W. St. – Alle Kreis- und Ortspolizeistationen in Mittelfranken, so auch Rothenburg ob der Tauber, unterstanden der Gestapo Nürnberg-Fürth, der die Würzburger Gestapostelle 1941 als Filiale angegliedert wurde und die mit neuem Namen „Geheime Staatspolizei, Staatspolizeidienststelle Nürnberg-Fürth Außendienststelle Würzburg“ hieß. Ihre ehemaligen Filialen in Aschaffenburg und Schweinfurt wurden mit Ausnahme der Filiale in Bamberg geschlossen.
In Würzburg waren 16 bis 18 Beamte tätig. Die Leiter waren Josef Gerum (1934 bis 1937), Dr. jur. Karl Wicklmayr (bis 1940), Ernst Gramowski (bis 1942), Helmut Heisig (bis 1943) und Michael Völkl (bis 1942). Völkl beging 1945 zusammen mit seiner Familie Selbstmord. Der brutalste, gefürchtetste und grausamste unter ihnen war der gelernte Metzger Josef Gerum, über den wir hier beispielhaft berichten.
Ein „Alter Kämpfer“ Hitlers in der bayerischen Polizei
Als Adolf Hitler 1935 Rothenburg besuchte und im Hotel Eisenhut nächtigte, war auch Josef Gerum mit fünf seiner Beamten zur Sicherheit des Führers dorthin abgeordnet, obgleich Nürnberg zuständig war. Dies geht aus einer Notiz im Kalender eines Rothenburger Polizisten hervor, die im Besitz seines Sohnes ist. Josef Gerum, 1888 in München geboren, gelernter Metzger, kam schon 1920 zur NSDAP und beteiligte sich 1923 am Hitler-Putsch in München. Da war er bereits im bayerischen Polizeidienst als Kriminalassistent tätig. Daraufhin wurde er aus dem Polizeidienst entlassen und zu 15 Monaten Festungshaft in Landsberg verurteilt. Ab 1923 gehörte er der Sturm-Abteilung, die damals eine Art „Leibwache“ Hitlers war. 1932 trat er in die SS ein, wurde 1933 wieder in den Polizeidienst aufgenommen und leitete ab 1934 als SS-Sturmführer und im Rang eines Kriminalrats die Leitung der Dienststelle der Bayerischen Polizei in Würzburg, die am 1. Oktober 1936 in „Geheime Staatspolizei – Staatspolizeistelle Würzburg“ umbenannt wurde.
Einen Schweizer Homosexuellen persönlich ins KZ gebracht
Josef Gerum attackierte als Gestapochef in Würzburg persönlich vor allem den promovierten Juristen und Schweizer Staatsbürger Leopold Obermayer, der sich im Oktober 1934 bei ihm über die Kontrolle seiner Post beschwert hatte. Josef Gerum ließ den offen homosexuell lebenden Obermayer umgehend in „Schutzhaft“ nehmen und brachte ihn persönlich im Januar 1935 in das KZ Dachau. Von dort kam Obermayer im September 1935 in gerichtliche Untersuchungshaft zurück nach Würzburg. Ein bei ihm gefundener handschriftlicher Bericht über seine KZ-Haft gelangte in die Hände Gerums, der daraufhin eine erneute Einweisung Obermayers ins Konzentrationslager forderte und auch erreichte. Ein Jahr später wurde der Schweizer Staatsbürger Dr. Obermayer vom Würzburger Landgericht wegen Verstoßes gegen den § 175 (Homosexualität) zu zehn Jahren Zuchthaus, Ehrverlust und anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Obermayer starb am 22. Februar 1943 im KZ Mauthausen.
„Sondergruppe Gerum“ raubte für den Führer Kunstschätze
1937 wurde Gerum abgelöst und in die Stapo-Leitstelle München versetzt. Bei Kriegsausbruch meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht und nahm in einer Einheit der Geheimen Feldpolizei am Polenfeldzug teil. Wegen Erkrankung gerade auf Urlaub in München, übernahm er eher beiläufig am 8. November 1939 als Verantwortlicher die Absicherung des Bürgerbräukellers während der Hitler-Rede, bei der das erfolglose Attentat Georg Elsers auf Hitler stattfand. In der anschließenden Untersuchung wurden Gerum erhebliche Mängel bei der Sicherung der Veranstaltung vorgeworfen, zeitweilig wurde er sogar wegen Verdunkelungsgefahr verhaftet. 1940 nahm der zur Feldpolizeigruppe 627 zurückgekehrte Gerum am Frankreichfeldzug teil. Seine „Sondergruppe Gerum“ hatte dort die Aufgabe, „Kunstschätze im Auftrag des Führers auszusuchen und zu sichern“, wobei von der Truppe Kunstsammlungen und Privatwohnungen nach meist vorgefertigten Listen geplündert wurden. Nach einer Verwundung war er ab 1942 wieder bei der Stapo-Leitstelle München.
Heinrich Himmler notierte am 3. Oktober 1942, Josef Gerum sei der „Typ des unzufriedenen und ewig kritisierenden alten Kämpfers. Er übt in dieser Richtung in München einen fast unheilvollen Einfluss aus“. Als Gerum, der es bis zum SS-Sturmbannführer brachte, 1942 erneut auffällig wurde, indem er einem Versetzungsbefehl nicht nachkam, wurde er zwangspensioniert.
Josef Gerum nach dem Kriegsende: Einstellung der Verfahren
Nach drei Jahren automatischen Arrestes in einem amerikanischen Internierungslager wurde Gerum 1948 entnazifiziert. Die Spruchkammer beurteilte Josef Gerum als einen „der gefürchtetsten, gewalttätigsten und rücksichtslosesten Gestapo-Chefs in Würzburg. Er war in der ganzen Stadt wegen seiner Brutalität gefürchtet und gehasst, auch von Parteigenossen“. Für seine Tätigkeit als Gestapochef in Würzburg erhielt er ein Jahr Gefängnis. Bis 1957 wurden in Würzburg und München eine Reihe weiterer Verfahren gegen Gerum eingeleitet, ohne dass es zu einer Verurteilung kam. Die meisten Verfahren wurden eingestellt.
Das Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Festnahme des Schriftstellers Nebuschka wurde am 23. Januar 1950 gestellt. Das Verfahren wegen Aussageerpressung von politischen Häftlingen vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Würzburg endete am 22. Oktober 1952 mit einem Freispruch. Ein weiteres Verfahren (Js 404/52) der Staatsanwaltschaft München I gegen Gerum wurde eingestellt, der Verfahrensgegenstand unbekannt. Ein Verfahren wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge zum Nachteil des jüdischen Rechtsanwalts Dr. Adler aus Würzburg wurde am 25. Juli 1953 eingestellt. – Todesjahr und -ort Josef Gerums sind nicht bekannt.
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Quellen: Robert Gellately: „Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft“. – Wikipedia, Online-Enzylopädie (verschiedene Veröffentlichungen zum Thema, 2014). – Information aus dem Nachlass eines Rothenburger Polizisten von 1935, mündliche Übermittlung 2008.
Gerum ist gestorben am 14. Juli 1963 in Hohenschhäftlarn bei München.