Von Wolf Stegemann
Um den Rothenburgern zum einen ihren Nationalsozialismus zu schärfen und zum anderen von ihnen das Bekenntnis zum Nationalsozialismus zu erhalten, veranstaltete die Rothenburger NSDAP-Kreisleitung im Rahmen des zehnjährigen Bestehens der Ortsgruppe so genannte „Zellenabende“. Die Zelle war in der Ortsgruppe die nachgeordnete Gliederung, gefolgt vom Block. Ortsgruppe wie Zellen und Blocks wurden geführt von Leitern. Für die Rothenburger NSDAP war diese großangelegte Veranstaltung zudem ein Propagandamittel, das über den „Fränkische Anzeiger“ verbreitet wurde. Dieser schrieb vermutlich mit der damals üblichen Übertreibung:
„Die Bevölkerung unserer Stadt hat durch ihre unerhört starke Beteiligung an den Zellenabenden in erhebender und eindrucksvoller Weise ihre Freude über das Jubiläum ihrer Ortsgruppe Ausdruck gegeben. Was man an diesem für die Ortsgruppe so denkwürdigen Abend erlebte, überstieg alles, was man bisher auf diesem Gebiet erleben konnte. […] Die Zahl der Volksgenossen, die an diesem Donnerstagabend die Zellenabende besuchten, dürfte nach vorsichtiger Schätzung mit 2.000 eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein. Es steht somit fest, dass weit über 20 Prozent der Gesamtbevölkerung die Zellenabende der NSDAP besuchten. Und im Saal selbst? Eine einzigartige, wunderbare Gemeinschaft von Menschen aller Kreise und Stände. Hier saß der einfache Fabrikarbeiter neben dem Beamten, die Volksschullehrerin neben der Hausangestellten, der kleine Gütler neben dem Fabrikbesitzer, Angestellte, Beamte, Arbeiter und alle waren beseelt vom Glauben an den Führer“
Gasthof zum Ochsen
Im vollbesetzten Saal des „Gasthauses zum Ochsen“ sprach NSDAP-Kreisleiter Zimmermann aus Nürnberg, der über die Zeit des „Niedergangs, des Zerfalls, der Not und der Entbehrung der Deutschen sprach, bis „dann der Führer kam, der an die Stelle von Zweifel und Hoffnungslosigkeit den Glauben im Volk aufrichtete“. Die Zeitung schrieb:
„Wohin man sieht, man blickt in lauter Gesichter, aus denen Lebensfreude und Lebensbejahung spricht. Ein altes Mütterlein, dem die Sorgen für das Leben im Gesicht stehen, hängt gebannten Blickes am Redner. Was mag es wohl bewogen haben, in seinen alten Tagen noch in einen Zellenabend der Partei zu gehen? […] Die Achtung und Liebe, die dem Führer gilt, ist es, was die alte Frau veranlasst hat, die Beschwerlichkeit aufzunehmen, die der Besuch einer überfüllten Versammlung mit sich bringt.“
Zellenleiter Neumeyer, der die Versammlung eröffnete, erinnerte am Schluss an die Winterhilfswerk-Straßensammlung der SS und SA am kommenden Sonntag, die tatkräftig unterstützt werden sollte.
Gasthaus zum Klingentor
Die NSDAP-Zellen 2 und 10 trafen sich im Wagenländer-Saal im Gasthaus zum Klingentor. Zellenleiter Bernhard Layer begrüßte als Redner den Kreisleiter Seiler aus Neustadt a. d. Aisch, der – wie sein Nürnberger Kollege im „Ochsen“ – über die „Zerrüttung“ Deutschlands in Weimarer Zeit sprach, von den „Machenschaften der Juden, Bolschewisten und Marxisten“, von den „frommen Männern“ der Kirche und dem Gottglauben. Dazu der Fränkische Anzeiger:
„Der tiefe Gottesglaube, der aus ihm [dem Redner] spricht, und der erkennen lässt, in welchem Sumpf und Morast das deutsche Volk gerade auch in dieser Beziehung unter der Ära der Marxisten und Bolschewisten geraten war, musste allen Hörern sagen, mit welch heißem Herzen der Nationalsozialismus heute um die Seele des deutschen Menschen ringt.“
Des deutschen Volkes Gottesglaube, so der Redner, dürfe nicht weiterhin durch „art- und rassenfremde jüdische Lehren“ verwässert und zerstört werden. Zellenleiter Layer schloss den Abend mit einem Dank an den Redner und an den Führer. Danach wurde „fröhlich getanzt“.
Gasthaus Goldenes Faß
Im völlig überfüllten „Goldenen Faß“ traf sich die NSDAP-Zelle 7 unter Zellenleiter Kathmann, der Gauredner Dr. Preiß aus Nürnberg begrüßte. Auch er sprach vom Verfall Deutschlands in der Zeit vor 1933. Die Zeitung über seine Rede:
„Die Lösung aller Existenzfragen des deutschen Volkes, unter denen das Kolonialproblem z. Zt. Das aktuellste ist, bilde der Lebensinhalt unseres Führers Adolf Hitler, dessen überragende, gottbegnadete Persönlichkeit er in ergreifenden Worten schilderte.“
Weiter sagte der Redner, was denn aus Deutschland geworden wäre, wenn nur betende, nicht aber kämpfende Menschen vorhanden gewesen wären! Mit einem Gruß „an den geliebten Führer des Reiches“ sowie an Frankens Gauleiter, schloss Zellenleiter Kathmann die „erhebende Zellenversammlung“.
Gasthaus zur Glocke
In dem mit einem großen Führerbild geschmückten Saal in der „Glocke“ gab es ebenfalls „nur frohe Gesichter“. Ortsgruppenleiter Götz begrüßte aus Nürnberg den Gaupropagandawalter der Deutschen Arbeitsfront, Emmert. Sein Thema war neben den Lobpreisungen des Führers die Darstellung der kameradschaftlichen Grundsäulen des Dritten Reiches: Arbeiter, Bauer, Soldat. Er sagte:
„Wir marschieren für Deutschland, für Adolf Hitler; nicht, dass wir ein schönes Leben haben, sondern dass unsere Kinder in einem besseren und schöneren Deutschland leben.“
Danach ging der Redner auf den Kampf gegen das Judentum ein, das „die Quelle allen Unglücks in der Welt sei, der aber siegreich sein wird, weil jeder einzelne zum unbeirrbaren Verfechter der Idee der Vernichtung des Judentums sein wird“. Mit dem Ruf „Ein freies Volk auf freier Scholle“ und einem dreifachen „Sieg Heil“, das durch den Saal brauste“, beschloss er die Versammlung. Danach wurden „frohe Lieder“ gesungen.
Gasthof zum goldenen Löwen
Gauredner Götzinger sprach im Löwensaal des Gasthofs zum goldenen Löwen, wo sich die NSDAP-Zellen 1 und 4 unter Zellenleiter Dr. Friedrich trafen. Er erinnerte an die vergangenen Zeiten der Ortsgruppe; wo sie kämpfen musste und lernen, „für die Zukunft die notwendige Kraft und den rechten Marschtritt zum weiteren Kampf zu finden“. Neben seinen Ausführungen über „Blut und Boden“ stellte auch er Hitler in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen.
„Adolf Hitler ist der größte Staatsmann der Welt, der nach vier Jahren Krieg und vierzehn Jahren politischen Kampfes in fünf Jahren ein Volk der Freiheit und Ehre entstehen ließ. […] Entweder Sieg des Nationalsozialismus und der mit ihm befreundeten Weltanschauungen oder der Jude und damit der Bolschewismus siegt! Dies bedeutet aber keinesfalls Krieg, denn der Führer hat bis jetzt all die schwierigen Probleme – Zerreißung des Versailler Schandvertrages, Schaffung der Wehrmacht, Rheinlandbefreiung – ohne Krieg gemeistert.“
Bierstube Butz
In der überfüllten Bierstube „Butz“ sprach Gauredner Heid aus Nürnberg, der vom Versammlungsleiter Deißenberger begrüßt wurde. Der Redner thematisierte das „heilige Lebensrecht des großen, freien, deutschen Volkes“, das „im Glauben an den Führer und seine Mission zwar einen harten, steinigen Weg gehen muss, aber beseelt von dem Zukunftswillen des ganzen Volkes seinen Platz als Großmacht erringen wird“. Er sprach über die Rassenfrage, über das Problem der Bevölkerungspolitik, über die Frage der deutschen Währung, über die Judenfrage, „über den Kampf, den wir als Schicksalsgemeinschaft gegen den internationalen jüdischen Bolschewismus und seine Helfershelfer zu führen haben“. Mit dem „Sieg Heil“ auf den Führer und dem Deutschland- sowie dem Horst-Wessel-Lied schloss Zellenleiter Deißenberger die Versammlung. Danach wurde bei Musik und „frohen Liedern“ gesungen.
Gasthaus Schwarzes Lamm, Detwang
Rothenburgs Kreisbauernführer Soldner sprach im Detwanger „Schwarzen Lamm“, wo ihn der Zellenleiter Kronberger begrüßte. Soldner gab einen Überblick über den deutschen Bauernstand, über dessen Niedergang in der Systemzeit und kam dann auf die Kampfzeit des Adolf Hitlers vor 1933 zu sprechen und auf das „Heldentum der Kämpfer“. Er würdigte, was „der von Gott geschickte Führer“ bereits geschaffen habe, das Erbhofgesetz, den Vierjahresplan, das Winterhilfswerk des deutschen Volkes. Auch diese Versammlung wurde mit den Nationalhymnen und einem „kräftigen bäuerlichen Sieg Heil auf den Führer“ beschlossen.
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