungen wie eine Erlösung erscheinen.“
Gerhard Buchwald, ehemaliger Oberzahlmeister der Wehrmacht, wurde mit anderen am 29. Oktober 1949 wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt. Danach kam er zur Urteilsvollstreckung in das Zuchthaus von Srem-Mitrovica bei Belgrad. Und ebenso überraschend wie grundlos das Todesurteil war, so kam die Begnadigung durch die jugoslawische Regierung hinterher. Das Todesurteil wurde in 14 Jahren Zwangsarbeit umgewandelt.
Das Evangelische Hilfswerk Erlangen/München Bischof Heckels übernahm von da an die Betreuung der Gefangenen, die jeden Monat „Liebesgabenpakete“ mit Nahrungsmitteln und Kleidung erhalten durften. Zuweilen schickte auch das Rote Kreuz oder die Bundesregierung Pakete.
Amnestiert, freigelassen und im Sonderzug nach Deutschland
Die Zeiten änderten sich. In Belgrad wurde ein deutsches Generalkonsulat eröffnet. Der Geschäftsträger durfte Gerhard Buchwald und die anderen Gefangenen im Zuchthaus einmal monatlich besuchen. Die Bundesregierung setzte sich für die Freilassung der Verurteilten erfolgreich ein. Vor seiner Freilassung wurde Buchwald von der jugoslawischen Regierung amnestiert und am 12. Dezember 1951 mit hundert ebenfalls Freigelassenen nach Deutschland transportiert. An der jugoslawisch-österreichischen Grenze wurden sie von deutschen Regierungsbeamten empfangen und mit einem Sonderzug, dessen Abteile mit Weihnachtsbäumen geschmückt waren, nach Deutschland gebracht. Ein Regierungsvertreter, der den Zug begleitete, gab ihnen das Versprechen, dass sie alle zu Weihnachten wieder bei ihren Familien seien. Dafür dankte der ehemalige Wehrmachtsgeneral Henke, der zu den hundert Freigelassenen gehörte, und erinnerte daran, dass im Zuchthaus Srem-Mitrovica immer noch 120 Deutsche und 150 Volksdeutsche auf ihre Freiheit warteten.
Tränenreiches Wiedersehen nach sieben Jahren
Am Haus Herrngasse 26 in Rothenburg, das bis 1938 der Jüdin Fanny Loewenthal gehörte und in dem seit 1945 u. a. die Familie Buchwald wohnte, hing 1951 das Schild „Herzlich willkommen“ für den Familienvater, der nach sieben Jahren rechtzeitig zum Weihnachtsfest tränengerührt zu seiner Familie heimgekehrt war.
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Quelle: „Fränkischer Anzeiger“ vom 31. Dezember 1951 (nacherzählt).
Sehr interessanter Artikel. Vielen Dank für die Informationen. Schlimm, dass es immer noch Kriege auf der Welt gibt.
Gruß Anna
Durch Zufall las ich heute ihren Artikel, weil ich auf der Suche nach Spuren meines Vatis Paul Kühn war. Unsere Väter waren Ja eng befreundet und wir trafen uns ja damals oft in Berlin. Mein Vati starb leider 1959. Verfügen sie über weitere Unterlagen über die Kriegszeit in Griechenland und die Gefangenschaft in Jugoslawien? Mit freundlichen Grüßen Monika Gourdet, geb. Kühn
Antwort der Redaktion: Leider nein!